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Hoffnungsträger mit schwieriger Mission

Mindestens zwei Dinge hat er mit Angela Merkel gemein: Er ist Physiker und stand lange Zeit im Schatten eines mächtigen Förderers. Petr Necas gilt als Ziehkind von Staatspräsident Vaclav Klaus. Jetzt ist er der neue Hoffnungsträger der tschechischen Konservativen.

Von Christina Janssen | 02.06.2010
    Wenn man die Tschechen fragt, was ihnen zu Petr Necas einfällt, müssen die meisten erst einmal nachdenken. Unauffällig, ein wenig blass, nicht gerade charismatisch. Das bekommt man meistens zu hören. Der 45-jährige gilt in Tschechien als einer der wenigen Politiker mit sauberer Weste – keine Affären, keine dubiosen Verstrickungen, keine unflätigen Auftritte: Das macht ihn zum Hoffnungsträger der tschechischen Konservativen. Nach dem Wahldebakel verspricht er, in der Partei hart durchzugreifen:

    "Wir Bürgerdemokraten nehmen das Ergebnis dieser Wahlen mit Demut an. Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass wir von den Wählern eine Warnung erhalten haben. Wir wissen, dass wir vieles ändern müssen, um das Vertrauen der Bürger wieder zu erlangen."

    Petr Necas war in seiner Partei die ewige Nummer Zwei: Seit elf Jahren ist er stellvertretender Vorsitzender. Der promovierte Physiker gilt als "Aktenfresser" – immens fleißig, an der Sache orientiert, etwas spröde. Das großspurige und ungehobelte Auftreten manch eines Parteikollegen ist ihm fremd. Er spricht gerne über Zahlen und Fakten. Und zum Beispiel darüber, wie er die stark gestiegene Staatsverschuldung in den Griff bekommen will.

    "Unsere Bürger haben paradoxerweise eine ganze Reihe von Rechten, die gesetzlich festgelegt sind. Das Recht auf Schuldenfreiheit gehört nicht dazu. Wir wollen deshalb eine Finanz-Verfassung. Sie soll die Möglichkeit, einen Haushalt mit Defizit zu verabschieden, einschränken."

    In diesem Punkt herrscht unter den drei potenziellen Prager Koalitionspartnern weitgehend Einigkeit. Dennoch gestalten sich die Gespräche über die geplante Mitte-Rechts-Koalition schwieriger als erwartet. Der kleinste der drei Partner, die Partei "Öffentliche Angelegenheiten" könnte die Verhandlungen platzen zu lassen, damit droht zumindest Parteigründer und Hauptsponsor Vit Barta:

    "Wir haben einige grundlegende Bedenken, was die Pläne zur Korruptionsbekämpfung betrifft. Deshalb werden wir uns vielleicht nicht direkt an der Regierung beteiligen, sondern lediglich eine Minderheitsregierung unterstützen."

    Ob das mehr ist als der Versuch, aus den Verhandlungen möglichst viel Kapital zu schlagen, können selbst langjährige Beobachter nicht einschätzen. Die Partei "Öffentliche Angelegenheiten" gilt als nebulös und unberechenbar. Ihr Vorsitzender Radek John, ein früherer Fernsehreporter, trat im Wahlkampf als Rächer der Entrechteten auf – mit einem starken Thema, dem Kampf gegen die Korruption.

    "Diese Partei ist im Grunde genommen keine Partei, sondern eine politische Bewegung, die durch gutes Marketing zu Stande gekommen ist, sagt der Prager Politologe Jiri Pehe. Aufgrund der finanziellen Verhältnisse kann man sagen, dass es eine Art Firma ist, die auf dem Gebiet der Politik Geschäfte macht. Wer die Eigentümer sind, ist nur bedingt bekannt. Wie eine Aktiengesellschaft mit anonymen Aktionären. Es handelt sich also um eine seltsame politische Vereinigung, deren tatsächliche Ziele nicht ganz klar sind."

    Was aber nichts an der Tatsache ändert, dass eine stabile Koalition ohne diese Partei nicht zustande kommen kann. Und mit ihr wird es erst recht bei vielen Fragezeichen bleiben.

    "Diese Partei ist äußerst unberechenbar, deshalb bräuchte es eine stärkere politische Persönlichkeit an der Spitze der Regierung als es Petr Necas ist. Dennoch glaube ich, dass es gelingen wird, die Koalition zu bilden, sie wird sicher auch eine Weile halten und einige Reformen durchsetzen. Ich glaube aber nicht, dass sie in der Lage sein wird, vier Jahre zu überstehen, und das wird eben auch daran liegen, dass der Premier so uncharismatisch ist wie Petr Necas."

    Doch der Premier in spe reagiert auf die unerwarteten Turbulenzen erst einmal gewohnt gelassen:

    "Unser Gegenüber ist undurchsichtig, aber so ist die politische Realität, sagt der Physiker mit einer Schwäche für Literatur und Schokolade. Als er vor rund zehn Jahren zum ersten Mal Minister werden sollte, zog er es vor, mit seiner Frau und vier Kindern in der mährischen Provinz zu bleiben. Politik bedeutet ihm offenkundig viel, aber nicht alles."