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Grüne und FDP in Schleswig-Holstein
Die große Macht der kleinen Parteien

In Schleswig-Holstein ist nach der Landtagswahl noch vieles offen. Zwar zeichnet sich ab, dass der amtierende Regierungschef Torsten Albig (SPD) wohl abtreten muss, aber wer Ministerpräsident wird, ist nicht klar. Den kleinen Parteien, den Grünen und der FDP, kommt in den Koalitionsverhandlungen eine entscheidende Rolle zu.

Von Johannes Kulms | 11.05.2017
    Elefantenrunde nach der Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 7. Mai 2017 im Kieler Wahlstudio: mit Monika Heinold / Bündnis 90/Die Grünen, Jörg Nobis / AfD, der Moderatorin, Torsten Albig / SPD, Daniel Günther / CDU, Wolfgang Kubicki / FDP, dem Moderator und Lars Harms / SSW
    Elefantenrunde nach der Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 7. Mai 2017 im Kieler Wahlstudio: mit Monika Heinold / Bündnis 90/Die Grünen, Jörg Nobis / AfD, der Moderatorin, Torsten Albig / SPD, Daniel Günther / CDU, Wolfgang Kubicki / FDP, dem Moderato (picture alliance / Axel Heimken/dpa)
    "Das ist ein sehr sicheres Schiff. Es segelt sich sehr angenehm bei der Welle und auch bei wenig Wind segelt es sehr schnell los."
    Jörg Nickel sitzt in der engen Kajüte der "Lise", einer fast 80 Jahre alten Segelyacht. Nur wenige hundert Meter vom Boot entfernt liegt Nickels Arbeitsplatz. In der Kieler Staatskanzlei kümmert sich der Grünen-Politiker um das Thema Digitale Agenda.
    Erst in wenigen Tagen soll die "Lise" startklar sein für die neue Saison. Dann könnte es aufgehen zu attraktiven Zielen:
    "Ja, also, es liegt jetzt die sogenannte dänische Südsee nicht weit von hier entfernt, es gibt dort sehr viele kleine Inseln mit vielen beschaulichen Häfen. Und dort ist es einfach wunderschön, im Sommer hinzusegeln."
    Auf welchem Schiff geht die Reise im Sommer weiter – und vor allem wohin? Diese Frage stellen sich gerade auch die Grünen in Schleswig-Holstein. Mit 12,9 Prozent haben sie bei der Landtagswahl ein sattes Ergebnis geholt – und dem mauen Bundestrend klar getrotzt.
    Grüne und FDP waren 2005 bis 2009 gemeinsam in der Opposition
    Dass die Öko-Partei auch weiterhin in der Regierung bleibt, ist sehr wahrscheinlich. Zum Beispiel in einer Jamaika-Koalition mit CDU und FDP. Auch wenn Hobby-Segler Jörg Nickel noch keine Liberalen mit an Bord hatte, könnte er sich eine politische Zusammenarbeit mit ihnen gut vorstellen. Während der Großen Koalition 2005 bis 2009 in Kiel hätten Grüne und FDP in der Opposition bereits vieles gemeinsam durchgekämpft.
    "Und was ich jetzt auch sehe im Wahlprogramm, dass die FDP sich sehr klar dafür ausspricht, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. Und dieses Thema finde ich auch sehr wichtig. Und da sehe ich auch viele Gemeinsamkeiten."
    Auch Monika Heinold ist begeisterte Seglerin.
    "Beim Segeln bekommen sie immer den Kopf frei. Das wär‘ nicht schlecht jetzt einmal nach der Wahl."
    Doch derzeit bleibt ihr nur der sehnsüchtige Blick vom Balkon des Finanzministeriums auf die Kieler Förde. Fürs Segeln hat sie keine Zeit. Fünf Jahre als Grüne Finanzministerin sind gerade rum, als alleinige Spitzenkandidatin hat Heinold ihre Partei in den Wahlkampf geführt.
    Die Chancen für eine Ampel-Koalition sind nur gering
    Nun ist die Öko-Partei ähnlich wie auch die FDP begehrt. Die Grünen hoffen weiterhin auf das Zustandekommen einer Ampel. Doch die Chancen dafür sind nach der SPD-Wahlniederlage nur gering, weiß auch Heinold.
    "Bei Jamaika müssen wir aufpassen, dass wir dass wir nicht rückwärts segeln, das heißt, wir müssen ganz dolle verabreden, dass Kapitäne und Kapitänin wirklich den Zukunftskurs erkennt."
    Manch einer meint, die Grünen wollten sich nun rarmachen, um den Preis für eine Jamaika-Koalition mit CDU und FDP in die Höhe zu treiben. Viele in der Partei haben aber vor allem inhaltliche Bedenken. Zum Beispiel wegen der großen Unterschiede zur CDU in der Flüchtlingspolitik oder beim Thema Windkraft. 'Zur Not lieber in die Opposition' – diesen Satz hört man bei den Grünen immer wieder.
    Und die FDP? Kann sich eine Zusammenarbeit mit den Grünen gut vorstellen. Doch ein Ampelbündnis mit der Wahlverliererin SPD hat die FDP bereits für tot erklärt. Fragt sich nur: Ganz tot oder nur scheintot? Dieser Tage konnten Journalisten im Kieler Landtag eine bizarre Szene beobachten: FDP-Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki eilte als einer der letzten herbei zur gleich beginnenden konstituierenden Fraktionssitzung. Gefragt nach einer SPD-geführten Regierung gab sich Kubicki sehr kurz angebunden:
    Kubicki: "Sie kennen ja den Genossen Stegner, dazu will ich nichts sagen, Mathematik war sicherlich nie seine Stärke…"
    Autor: "Aber wenn der Ministerpräsident Albig zurücktritt, dann wäre doch eine Ampel möglich, oder?"
    Kubicki: "Ja, wenn Sie kandidieren, können wir drüber reden. Ist doch albern!"
    SPD müsste wohl für eine Ampel Torsten Albig zurückziehen
    Als sicher gilt, dass die SPD für eine Ampel den noch amtierenden Ministerpräsidenten Torsten Albig zurückziehen müsste. Dennoch ist fraglich, ob das ausreichen würde.
    Werden die Grünen und die FDP am Ende sich also für die CDU entscheiden? Das hängt auch davon ab, welche Mehrheitsverhältnisse die Landtagswahl an diesem Sonntag in Nordrhein-Westfalen vorbringt, wie Jürgen Koppelin klar macht:
    "Das ist eine Nervosität: Was wird aus Nordrhein-Westfalen? Denn sowohl Herr Habeck wie auch Herr Kubicki sind ja jetzt noch in diesen Tagen im Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen sehr engagiert."
    Koppelin saß fast 25 Jahre lang im Deutschen Bundestag, ehe die FDP 2013 rausflog. Ähnlich wie die Grünen seien auch die Liberalen in Schleswig-Holstein schon immer etwas eigen gewesen und hätten auch mal gegen die Bundespartei gestimmt – zum Beispiel beim Thema Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke.
    Mit den Grünen habe er immer gut zusammengearbeitet, sagt Koppelin. Seine Prognose: Es wird auf Jamaika hinauslaufen. Auch wenn er das Verhalten von CDU-Mann Daniel Günther kritisch beobachtet:
    "Wenn ich auch sehe, wie Herr Günther bereits jetzt schon Ministerposten verteilt, indem er sagt, ja, die Grünen können ja alles behalten, die FDP kann selbstverständlich das Wirtschaftsministerium kriegen und, und, und. Und gleichzeitig sagt, ja, die CDU muss stark in 'ner Koalition zu erkennen sein, ja, dann ist er auf dem falschen Trichter."
    Es müsse "menschlich stimmen" – das hört man in Kiel immer wieder, wenn es um Koalitionsszenarien geht. So sieht es auch Monika Heinold, die auf dem Balkon des Finanzministeriums steht. Würde sie Wolfgang Kubicki mitnehmen auf ihr Segelboot? Die Grünen-Politikerin holt tief Luft:
    "Da bin ich mir nicht so sicher. Ich kenne viele andere Menschen, die ich vielleicht erst einladen würde."
    Es ist ein offenes Geheimnis, dass sie sich vor allem wegen der maroden landeseigenen HSH-Nordbank mit Kubicki viel gestritten hat. Sie denkt noch einmal nach und sagt: Doch, Herr Kubicki könne schon auf ihr Boot
    "Aber da würde ich mir noch zusätzliche Begleitung mitnehmen."