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Grubenunglück in der Türkei
Unabhängige Untersuchung gefordert

Nach dem Grubenunglück in der Türkei werden immer noch mehrere Kumpel unter Tage vermutet. Die Regierung geht inzwischen davon aus, dass es mehr als 300 Opfer gegeben hat. Rufe nach einer unabhängigen Aufklärung werden lauter.

16.05.2014
    Rettungskräfte tragen bei dem Grubenunglück im türkischen Soma eine Bare mit einem geborgenen Arbeiter.
    Das Grubenunglück von Soma zählt zu den schwersten in der türkischen Geschichte. (pa/dpa/EPA/Bozoglu)
    In der türkischen Unglücksmine von Soma werden nach Angaben der Regierung noch höchstens 18 verschüttete Kumpel vermutet. Zugleich ließ Energieminister Taner Yildiz erkennen, dass die Eingeschlossenen höchstwahrscheinlich tot sind. Zuletzt hatte die Zahl der Toten bei 284 gelegen, Yildiz sagte nun, dass sie wohl auf bis zu 302 steigen werde.
    UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon sprach den Angehörigen der Toten sein Beileid aus. Die Tragödie habe ihn zutiefst traurig gestimmt, sagte Ban in New York. Er hoffe gemeinsam mit den Angehörigen und Überlebenden darauf, dass die Ursache schnell aufgeklärt werden könne und dass Maßnahmen ergriffen würden, die derartige Unfälle zukünftig verhindern.
    Özdemir dringt auf Untersuchung
    Der Vorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, forderte eine unabhängige Aufarbeitung der Umstände. In die Untersuchungen müssten Gewerkschaften sowie Überlebende einbezogen werden, sagte Özdemir im ZDF. Sie müssten "sehr schnell Ergebnisse präsentieren, ob die Vorwürfe, die im Raum stehen, stimmen", sagte Özdemir. Erdogan müsse nun zeigen, "dass auch die Grubenarbeiter seine Bürger sind und nicht nur die, die ihn gewählt haben".
    Das Herunterspielen des Grubenunglücks in Soma könnte Ministerpräsident Erdogans Präsidentschaftskandidatur gefährden und weitere Proteste nach sich ziehen, sagte der Politikwissenschaftler Hüseyin Bagci im Deutschlandfunk. Die Regierung zahle nun den Preis dafür, dass sie bei der Privatisierungswelle profitorientiert gedacht habe, statt die Situation der Arbeiter zu verbessern.
    Die Wut über das Unglück richtet sich zunehmend gegen die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan. Der Regierung wird vorgeworfen, Sicherheitsmängel in den Bergwerken der Türkei in Kauf genommen zu haben. Die Proteste gegen die Regierung gingen weiter. In der westtürkischen Metropole Izmir ging die Polizei laut Medien mit Tränengas und Wasserwerfern gegen etwa 20.000 Demonstranten vor. Gewerkschaften hatten zum Streik aufgerufen. In Ankara und Istanbul forderten schon am Vorabend Tausende den Rücktritt der Regierung. Auch dort setzte die Polizei Wasserwerfer und Tränengas ein.
    Tretender Berater bittet um Verzeihung
    Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül sagte eine Aufklärung der Katastrophe zu. "Die Untersuchungen haben schon begonnen", sagte Gül gestern nach einem Besuch an der Unglückszeche. "Sie werden mit großer Sorgfalt weitergeführt." Gül sprach den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus. "Es ist ein großer Schmerz, und es ist unser aller Schmerz."
    Inzwischen hat sich ein Berater Erdogans für Tritte auf einen am Boden liegenden Demonstranten entschuldigt. "Der Zwischenfall am Mittwoch in Soma tut mir sehr leid", zitierten türkische Medien eine Erklärung von Yusuf Yerkel. Wegen "Provokationen, Beleidigungen und Angriffen" habe er die Selbstbeherrschung verloren, erklärte Yerkel. Demonstranten hatten Erdogan und seine Delegation nach dem Unglück in der Kohlegrube der Stadt ausgepfiffen und ausgebuht.
    (fwa/bor)