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Hilfreicher Datenspeicher oder Spion in Kartenform?

Bis Ende des Jahres soll jeder zehnte Bundesbürger eine elektronische Gesundheitskarte haben, bis Ende 2012 wahrscheinlich 70 Prozent der Bevölkerung. Sie soll quasi die Krankengeschichte des Versicherten speichern - doch noch ist diese Funktion nicht freigeschaltet.

Von Philip Banse | 15.11.2011
    Was ist sie denn nun aus Verbrauchersicht, Philip Banse in Berlin: ein segensreicher Datenspeicher oder ein Spion in Kartenform?

    Noch kann die neue Gesundheitskarte nicht viel mehr als die alte. Die neuen Funktionen sollen erst angeschaltet werden, wenn jeder Versicherte eine neue Karte besitzt: Dann sollen für Notfälle wichtige Patientendaten auf der Karte gespeichert werden; Ärzte sollen die Karte nutzen können, um Patientendaten sicherer als heute auszutauschen, sagt Ilona Köster-Steinebach vom Verbraucherzentrale Bundesverband:

    "Wenn sie tatsächlich mal die Funktionen bietet, die mal geplant waren, dann wird die elektronische Gesundheitskarte mehr Vorteile als Nachteile haben."

    Das kann aber noch Jahre dauern. Bis dahin bietet die Karte nicht viel Neues. Auf dem Chip sind nur wenig neue Daten gespeichert, wie etwa das Geschlecht des Versicherten. Auffälligste Neuerung ist das Foto. Viele gesetzlich Versicherte bekommen dieser Tage einen Brief von ihrer Krankenkasse, in dem sie aufgefordert werden, ein Foto einzuschicken. Einige Krankenkassen bieten an, das Foto als Datei über die Webseite der Kasse hoch zu laden, andere verlangen die Zusendung per Post. Bezahlen müssen das Foto die Versicherten. Das Foto sollen Betrug erschweren, verhindern, dass mit gestohlenen Karten Arztleistungen in Anspruch genommen werden, sagt Florian Lanz, Sprecher der gesetzlichen Krankenkassen. Wer kein Foto einreicht, bekommt keine neue elektronische Gesundheitskarte:

    "Richtig, dann gibt es erstmal keine neue Karte. Die neue Karte mit Foto ist eine gesetzliche Vorgabe. Das ist nichts, was die Krankenkassen ausgedacht haben, das steht so im Gesetz. Und jeder Versicherte, der dran ist, muss sich dran halten und mitmachen."

    Von möglichen Sanktionen, wenn kein Foto eingereicht wird, wissen die Verbraucherzentralen nichts. Ausgenommen von der Pflicht, ein Foto einzureichen, sind lediglich Kinder unter 15 und alle, die nicht dabei mitwirken können, ein Foto zu machen, also Senioren und Pflegebedürftige. Für den Rest der gesetzlich Versicherten gilt nach Lesart der Krankenkassen: Kein Foto, keine elektronische Gesundheitskarte. Dies sei umstritten, jemanden nur wegen eines Fotos von der Versicherung auszuschließen sei kaum vorstellbar, sagt Ilona Köster-Steinebach vom Verbraucherzentrale Bundesverband:

    "Ob sich das durchhalten lässt, wenn ein Versicherter irgendwann dauerhaft ein Foto verweigert, das wird irgendwann sicher gerichtlich geklärt werden."

    Fest steht: Kassenpatienten müssen beim Arzt einen gültigen Versicherungsausweis vorlegen, damit ihre Kasse bezahlt. Solange also die alte Versicherungskarte also noch gültig ist, muss der Arzt sie akzeptieren und die Kasse bezahlen, sagt der Verbraucherzentrale Bundesverband. Erst wenn die alte Karte abgelaufen ist und er keine neue vorlegen kann, muss der Kassenpatient Arztrechnungen selber bezahlen. Ob gültige Karten verfallen, wenn alle Versicherten mit der elektronischen Gesundheitskarte versorgt sind, konnte der Kassen-Sprecher nicht sagen. Doch auch mit der neuen Karte könne es in der ersten Zeit Probleme beim Arzt geben, sagt Ilona Köster-Steinebach vom Verbraucherzentrale Bundesverband: Denn noch nicht jeder Arzt habe das neue Lesegerät, das die elektronische Gesundheitskarte auslesen kann:

    "Wir raten dazu, seine alte Karte nicht wegzuwerfen und die dabei zu haben, auch wenn man schon eine neue hat und für eine Weile beide Karten zu haben. Der Arzt darf einen nicht abweisen, aber so lassen sich Probleme vermeiden. Wenn man nur eine neue Karte hat und der Arzt noch kein Lesegerät dafür hat, muss eigentlich der Arzt die Daten manuell erfassen."

    Noch haben Kassen und Verbraucherschützer keine Klagen bekommen. Um zu kontrollieren, welche ihrer Daten zukünftig mal auf der Karte gespeichert werden, müssten Versicherte neue noch nicht aktiv werden, sagt Kassensprecher Lanz:

    "Sie müssen heute nicht aktiv werden, denn sie entscheiden auch später: Was kommt von ihren Daten auf die Karte."

    Wie sicher die Daten dann auf der Karte, bei Ärzten und Krankenhäusern sind, wird sehr von der konkreten technischen Umsetzung abhängen. Basierend auf dem, was derzeit bekannt ist, sagt Verbraucherschützerin Köster-Steinebach:

    "Die Plattform der elektronischen Gesundheitskarte wird sicherer sein, als vieles, was jetzt am Netz ist."

    Eine weitergehende Vorstellung von Datenschutz und Datenkontrolle hat Deutschlandfunk-Hörer Christian Scholz auf der Facebook-Seite des Deutschlandfunks geäußert:

    "Mein Anliegen bei der elektronischen Gesundheitskarte wäre, dass ich meine ganzen Daten zusammen suchen könnte, dass ich Zugriff auf das habe, was jetzt verteilt ist bei Krankenhäusern, Ärzten und so weiter. Ich möchte da als Patient Zugriff drauf haben und die Daten auch exportieren können. Ich möchte, dass meine Daten unter meiner Kontrolle sind, dass ich sie auch weiter verteilen kann."

    Das jedoch ist nicht geplant.