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Hartweizen trotzt Salzböden

Versalzene Böden sind ein wachsendes Problem in der Landwirtschaft, vor allem in trockenen Klimazonen, wo stark bewässert wird. Denn wo Wasser verdunstet, bleiben darin enthaltene Salze im Boden zurück. Viele Nahrungspflanzen reagieren empfindlich auf einen erhöhten Salzgehalt. Pflanzenzüchter suchen deshalb neue Sorten, die besser mit salzigem Boden zurechtkommen. Australischen Forschern ist bei Hartweizen ein erster Durchbruch gelungen.

Von Lucian Haas | 04.04.2012
    Um im Jahr 2050 wie erwartet neun Milliarden Menschen auf der Erde ernähren zu können, müssen die Erträge von Weizen, Reis und Mais im Vergleich zu heute noch deutlich steigen. Doch dabei gibt es zunehmend ein Problem: In vielen landwirtschaftlich genutzten Böden steigt durch die intensive Nutzung der Salzgehalt. Für eine gute Ernte ist das kontraproduktiv.

    "Wenn Salz in die Blätter gelangt, stört es dort den Stoffwechsel. In den Blättern findet die Fotosynthese statt. Dieser Prozess wird durch die Anreicherung von Salz behindert."

    Matthew Gilliham ist Pflanzengenetiker an der Universität von Adelaide in Australien. Seit Jahren arbeitet er daran, Pflanzen so zu züchten, dass sie auch einen erhöhten Salzgehalt im Boden vertragen. Jetzt ist ihm gemeinsam mit Kollegen erstmals ein möglicherweise bahnbrechender Fortschritt gelungen. Die Forscher identifizierten in einem wilden Verwandten des modernen Weizens, dem sogenannten Einkorn, ein Gen, das die Pflanzen davor bewahrt, zuviel Salz aus dem Bodenwasser aufzunehmen.

    "Dieses spezifische Gen erzeugt in den Zellen rund um das Xylem der Pflanzen ein Protein. Das Xylem sind die Leitbahnen, die Wasser und Nährstoffe aus dem Boden in die Blätter leiten. Das spezifische Protein entfernt Salze aus dem Xylem und hält sie in den Wurzeln zurück. So gelangen die Salze nicht mehr hoch in die Triebe."

    Durch klassische Kreuzung ist es gelungen, das Gen für die Salztoleranz aus dem Einkorn in eine moderne Hartweizensorte zu übertragen. Hartweizen gilt als besonders salzempfindlich. In Versuchen auf leicht versalzten Böden lieferte die neue Variante - im Vergleich zu einer nahezu identischen Sorte ohne das entsprechende Gen - einen um 25 Prozent höheren Ertrag.

    "Dies ist die erste Studie, die auch unter Freilandbedingungen einen Ertragszuwachs vorweisen kann. Zwar gab es auch in früheren Laborversuchen schon Fortschritte bei der Salztoleranz. Doch wenn diese Pflanzen dann auf dem Feld getestet wurden, blieb ein nennenswerter Ertragszuwachs aus. Deshalb ist das jetzt schon ein bedeutender Fortschritt."

    Relevant ist diese Entwicklung nicht nur für die Züchtung von salztolerantem Hartweizen. Die Forschergruppe um Matthew Gilliham hat bereits damit begonnen, das gleiche Gen aus dem Einkorn auch in Weichweizen einzukreuzen, dessen Anbau weltweit eine viel größere kommerzielle Bedeutung hat. Zudem könnte das erlangte Verständnis über die Funktionsweise des Gens helfen, ähnliche Mechanismen künftig auch bei anderen Nahrungspflanzen zu nutzen.

    "Jetzt, da wir das entsprechende Gen kennen, können wir entweder nach ähnlichen Genen in anderen Pflanzenarten suchen und deren Aktivität durch konventionelle Züchtung verstärken. Oder wir könnten mit moderner Gentechnik dieses spezifische Gen aus dem Einkorn auch direkt in andere Nahrungspflanzen übertragen."

    Erst einmal haben Züchter damit begonnen, die neu gefundene Salztoleranz auf konventionelle Weise in weitere Weizensorten für den kommerziellen Anbau einzukreuzen. Nicht nur in Australien.

    "Das Genmaterial steht für Züchtungsprogramme weltweit frei zur Verfügung. Interesse gibt es schon aus Bangladesh, Tunesien, Pakistan und Indien. Dort wird der salztolerante Hartweizen jetzt in lokal angepassten Sorten eingekreuzt. Wir erwarten, dass sie in fünf Jahren auf den Markt kommen."

    Matthew Gilliham ist stolz auf diese Entwicklung. Doch er weiß auch, dass die Züchtung stresstoleranter Nahrungspflanzen noch bei Weitem nicht am Ziel ist.

    "Wir haben keine komplett salzresistenten Pflanzen erzeugt. Es gibt noch andere ertragsmindernde Faktoren, die an den Salzgehalt der Böden gekoppelt sind - wie zum Beispiel Trockenheit. Es gibt also viel zu tun."

    Das gefundene Gen für die Salztoleranz weckt Hoffnung. Doch es reicht noch lange nicht aus, um die Weltbevölkerung in Zukunft sicher ernähren zu können.