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"Ich halte die Methoden für transparent"

Forschungspolitik. - Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen ist sozusagen der Tüv für neue Medikamente. Heute entscheidet sich, ob Peter Sawicki, der Leiter des IQWIG, so die Kurzform, weiter im Amt bleiben darf. Klaus Lieb, Professor am Uniklinikum Mainz, kennt die Arbeit des Instituts und berichtet darüber im Interview mit Monika Seynsche.

20.01.2010
    Monika Seynsche: Der Mediziner Peter Sawicki leitet das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, kurz IQWIG genannt. Und dieses Institut überprüft die Vor- und Nachteile medizinischer Maßnahmen für den Patienten. Erweist sich dabei ein Medikament als nutzlos, wird es von den Krankenkassen nicht mehr erstattet und die herstellende Pharmafirma fährt Verlust ein. Dadurch hat sich das IQWIG nicht viele Freunde in der Pharmaindustrie gemacht. In letzter Zeit nun häufen sich Vorwürfe gegen Peter Sawicki selbst. Dabei geht es um dienstlich Angeordnetes: Rasenmäherbenzin, über zu große Dienstwagen und andere Ungereimtheiten. Einige Stimmen sprechen von einer gezielten Rufmordkampagne, andere von Beweisen für einen unhaltbar gewordenen Institutsleiter. Heute nun entscheidet der Vorstand des IQWIG darüber, ob Sawickis Vertrag verlängert wird oder nicht. Professor Klaus Lieb leitet die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz und forscht auf dem Gebiet der evidenzbasierten Medizin. Er kennt die Arbeit des IQWIG sehr genau, und ich habe ihn vor der Sendung gefragt, was das Institut seit seiner Gründung 2004 geleistet hat.

    Klaus Lieb: Das IQWIG ist ein sehr wichtiges Institut, das uns eben ermöglicht wirklich zu schauen: Welche Therapien sind wirksam und auch kosteneffektiv? Und da hat das IQWIG schon einige Entscheidungen getroffen, die auch einigen Wirbel, so wie Sie es schon gesagt haben, hervorgerufen haben. Aber diese Entscheidungen waren zwar unbequem, aber doch sehr wichtige Entscheidungen, die dann dem gemeinsamen Bundesausschuss ermöglicht haben, zu entscheiden: Welche Therapien werden erstattet und welche nicht?

    Seynsche: Wie arbeitet das IQWIG denn, also auf welche Ergebnisse beziehungsweise auf welche Daten stützt es sich?

    Lieb: Das IQWIG stützt sich auf eine sehr genaue Analyse von Therapiestudien, wobei da insbesondere hochwertige ... kontrollierte Therapiestudien analysiert werden und das Besondere ist, dass das IQWIG sich eben nicht nur auf publizierten Studien stützt, sondern auch die unpublizierten Studien heranzieht, so dass mit dieser Methode auch sehr genau gesagt werden kann: Welche Therapien sind wirklich wirksam und welche nicht?

    Seynsche: Jetzt kam gerade aus der FDP in letzter Zeit der Vorwurf, die Arbeit des IQWIG sei nicht transparent. Können Sie dazu was sagen?

    Lieb: Also ich habe an einigen Prozessen mitgearbeitet und die Methodiken, die dort verwendet werden, sind natürlich transparent und die sind auch nachlesbar. Man kann sich natürlich streiten. International wird natürlich gerungen um die richtige Methodik, solche Studien zu analysieren. Aber das IQWIG hat eine klare und transparente Methodik. Die kann man einsehen. Und die ist auch, meiner Meinung nach, klar geeignet, um wirklich eine Effektivität von einer Therapie nachzuweisen.

    Seynsche: Wie sehr hängt denn die Arbeit und auch die Qualität des IQWIG an der Person von Peter Sawicki?

    Lieb: Also ich denk, dass ein ganz entscheidendes Kriterium für den Leiter eines solchen Instituts ist, dass er ganz klar eine Unabhängigkeit von anderen Interessen hat und nicht nur also von der Pharmaindustrie, sondern vielleicht zum Beispiel auch von Kasseninteressen oder Patientengruppierungen oder Medizinproduktenherstellern oder sonst irgendwas. Aber entscheidend ist natürlich, dass eine solche Person nicht beeinflusst wird, zum Beispiel von der Industrie und dann solche Entscheidungen irgendwie manipuliert werden können. Und dafür steht Herr Sawicki. Er ist klar methodenorientiert, er geht sehr kritisch an Studien heran und hat diese Unabhängigkeit von Interessen Dritter und hat wichtige und unliebsame Entscheidungen getroffen. Das hat er gezeigt, dass er das kann und ich denke, es ist wichtig, dass so eine Person dann auch so ein Institut leitet.

    Seynsche: Wie könnte denn, wenn Herr Sawicki jetzt abgelöst wird, beziehungsweise der Vertrag nicht verlängert wird, wie könnte eine Einflussnahme aussehen, also wie kann wirklich die Pharmaindustrie oder wer auch immer Einfluss auf die Arbeit des IQWIG nehmen?

    Lieb: Wenn eine Person so ein Institut leitet, die Interessenkonflikte hat, indem sie zum Beispiel enge Verbindungen zur Industrie hat, kann natürlich die Unabhängigkeit gestört werden und das kann natürlich sehr subtil ablaufen. Aber das ebenso die strengen Kriterien, die jetzt existieren, dann vielleicht etwas aufgelockert werden und dann eben Therapien dann doch für wirksam erklärt werden, die eigentlich auf der Studienlage das nicht so hergeben.

    Seynsche: Aber Sie sagten ja gerade, das IQWIG arbeitet sehr transparent, man kann die Methode einsehen. Müsste solch eine Einflussnahme dann nicht auch erkenntlich werden?

    Lieb: Ja, also ich denke, es ist natürlich so, dass da jetzt der Chef da auch nicht alles beeinflussen kann, aber so ein Institut wird natürlich auch durch einen Chef, durch den Kopf geprägt. Das zum Einen. Zum Zweiten ist es auch als Signal nach draußen sehr wichtig, dass eine Unabhängigkeit besteht, damit einfach klar ist, dass hier auch vom Kopf her, solide und unabhängige Prozesse ablaufen.

    Seynsche: Ein weiterer Vorwurf der Pharmafirmen ist, dass die Expertise des Instituts methodisch oft nicht ausreichend fundiert sei. Wie ist es Ihrer Ansicht nach einzuschätzen?

    Lieb: Ja das hatte ich vorher schon gesagt, dass natürlich über die Methoden auch international diskutiert wird. Ich halte die Methoden für transparent. Ich halte die Methoden, die vom IQWIG angewandt werden, auch geeignet, um die Entscheidung zu treffen. Natürlich kann die Pharmaindustrie manche Dinge anders sehen, aber so ist es nun mal im Leben, dass bestimmte Kriterien natürlich nicht allen passen.

    Seynsche: Gehen wir mal davon aus, dass Herr Sawickis Vertrag nicht verlängert wird. Wie, denken Sie, könnte gewährleistet werden, dass das IQWIG weiterhin unabhängig geführt wird?

    Lieb: Ich denke, dann wäre es notwendig, dass eine Person bestimmt wird, die ihre Interessenkonflikte komplett offenlegt. Also zum Beispiel die der letzten fünf Jahre. Und wenn dann klar und offensichtlich ist, dass hier keine Interessenkonflikte bestehen, also Verbindungen zur Industrie und so weiter, dann denke ich, könnte so eine Person dann auch diese nötige Unabhängigkeit aufweisen.

    Seynsche: Professor Klaus Lieb war das von dem Uniklinikum Mainz.

    Die Entscheidung über die Zukunft von Peter Sawicki als IQWIG-Chef wurde nach dem Ende der Sendung vertagt. Ein neuer Termin für die Vorstandssitzung des Instituts wurde nicht genannt.