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Hohe Abbrecherquote ist "Verschwendung von Ressourcen"

Die SPD-Bildungsexpertin Ulla Burchardt macht für die hohen Studienabbrecherzahlen die mangelhafte Betreuungssituation und Lernstress verantwortlich. Ihre Partei fordert daher jetzt einen Hochschulpakt Plus zur Verbesserung der Studienbedingungen.

Ulla Burchardt im Gespräch mit Manfred Götzke | 02.05.2011
    Manfred Götzke: Was läuft falsch bei den Bachelor- und Masterstudiengängen? Einiges, sagen Studierende ja schon seit Jahren, und die Politik hört nach den großen Bildungsstreiks immerhin zu. Am Freitag zum Beispiel, da lädt Forschungsministerin Schavan zur großen Bolognakonferenz, um über die Probleme der ja gar nicht mehr ganz so neuen Studiengänge zu plaudern. Ein bisschen Gesprächsstoff für die Konferenz hat jetzt die SPD geliefert. SPD-Bildungsexperten fordern jetzt nämlich einen Hochschulpakt Plus zur Verbesserung der Studienbedingungen. Ulla Burchardt ist SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Bildungsausschusses. Frau Burchardt, Hochschulpakt Plus: Worin soll das Plus beim Hochschulpakt denn stecken?

    Ulla Burchardt: Der Hochschulpakt eins und zwei, also die bisherigen Pakte, konzentrieren sich ja darauf neue Studienplätze zu schaffen für Studienanfänger. Und wir haben ein im Bolognaprozess nach wie vor ungelöstes Problem, das Problem der Studienabbrecherzahlen. Die Hoffnung mit Bologna war ja, die Zahl der Studienabbrecher zu senken durch ein komprimierteres Studium. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt, sondern wir haben nach wie vor einen Anteil von knapp 30 Prozent Studienabbrechern. Und das ist nicht länger hinnehmbar, das ist eine Verschwendung von Ressourcen, sowohl was die persönlichen Lebenswege der jungen Menschen betrifft, eben auch des Geldes, was investiert wird in Studienplätze, das muss man einfach mal ganz nüchtern sehen. Und insofern ist es jetzt dringend nötig, nicht nur sich darauf zu konzentrieren neue Plätze zu schaffen, sondern auch alles zu tun, um die Hochschulen dabei zu unterstützen und ihnen Anreize zu geben, die Zahl der Studienabbrecher zu senken.

    Götzke: Da sollen sie einen finanziellen Bonus bekommen, aber wie soll das genau gehen? Studienabbruch ist ja meistens eine sehr persönliche Angelegenheit, und nicht unbedingt Schuld der Uni?

    Burchardt: Ja das hat ja mit vielen Dingen zu tun. Also zum einen hängt es zusammen mit der Betreuungssituation, wenn Studierende keine genügenden und zuverlässigen Informationen im Laufe ihres Studiums bekommen oder bereits zu Beginn eines Studiums. Also wie bereiten Hochschulen ihre Studierenden darauf vor, was sie in den einzelnen Fachbereichen erwarten können. Das ist immer noch sehr unterschiedlich und zum Teil sehr problematisch. Und das Zweite ist die Betreuungssituation, also wie sieht es denn aus mit dem Anteil der Lehrenden zu Studierenden.

    Götzke: Der Hochschulpakt war ja nicht mal eben so auszuhandeln, das waren ja monatelange Verhandlungen zwischen Bund und Ländern. Glauben Sie, man kann das mal eben so ändern und mal eben so einen Hochschulpakt Plus schaffen?

    Burchardt: Ich kann mich nicht erinnern, dass die Länder, die ansonsten sehr immer auf ihre Eigenständigkeit und ihre Alleinzuständigkeit pochen, dass die so dringend das Geld des Bundes abgewehrt haben in diesem Bereich. Ich glaube, beim Qualitätspakt Plus müsste es auch im Interesse der Länder sein, mit dafür zu sorgen, dass die Studienabbrecherquoten gesenkt werden. Denn das ist eine Bürde, die vor allen Dingen ja auch die Länder tragen. Es wird viel Steuergeld investiert, um neue Studienplätze zu schaffen, das ist richtig, das ist notwendig. Wir haben aber eine Outputrate, die ist eindeutig zu niedrig. Und da muss man sagen, Leute, wenn das nicht verbessert werden muss, also dann hätten die Länder, wenn sie sich dagegen wehren würden, aber einen ordentlichen Begründungszwang.

    Götzke: Andere EU-Länder schneiden besser ab bei der Studienabbrecherquote, also Deutschland ist da in gewisser Weise Underperformer. Was machen die anderen besser?

    Burchardt: Zum einen sind die Betreuungsverhältnisse deutlich besser, und zum Zweiten ist das, was man die soziale Dimension von Bologna bezeichnet, und das heißt beispielsweise, alle Unterstützungs- und Beratungsleistungen für Studierende deutlich zu verbessern. Das hängt zusammen mit der Wohnraumsituation. Wir brauchen dringend mehr Wohnheimplätze, und in den Hochschulstandorten gibt es wirklich eine Wohnraumknappheit für Studierende. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, um jungen Menschen zu helfen, dass sie während ihres Studiums also preiswert und akzeptabel wohnen können und vernünftige Arbeitsbedingungen haben. Und zweiter Bereich der sozialen Dimension betrifft den Bereich der psychosozialen Beratung, den das Studentenwerk auch anbietet, und auch dort ist mehr an Unterstützungs- und Beratungsleistung notwendig. Wir haben ja, im Zuge der Bolognareformen ist ja der psychische Druck, ist ja der Stress für Studierende immer weiter angestiegen und wir haben immer mehr Krankheiten in diesem Bereich. Und wenn es mehr Beratung und mehr Betreuung gibt auch durch die Studentenwerke, wäre dieses ein ganz wichtiger Punkt, um Studierenden auch zu helfen, durch ein anstrengendes Studium auch gesund und erfolgreich zu kommen.

    Götzke: Forschungsministerin Schavan lädt Ende der Woche zum Bolognagipfel, um über die Probleme von Bachelor und Master zu reden. Was erwarten Sie sich von der Konferenz?

    Burchardt: Ich bin mal sehr gespannt, was dabei rauskommt. Also ich lese, dass wir einen Bericht zu erwarten haben, wie die Arbeitgeber jetzt die Bachelorabsolventen aufnehmen. Da bin ich sehr gespannt, denn bislang waren die Zahlen etwas diffus. Und was von der HRK, von der KMK und von dem Bundesbildungsministerium vorgetragen wird, wie denn die Reform der Reform in der Zwischenbilanz aussieht, das dürfte sehr unterschiedlich ausfallen. Ich glaube nicht, dass man das im Rahmen einer solchen Konferenz durch 15-minütige Kurzreferate wirklich darstellen kann.

    Götzke: Na ja vielleicht dauern die Referate ja auch ein bisschen länger – mehr wissen wir spätestens am Freitag. Die SPD-Bildungsexpertin Ulla Burchardt war das, sie fordert mehr Maßnahmen der Hochschulen gegen das Problem Studienabbruch. Vielen Dank!