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Gulaschprogrammiernacht No.19
Machen! Tun! Nicht nur reden!

Deutschland debattiert. Über Rezo, Nahles, Kramp-Karrenbauer. Ist da ein Kulturkampf der Generationen ausgebrochen? Die IT- und Hacker-Szene traf sich zum viertägigen Come-Together im ZKM in Karlsruhe, zur 19. Gulaschprogrammiernacht. Ein Nerd-Kulturevent nicht nur für Digital Natives.

Von Peter Backof | 03.06.2019
Die Gulaschprogrammiernacht
Die Gulaschprogrammiernacht 2019 im ZKM Karlsruhe ((c) Michelle Mantel)
"Die Kultur der ganzen Chaos-Veranstaltung. Dieses Nerdige und diese alternative Kultur einfach, abseits vom Mainstream." Das hat auch diesen Langbart Ende Zwanzig auf die "Gulaschprogrammiernacht" gelockt. Sein Name: "Rincelwind", nach Terry Pratchett. Wie viele der rund 1000 Besucher auf dem viertägigen Kongress, gibt er Interviews: Nur unter seinem Hacker-Pseudonym! Das gehört einfach zur Netzkultur.
"Das ist einfach eine Generationenfrage. Sieht man an der Klimadebatte zum Beispiel. Die jüngere Generation ist ganz klar der Meinung, dass da nicht genug getan wird." Wenn es um den Netzwerkausbau in Deutschland geht, so wie generell um Generationen, die mit dem Internet denken und tun. Ergänzt Besucher "Draraech" - Kulturkampf der Alten gegen die Jungen? - wobei die Jungen sagen: "Ihr macht nichts!" - und die Alten: "Das verwächst sich noch"? - Aber!
Schwarmkreativ im Zentrum für Kunst und Medien
"Hier ist es nicht so! Sondern hier sind die, die über 40 sind, auch über 50 – mögen es mir hier verzeihen -, das sind diejenigen, die mit dem C64 damals angefangen haben; ich habe mit 14 angefangen. Hier sind die ersten Digital Natives. Und die verstehen dann auch vielleicht die Jungen ein bisschen besser." Sagt Peter Steffek, Unternehmensberater, der schon vor 19 Jahren Gast der allerersten "Gulaschprogrammiernacht" war; damals war das eine Kellerveranstaltung für ausgesprochene Nerds.
Jetzt, 2019, kommen: Menschen in Massen, Sommerkleidung, Rucksack mit Geräten drin. Sie sitzen schwarmkreativ im und um das Zentrum für Kunst und Medien. Alle werkeln an einem Projekt.
"Tun, Machen! Egal, was man hier anschaut: hier werden spielerisch Sachen umgesetzt; ist es ein Bobbycar, was elektrisch fährt, mit einem Elektromotor, Batterien und Lötkolben." - "Ich versuche in eine App reinzukommen, dass ich was auf dem 3D-Drucker drucken kann." Sein Sohn Konrad, 10 Jahre.
"So kann man sehr schön auch Kinder an die IT heranführen. Es ist also nicht nur: vor dem Computer sitzen, nicht nur 'Fortnite' - Und wenn man jetzt nochmal auf die aktuelle politische Situation geht, mit dem Rezo-Video. Und wenn man dann sieht, wie die großen Parteien nicht in der Lage sind, überhaupt zu verstehen, was die Jugend hat - der Kern wird getroffen dort, ja? Also, eine Kramp-Karrenbauer hier mal undercover hinzukommen…"
Fänden viele gut auf dem Kongress der "Entropia", das Karlsruher Spin-off des Chaos Computer Clubs. Indes: 80 Prozent der Besucher sind männlich, 20 Prozent weiblich, das ist schon auch – noch - Netzkultur und branchentypisch.
Elina Lukijanova, Informatikerin und Komponistin, hält die Quote. Sie ist 35, der Rand von Jugend. Und fühlt sich zum Beispiel übergangen, durch die europäische Datenschutzverordnung zum Urheberrecht, die sie als Urheberin benachteilige.
Hype um künstliche Intelligenz
Und überhaupt: Dieser Hype um künstliche Intelligenz, geht da die Autonomie des Menschen flöten? "Ja, aber die geht eher durch die Wirtschaft flöten und durch die Konzerne, als dass die künstliche Intelligenz das macht. Dahinter stecken ja Menschen, die Daten für sich zu nutzen wissen. Und dieser Kontrollverlust, vor dem die Menschen Angst haben, der ist ja politisch begründet."
Komfortzonen, bequemer Pragmatismus von Entscheidern in Politik und Wirtschaft: Mehr als stark hinterfragt auf der "Gulaschprogrammiernacht". Aber nochmal zurück zum Thema Alt gegen Jung. Peter Weibel, Medienphilosoph und Leiter des ZKM, cruist auch über den Kongress und lässt wirken. Gerade da in die letzten Wochen geschrieben wurde: diese Proteste zu Klima, Uploadfilter, Urheberrecht seien größer als 1968?
Peter Weibel, Leiter des Zentrums für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in Karlsruhe (Baden-Württemberg)
Peter Weibel, Leiter des Zentrums für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in Karlsruhe (Baden-Württemberg) (picture alliance / dpa / Uli Deck)
Peter Weibel: "Aber im Unterschied zu den 68er-Bewegungen: Die heutige Jugend ist ja nur kanalisiert auf ein Ziel hin. Das Ziel ist die Klimakrise. Wir damals, wir waren gegen die Massenmedien. Und heute ist die Jugendbewegung getragen von Massenmedien. Sie ist ein Produkt der Massenmedien."
Womöglich. Was aber auf der Gulaschprogrammiernacht deutlich wird. Es geht hinein in die Betriebssysteme, unter die smarten Benutzeroberflächen. Nicht um vage Gefühle, sondern darum, ob eine konkrete Anwendung läuft - oder nicht.
Und da sind über diesen Kongress hinaus Alt und Jung doch oft vereint: Indem sie so tun, als ob. Pseudoschlau und mit Medienkompetenz nur so als Attitüde: Darüber müssen alle Generationen mal nachdenken.