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Hochschulpolitik
Thüringer Studenten kämpfen gegen Kürzungen

Die Landesregierung in Thüringen will weniger Geld für Hochschulen ausgeben. Das Budget für Professoren soll gekürzt werden, bestimmte Studiengänge werden ganz abgeschafft. Die Studierenden wehren sich gegen die Pläne.

Von Bernhard Henry | 11.12.2013
    2.000 Thüringer Studenten stehen auf dem Willy-Brand-Platz vor dem Erfurter Bahnhof und lärmen. 'Bildung braucht Zukunft & Vielfalt' ist das Motto der Demonstration, denn eben diese Zukunft und Vielfalt sehen sie durch die aktuelle Landes-Bildungspolitik bedroht. Nur noch ein Prozent sollen die Hochschulausgaben pro Jahr wachsen – das bedeutet angesichts von Kostensteigerungen reale Kürzungen. 350 Vollzeitstellen sollen die neun Thüringer Hochschulen einsparen – das bedeutet im wissenschaftlichen Bereich ohne Professoren: jede siebte Stelle. An den Universitäten Jena und Erfurt sollen ganze Studiengänge wegfallen, weil die Lehrstuhlinhaber ohnehin in Pension gehen oder weil die Studiengänge doppelt vorhanden sind. So einfach sollte es sich die Politik aber nicht machen, meint Christian Schaft von der Konferenz Thüringer Studierendenschaften.
    "Wir wollen ein bisschen weg von der Debatte um die Doppelstrukturen, weil das im Wesentlichen eins verkennt: Es wird nicht danach geguckt, welche Studiengänge aus fachlichen Gründen zusammengelegt werden können. Es ist ein rein monetärer Gesichtspunkt, unter dem geguckt wird, welche Studiengänge zusammengelegt werden können. Und es gibt beispielsweise drei verschiedene Arten der Kommunikationswissenschaften, wo immer gesagt wird, die könnte man ja zusammenlegen'. Dabei wird aber nicht gesehen, dass Ilmenau zum Beispiel eine angewandte Medienwissenschaft ist, während das in Erfurt eher empirische Kommunikationsforschung ist."
    Der Zug der Studenten soll zum Landtag und zum Finanzministerium führen. Der Kultusminister Christoph Matschie sei heute nicht im Büro, außerdem gehe es schließlich um Geld. Der Kultusminister, der die Struktur- und Entwicklungsplanung, wie die Einschnitte heißen, durchgedrückt hat, zeigt zwar Verständnis für die Studenten, verweist aber auf die sinkenden Landesfinanzen.
    Hochschulen sollen sich eigene Profile geben
    "Wir hatten in den letzten 20 Jahren einen stetigen Wachstumsprozess der Hochschulen. Und wir sind jetzt in einer Phase, wo die Studienanfängerzahlen in etwa konstant bleiben. Und die Hochschulen müssen sich jetzt Gedanken machen, wo sie ihre Schwerpunkte setzen wollen, wie ihr Profil auch aussehen soll. Und dazu gehört immer auch die Kehrseite, nämlich zu sagen, 'wo will ich dann auch weniger machen'. Das ist das erste Mal seit 20 Jahren, dass unsere Hochschulen in einem solchen Prozess stecken, und umso schlimmer ist das natürlich für die Hochschulen.
    Matschies Plan: Wenn die geplanten Einschnitte erst einmal durchgesetzt sind, will er die Hochschulbudgets ab 2016 jährlich um vier Prozent steigen lassen. Dann seien sie auskömmlich finanziert. Hier kommt die Thüringer Regierungskoalition ins Spiel: Matschie ist Sozialdemokrat, das Finanzministerium gehört der CDU. Die Christdemokraten wollen aber trotz lauten Bekenntnissen zum Bildungsstandort Thüringen die Ausgaben nicht weiter erhöhen. Dazu der bildungspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Mario Voigt.
    "Na, ich glaube, auch da findet wieder eine Planung statt, die am Ende nicht aufgehen wird. Wir fordern als CDU schon seit drei Jahren eine Hochschul-Entwicklungsplanung, die vorher den Hochschulen eine klare Zielperspektive aufgibt, also sagt, 'wo geht es eigentlich hin mit der Hochschullandschaft in Thüringen, wo sind Doppelstrukturen, Ineffizienzen abgeschafft werden'. Und da stellen wir fest, dass dieser Prozess wieder nicht richtig gedacht wird. Und deswegen unsere klare Aussage: Hochschul-Entwicklungsplanung machen, dann gemeinschaftlich die Schwerpunkte festlegen und dann überlegen, 'wie viel muss man finanzieren'. Und nicht wieder pauschal Geld reingeben und gar nicht wissen, was man damit finanziert.
    Den protestierenden Studenten auf Erfurts Straßen sind die Geplänkel innerhalb der dahinsiechenden Thüringer Regierungskoalition egal, sie wollen nicht in überfüllten Seminaren sitzen und nicht Wochen auf die Korrektur ihrer Arbeiten warten. Und Torsten Wolf, der Vorsitzende der Thüringer Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft, sorgt sich um die Zukunft des Wissenschaftsstandorts Thüringen. Schon heute seien fast alle wissenschaftlichen Mitarbeiter befristet angestellt und arbeiten deutlich mehr, als sie bezahlt werden. Im Vergleich zu westlichen Bundesländern seien die Thüringer Hochschulen erheblich unterfinanziert.
    "Ich glaube, das macht schon sehr deutlich, wie prekär die Situation heute schon ist. Wenn jetzt noch zusätzlich abgebaut wird, dann ist der Beruf des Wissenschaftlers nicht nur unattraktiv, sondern er ist überhaupt nicht mehr zu vereinbaren mit Lebensplanung, mit Familie, etc. pp."