Donnerstag, 28. März 2024

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Humboldt-Forum
Attraktivität anderer Museen im Umfeld wird steigen

Museumsinsel, Stadtschloss, Humboldt-Forum: Geraten kleinere Museen durch die Bündelung von Sammlungen an zentraler Stelle ins Hintertreffen? Im Gegenteil, meint Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Berliner Museen, im DLF. Die Attraktivität werde sogar steigen.

Michael Eissenhauer im Gespräch mit Stefan Koldehoff | 21.08.2015
    Die Kuppel des Rohbaus des Berliner Schlosses, das den Namen Humboldt-Forum trägt, in Berlin. Es ist Nacht, im Vordergrund ein Baukran.
    Der Generaldirektor der Berliner Museen sieht in der Zentrierung der Berliner Sammlungen ein erheblicher kreatives Potenzial. (dpa / picture alliance / Alex Heinl)
    Stefan Koldehoff: Seit einigen Wochen schon sprechen wir in dieser Sendung in loser Folge mit Menschen, die etwas darüber wissen über den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses und über das geplante Humboldt-Forum, das darin seinen Platz finden soll, über seine Geschichte, seine Architektur, über die Bedeutung fürs Berliner Stadtgefüge wie fürs Berliner Selbstverständnis.
    Heute soll es um die Frage gehen, wie sich durch das neue Großmuseum im Schloss an ganz zentraler Stelle eigentlich die Berliner Museumslandschaft insgesamt verändern wird. Michael Eissenhauer ist Generaldirektor der Berliner Museen, also für alle Häuser gleichermaßen zuständig, und mit ihm habe ich darüber gesprochen, dass sich durch Schloss und Humboldt-Forum und den Umzug der außereuropäischen Sammlungen aus Dahlem im Westen der museale Schwerpunkt der Hauptstadt ja zunächst mal deutlich nach Osten verschieben wird.
    Michael Eissenhauer: Das wird es mit Sicherheit tun. Das ist aber auch gewollt. Wir befinden uns ja auch mit dem Humboldt-Forum, Wiederaufbau des Schlosses und der Entscheidung, im wiederaufgebauten Schloss die Museen der Staatlichen Museen zu Berlin mit den außereuropäischen Sammlungen unterzubringen, nach wie vor in der Phase der Nachkriegsarrondierung. Man muss ja sehen, dass die Museumsentwicklung, wie sie nach dem Zeiten Weltkrieg in den Westsektoren und dann in der Bundesrepublik Deutschland eingesetzt hat, frei von Teilung war, während die Berliner Museen sich auf zwei verschiedenen Pfaden nach _45 entwickelt haben mit der Rückgabe aus der Sowjetunion an die DDR 1956 und dann bis zum Mauerfall _89 zwei völlig getrennte Wege.
    Erst der Fall der Mauer hat ja ermöglicht, über die Gesamtkonstellation der Berliner Museumsstruktur nachzudenken und die Richtungsentscheidungen zu treffen, die in den westdeutschen Metropolen schon sehr viel früher getroffen werden konnten: Wie wollen wir unsere Museen haben, wie wollen wir sie gliedern, wie wollen wir sie strukturieren. Und die Entscheidung, die außereuropäischen Sammlungen ins Humboldt-Forum zu bringen und damit in die Nähe der Museumsinsel und in einen direkten Dialog mit den alten Kulturen der Welt, ist gewollt und wird mit Sicherheit das Gravitationszentrum deutlich stärker auf die Museumsinsel verlagern.
    "Es fehlte immer eine systematische Erarbeitung und Sichtung dessen, was noch da ist"
    Koldehoff: bleiben wir noch mal einen kleinen Augenblick bei der Zeit vor _89, die Sie gerade angesprochen haben. Nach einer Hoffnung wage ich gar nicht zu fragen, aber hatten Sie zum Beispiel denn das Gefühl, dass das noch zusammengehörige Sammlungen sind, Berlin-Ost und Berlin-West, oder hatte man sich da eigentlich, wie wahrscheinlich überall in der Bundesrepublik, mit einer Teilung mehr oder weniger abgefunden?
    Eissenhauer: Ja. Aus dem museumshistorischen Bewusstsein heraus und der Kenntnis der damals agierenden Kollegen haben wir das immer als geteilte und zerrissene Sammlungen empfunden, und insofern ja, diese Zusammengehörigkeit konnte man nach wie vor bis _89 sehr, sehr stark nachvollziehen, nachempfinden, nachwirken. Aber es gab natürlich auch unterschiedliche Entwicklungen, nicht weniger stark vielleicht in dem Bereich der alten Sammlungen, aber deutlich natürlich im Bereich der Nationalgalerie oder auch der Sammlung der grafischen Künste etc.
    Aber die Bereiche, über die wir sprechen, da hatten ja auch die Kollegen sehr starken informellen Kontakt miteinander, West und Ost. Man kannte sich, man traf sich, man reiste absichtsvoll zu internationalen Kongressen, um sich dort zu treffen, weil ein direkter Besuch natürlich nicht möglich war und auch nicht erlaubt war, und man hat auch zum Teil Informationen ausgetauscht über Inventarbücher etc.
    Was aber immer fehlte, war eine systematische Erarbeitung und Sichtung dessen, was noch da ist, und dann natürlich die gemeinsame Überlegung, was machen wir denn in dem Augenblick, wo die Sammlungen wieder zusammengeführt werden können.
    "Gesamtheitliche Sicht der Berliner Sammlungen ist verloren gegangen"
    Koldehoff: Sie sind von Anfang an einer, der ganz vehement gesagt hat, die außereuropäischen Sammlungen gehören zwingend ins Schloss. Warum war Ihnen das so früh klar?
    Eissenhauer: Das Schloss hat ja, sagen wir mal, doch sehr unterschiedliche Ansprüche und Erwartungen zu erfüllen. Wir wissen alle, brauchen das jetzt nicht unbedingt zu vertiefen, dass es Erwartungen, Wünsche, Hoffnungen ganz unterschiedlicher gesellschaftlicher Strömungen gab, die mit dem Wiederaufbau des Schlosses verbunden sind. Was aber unterm Strich ganz objektiv nach wie vor im Raum steht und auch nach wie vor zu erfüllen ist, ist die Wiedergewinnung eines urbanistischen Zentrums im Sinne einer Stadtarchitektur, also eines urbanistischen Grundgedankens der Stadtanlage, die Wiederherstellung des barocken Stadtschlosses einfach als Kubatur, dann aber auch die Wiedergewinnung eines Stadtgefüges, auf den sich das urbanistische Umfeld sehr stark bezieht.
    Dann spielte immer eine Rolle (im Hinblick natürlich auf den Abriss des Palastes der Republik und der Wiederaufbau-Entscheidung) die Frage, wie stark ist der Wiederaufbau ein Symbol der wiedergewonnenen Einheit Deutschlands und dann natürlich die Nutzung. Und für uns stand immer die Nutzung im Vordergrund. Die anderen Aspekte bewege ich als Bürger gewissermaßen in meinem Kopf. Die sind aber nicht Bestandteil meiner, wenn Sie so wollen, professionellen Überlegung, allenfalls als Kunsthistoriker im Hinblick auf Stadtarchitektur. Aber die spannende Frage oder der spannende Aspekt, den Sie ansprechen und weshalb ich auch immer dafür war, liegt in der Zusammenführung und der Ermöglichung des Dialogs der Sammlungen untereinander. Das Bewusstsein, dass die großartigen Berliner Sammlungen nicht reiner Zufall sind, sondern auch aus einer Kultur des Wissens und einer Kultur der Neugierde und des Sammelns heraus als Wissensspeicher entwickelt worden sind, war immer ein gesamtheitlicher Blick auf die Sammlungen.
    Dieser gesamtheitliche Blick ist, glaube ich, gerade durch die Teilung sehr stark im Bewusstsein der Wahrnehmung der Staatlichen Museen verloren gegangen und die Chance, die ich mit dem Umzug der Sammlung auf die Museumsinsel sehe, ist, auch dieses nicht nur physische Zusammenwachsen, sondern auch das intellektuelle Zusammenwachsen der Sammlungen in einer Gesamtsicht darauf, dass die nicht in der Vereinzelung der Sicht auf Spezialfragen entstanden sind, sondern dass das Programm, unter dem die Staatlichen Museen sich entwickelt haben, gewissermaßen als Erinnerungs- und Denkschrift in die Fassade des alten Museums von Schinkel eingelassen ist.
    Und da heißt es ganz klar: Die Museen haben dem Studium der Altertümer jeder Art zu dienen und der freien Künste. Dieses Programm ist ein zutiefst aufklärerisches, ein zutiefst menschliches Programm. Es ist auch ein Auftrag, es ist eine Erwartung an die Besucher, sich mit mehr als dem Einzelblick auseinanderzusetzen, nämlich mit der Frage, wie hängt alles miteinander zusammen.
    Koldehoff: Gibt es denn da Ihrer Meinung nach noch irgendeine Chance, vielleicht doch auch noch die alten Meister, die jetzt am Potsdamer Platz bleiben, mit einzubeziehen, sei es auf den Kasernenhöfen hinter dem Bode-Museum, sei es an einer anderen Stelle? Denn in dieses Konzept, das Sie gerade beschrieben haben, gehören die als Vertreter der freien Künste ja eigentlich mit dazu.
    Eissenhauer: Ganz unbedingt, und Sie wissen ja, dass ich im Laufe des nächsten Jahres die Direktion der Gemäldegalerie und der Skulpturensammlung übernehmen werde, gewissermaßen als zweites Bein neben der Generaldirektion. Da spielt in der Überlegung mit, dies machen zu wollen und es wirklich auch als eigenen Antrieb zu empfinden, dies mit hoher Begeisterung, hoher Motivation machen zu wollen. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Altmeister-Gemälde auch vor dem Hintergrund der Sammlungsgeschichte und der Sammlungsentwicklung ganz in die Nähe der Skulpturen gehören.
    Noch niemals in der Geschichte dieser beiden Sammlungen sind sie so weit voneinander getrennt gewesen. Mir war nie im Zentrum stehend die Frage, ob sie alle gemeinsam in einem Raum oder dialogisch oder so ausgestellt sind, sondern ich habe immer gesagt, sie müssen in der Erkenntnis, die wir ermöglichen, zumindest unter einem Dach oder ganz unmittelbar nahe beieinander sein.
    Ich bin zunächst einmal zutiefst davon überzeugt, dass ich, wenn ich eine durchschnittliche Lebenserwartung noch erfülle, dass ich das während meiner Lebenszeit erlebe, dass die Entscheidung kommt.
    "Die Attraktivität steigt erheblich"
    Koldehoff: Und auch der Anstoß ist ja schon ein wichtiger Akt.
    Herr Eissenhauer, Sie sind als Generaldirektor für die Berliner Museen zuständig. Fürchten Sie, dass durch diese Verschiebung, über die wir am Anfang unseres Gespräches geredet haben, dass dadurch eventuell andere Museen ins Hintertreffen geraten können, dass jetzt alles ins Schloss und ins Humboldt-Forum strömen wird und die Besucherzahlen an anderer Stelle zurückgehen könnten? Oder gibt es Synergieeffekte und das eine zieht das andere mit? Was glauben Sie?
    Eissenhauer: Es ist sicherlich realistisch zu glauben, dass es erst mal so sein wird. Das ist schon allein der Reiz des Neuen. Ich würde, glaube ich, meine Aufgabe als Generaldirektor auch nicht treffen, wenn ich nicht zutiefst davon überzeugt wäre, dass die Ergänzung der Sammlung und der Museen untereinander eine Steigerung der Gesamtattraktivität auslösen, statt davon überzeugt zu sein, dass die vorhandene Besucherzahl sich dann irgendwie wegdiffundiert und dann nur noch ins Schloss geht.
    Ich glaube, dass es ganz im Gegenteil so sein wird: Die Attraktivität steigt erheblich und die Neugierde auf das, was das Humboldt-Forum als Anregung in sich trägt, nun auch auf die Museumsinsel, auf die alten Sammlungen zu übertragen, das wird als kreatives Potenzial in die Zukunft so wirken, dass der Anfangsverlust, den wir wahrscheinlich in der Aufmerksamkeit in den anderen Sammlungen haben werden, sich ganz schnell auch wieder ausgleichen wird, und das gehört ja bei dieser Betrachtung und Überlegung, die wir gerade anstellen, dazu, dass die dann weniger werdenden Bautätigkeiten und Bauarbeiten auch die Besucherfreundlichkeit wieder so steigern, dass dann doch mehr Besucher insgesamt auf die Museumsinsel kommen können, als es im Augenblick der Fall ist.
    Koldehoff: Michael Eissenhauer war das, der Generaldirektor der Berliner Museen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.