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Hoffnung auf neuartige Medikamente

Die Zahl der Menschen mit einer Typ-2-Diabetes steigt und steigt. Die Krankheit ist nicht heilbar, besondere Hoffnungen setzen Experten aber auf neuartige Medikamente. Um diese ging es auch beim Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft in Leipzig.

Von Anna-Lena Dohrmann | 07.06.2011
    Mit Trommelwirbel wurde die Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft eröffnet. Und mit viel Elan tauschten sich die Mediziner aus und diskutierten. Ein zentrales Thema: Wie lässt sich Diabetes 2 mit Medikamenten am Besten behandeln. Der große Hoffnungsträger in der Diabetes-Therapie heißt GLP 1. GLP 1 steht für Glucagon-like peptide 1. Exenatid ist ein Wirkstoff, der dem menschlichen Peptid GLP 1 ähnelt. Professor Wolfgang Schmidt ist Direktor des Pankreaszentrums des St. Josef-Hospitals in Bochum.

    "Es stimuliert die Freisetzung von Insulin aus den β-Zellen, dann wirkt GLP 1 allgemein, zum Beispiel noch am Magen, im Sinne einer Hemmung der Magenentleerung. Und dann noch: direkte Wirkung auf das Appetitszentrum im Gehirn, Appetitshemmung, und damit Erleichterung der Gewichtsabnahme bei Patienten."

    Genau das macht es so besonders: Abnehmen ist ein zentrales Ziel der Diabetes-Therapie. Doch viele bisherige Medikamente machen dick.

    Außerdem setzt Exenatid nur dann Insulin frei, wenn der Blutzucker wirklich erhöht wird. So kommt es nicht mehr, wie bei anderen Medikamenten, zu einer gefährlichen Unterzuckerung.

    Diese kleinen Peptide lösen scheinbar alle Probleme auf einen Schlag. Aber jetzt häufen sich Veröffentlichungen, dass Exenatide eventuell eine Bauchspeicheldrüsenentzündung, eine sogenannte Pankreatitis, oder sogar einen Bauchspeicheldrüsenkrebs auslösen können. Doch Wolfgang Schmidt warnt vor voreiligen Schlüssen:

    "Es gab in den USA Patienten, die unter Exenatide-Therapie eine Pankreatitis entwickelt haben. Und das war der Ausgangspunkt, dass die FDA, die amerikanische Gesundheitskontrollbehörde, gesagt hat, man soll wachsam sein und es gibt einen sogenannten Warnhinweis, dass möglicherweise ein Zusammenhang bestehen könnte."

    Und genau dieser Warnhinweis hätte Ärzte veranlasst, aufmerksamer zu sein und solche Fälle sofort zu melden. So treten in der deutschen Datenbank für unerwünschte Arzneimittelwirkungen ähnliche Verdachtsfälle auf. Doch auch hier gilt: Ob wirklich Exenatid eine Pankreatitis oder ein Pankreaskarzinom ausgelöst hat, bleibt unklar. Deshalb ändert die Arzneimittelkommission auch nicht ihre Therapieempfehlungen.

    "Die Frage, ob das kausal verknüpft ist, ist sehr schwierig. Denn: Patienten mit einem Typ 2 Diabetes haben sowieso schon ein dreifach erhöhtes Risiko eine Pankreatitis zu kriegen – aus verschiedensten Gründen, teilweise auch noch nicht mal ganz bekannt."

    Daher gilt für dieses Medikament, was für alle neuen Medikamente gilt: Sie müssen sich in Langzeitstudien bewähren. Solange ist immer Vorsicht angesagt oder, wie es auf der Tagung heißt: vorsichtiger Optimismus.

    "Wir können also zum jetzigen Zeitpunkt sagen: Wir haben keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass Exenatide-Therapie das Pankreatitisrisiko erhöht. Wir können aber auch nicht ausschließen, dass das bei einem ganz kleinen Teil der Patienten eine Rolle spielen könnte."

    Doch auf der Jahrestagung sind sich die Diabetologen einig: Sie haben sehr viele gute Erfahrungen mit dem Medikament gemacht. Professor Rüdiger Göke leitet eine diabetologische Schwerpunktpraxis in Kirchhain. Er erinnert sich an viele Patienten, die plötzlich wieder hoffen konnten:

    "Viele von denen, 30, 40 Prozent, sind richtig depressiv, ja? Und unmotiviert, und lebensunlustig. Und diese Patienten ändern sich komplett, ja? Die sagen halt: Ich erlebe das, dass ich wieder ein Sättigungsgefühl habe, dass ich weniger esse. Ich kann das gar nicht fassen, dass das möglich ist. Das ist eine ganz neue Lebensqualität, die diese Patienten erfahren. Und da fühlt man sich in dem bestätigt, was man tut, und das ist eine Arzt-Patienten-Beziehung, die Spaß macht!""