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Hannovers Hells Angels treten kürzer

Die Hells Angels machten unter Leitung von Oberrocker Frank Hanebuth das Hannoveraner Rotlichtviertel zu einer befriedeten Partymeile. Die Polizei sah das mit Argwohn - doch nun scheinen sich die Höllenengel zurückzuziehen.

Von Susanne Schrammar | 17.11.2011
    Der hannoversche Kiez nachts um halb drei: In der Scholvinstraße wird auch auf dem Bürgersteig gefeiert. Feuchtfröhlich geht es im Steintorviertel zu. Zwischen Bordellen, Stripklubs und Spielotheken dröhnt Musik aus den zahlreichen Bars und Kneipen, in denen sich vor allem junge Leute aus dem hannoverschen Umland tummeln. Ein als Hase verkleideter Junggeselle wird von seinen Kumpels johlend beim Kondomverkauf angefeuert.

    Noch vor fünfzehn Jahren war das Viertel ein gefährliches Pflaster: Verschiedene ethnische Gruppen lieferten sich heftige Verteilungskämpfe – sieben Morde inklusive.

    Doch dann kommen Ende der 90er die Hells Angels zum Zuge. Anführer Frank Hanebuth erwirbt nicht nur mehrere Bordelle und Anteile an Szenekneipen. Der bullige Mittvierziger sorgt auch dafür, dass vor nahezu jedem Klub Türsteher seiner Sicherheitsfirma stehen. Hanebuths Einfluss ist gefürchtet, er selbst ist wegen schwerer Körperverletzung vorbestraft. Derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn, weil zwei seiner Hunde Passanten angegriffen haben. Aus Hannovers Rotlichtviertel macht der glatzköpfige Rockerkönig eine Partymeile und rühmt sich in einem Interview mit dem Privatfernsehen, den Kiez befriedet zu haben.

    "Wir haben ja hier mehr oder weniger ein totes Viertel neu auferstehen lassen, und deswegen kann man da stolz drauf sein. Das sollte eigentlich nicht nur uns so gehen, sondern eigentlich allen anderen Hannoveranern – nun: Stadt, Politik, et cetera. Das ist hier ja auch ein Aushängeschild für Deutschland, wenn man so will. Weil es hier auch funktioniert, klappt. Aus meiner Sicht haben wir das schönste und auch sicherste Rotlicht in ganz Deutschland. Wenn man sich mal umguckt in Deutschland, kann keine Stadt mitziehen."

    Inzwischen vertreiben die Hells Angels in Hannover auch eine eigene Biermarke am Steintor, unterhalten Tätowierstudios und verkaufen eigene Merchandising-Artikel. Experten vermuten, dass die Rocker mit ihren legalen Geschäften illegales Geld waschen, das sie mit Drogen- und Menschenhandel verdienen. Bis zu einem öffentlichkeitswirksamen Friedensschluss mit den verfeindeten Bandidos im vergangenen Jahr waren zudem bei den hannoverschen Höllenengeln brutale Bandenkriege an der Tagesordnung. Doch während in Hamburg, Neumünster oder Flensburg Hells-Angels-Klubs verboten wurden, lässt sich in Hannover juristisch nicht nachweisen, dass es sich bei den Hells Angels um eine kriminelle Vereinigung handeln könnte. Falco Schleier, Sprecher des niedersächsischen Landeskriminalamtes.

    "Wir haben immer wieder Personen dabei, die polizeibekannt sind und milieutypische Straftaten begehen: Körperverletzung, Raub- und Erpressungsdelikte, Menschenhandel et cetera. Es wird dort aber immer wieder versucht, durch einen engen Zusammenhalt und durch eine starke Abschottung jegliche Verbindung zum eigentlichen Klub der Rockergruppierung, zwischen der Straftat und dem Klub, zu unterbinden."

    Obwohl auch die hannoversche Polizei im Steintorviertel am Wochenende immer mit mehreren Einsatzwagen präsent ist, brüsten sich Hells Angels angeblich damit, nur sie könnten die Sicherheit auf der Partymeile garantieren. Als Hanebuths Türsteher wiederholt Personalkontrollen durchführen oder eigenmächtig Straßen absperren, wird es der örtlichen Einsatzleitung zu bunt. Das Steintorviertel drohe ein rechtsfreier Raum zu werden, heißt es. Polizeisprecher Thorsten Schiewe.

    "Wir leben hier in einem Rechtsstaat und in einem Rechtsstaat ist die Polizei für das Gewaltmonopol zuständig, und nicht Herr Hanebuth."

    Vor gut einem Jahr hat die Polizei Hannover ihre Strategie im Steintorviertel verschärft und die Präsenz verstärkt. Seitdem werden die selbst ernannten Wächter der Partymeile in regelmäßigen Großrazzien so hartnäckig unter die Lupe genommen, wie nie zuvor. Um Interessenkonflikten vorzubeugen, wird den Beamten verboten, privat am Steintor zu feiern. Vor wenigen Wochen fordert der zuständige Polizeivizepräsident sogar die Bevölkerung zum Boykott des Hells Angels dominierten Steintors auf. Als vor Kurzem herauskommt, dass der Präsident der hannoverschen Bereitschaftspolizei in einer Steintorkneipe eingekehrt ist, muss er seinen Hut nehmen. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann, CDU.

    "Und ich hab ihm gesagt, dass das wirklich nicht zu akzeptieren ist, dass dieses eben kein Vorbild für die Polizei ist, und habe dann Herrn Dr. Grahl versetzt."

    Kurz darauf lässt Frank Hanebuth über seinen Anwalt verbreiten, dass er seinen Sicherheitsdienst aus dem Steintorviertel abziehen werde und sich auch von seinen Kneipenbeteiligungen getrennt habe. Nur seine zwei Bordelle wolle er behalten. Er habe genug von Hetzkampagnen und andauernd negativ im Rampenlicht zu stehen, sagt Hanebuth der "Bild"-Zeitung. Hinter vorgehaltener Hand wird jedoch auch darüber spekuliert, dass die Geschäfte im Steintor angeblich nicht mehr so gut laufen sollen. Der beleidigte Rückzug nur ein vorgeschobener Grund? Die Steintorwirte äußern jedenfalls die Befürchtung, ohne den Schutz des mächtigen Hells-Angels-Chefs könne wieder ein Kampf verfeindeter Gruppen aufflammen. Doch Polizei und Stadt Hannover begrüßen den Rückzug der Rocker. Die Beamten wollen die Situation am Steintor in den nächsten Wochen genau beobachten und bei Bedarf die Präsenz verstärken. Die Stadt unterstütze die Polizei in dieser Strategie, sagt Verwaltungssprecher Andreas Möser. Erleichterung macht sich breit.

    "Natürlich hat das Auftreten der Hells Angels in Hannover hier mit und um Frank Hanebuth das Image der Stadt Hannover ein klein wenig belastet. Auch in dieser Hinsicht gibt es jetzt Klarheit."