Freitag, 19. April 2024

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Impfdebatte um Joshua Kimmich
Als Mensch ein Vorbild

Bayern-Spieler Joshua Kimmich hat sich aufgrund von Bedenken über Langzeitfolgen noch nicht impfen lassen. Kritiker sagen, Kimmich müsse als Profi-Sportler mit gutem Beispiel voran gehen. Doch auch Vorbilder wie Kimmich hätten ein Recht auf Privatsphäre, kommentiert Thomas Wheeler.

Ein Kommentar von Thomas Wheeler | 30.10.2021
Der Fußballer Joshua Kimmich (FC Bayern) in einem weißen Trikot, hat den Mund halb geöffnet und schaut mit gerunzelter Stirn in die Ferne
Joshua Kimmich, FC Bayern (picture alliance / Thorsten Wagner)
Er soll seine Bedenken aufgeben und als Vorbild vorangehen, hat Bundesinnenminister Horst Seehofer Joshua Kimmich empfohlen. Schließlich sei er doch ein Vorzeige-Profi beim FC Bayern und in der Nationalmannschaft. Ich bin immer noch verblüfft, dass viele Mitbürgerinnen und Mitbürger daraus ableiten, Joshua Kimmich müsse mit gutem Beispiel vorangehen und sich impfen lassen. Ein Solidaropfer für die Gemeinschaft, weil er prominent ist? Für mich ist das übergriffig. Gesundheitliche Prävention war doch bisher immer Privatsache.
Aber will Kimmich überhaupt ein Vorbild sein? Und was ist überhaupt ein Vorbild? Und wer legt das fest? Per Definition versteht man darunter eine Person oder Sache, die als richtungsweisendes und idealisiertes Muster oder Beispiel angesehen wird. Bezogen auf den Fußball wollen viele Kinder eines Tages so erfolgreich sein, wie Cristiano Ronaldo und Lionel Messi. Völlig normal, denn für sie zählt nur, was ihre Stars auf dem Platz können.

Beruflich Erfolgreiche bekommen Vorbildrolle

Wir Erwachsenen trennen das in der Regel nicht. Sondern oktroyieren beruflich Erfolgreichen gern die Vorbildrolle auf. Verknüpfen sie mit ethischen und moralischen Kriterien. Dabei setzen wir voraus, dass unsere Sichtweise die Richtige ist. Passend zu einer Gesellschaft, die nach Konformität lechzt.
Doch was machen wir eigentlich, wenn das Vorbild Risse bekommt? Und Details aus dem Privatleben der Sportler bekannt werden, die nicht der Norm entsprechen. Der Skandal ist dann schnell zur Hand. Ob bei Kokser Diego Maradona, bei Alki George Best oder beim nikotinabhängigen Mario Basler.
Umso größer ist das Entsetzen, wenn Sportstars Straftaten begehen oder im Verdacht stehen, diese begangen zu haben? Ich denke da an Ronaldo, dem Vergewaltigung vorgeworfen wurde. Und an den geständigen, früheren Fußball-Nationalspieler Christoph Metzelder, der wegen Besitz und Weitergabe von Kinderpornographie verurteilt wurde. Das geht für mich gar nicht. Damit haben Beide ihre Vorbildrolle für mich verwirkt.

Persönlichkeitsrechte sind keine Straftat

Gänzlich anders gelagert ist dies bei Joshua Kimmich. Der hat eine eigene Meinung. Persönlichkeitsrechte sind keine Straftat. Er übernimmt Verantwortung. Gemeinsam mit seinem Klub- und Nationalmannschaftskollegen Leon Goretzka hat er im letzten Jahr die Spendenaktion "We Kick Corona" ins Leben gerufen. Dabei sind bisher mehr als sechs Millionen Euro gesammelt worden. Um Menschen zu helfen, die wirtschaftlich von Corona besonders hart getroffen wurden. Aber auch um Impfungen in Ländern zu ermöglichen, in denen es einen Mangel an Impfstoffen gibt. Das heißt, er überlässt Anderen die Entscheidung. Genau wie auch er alleine entscheiden kann, ob er sich impfen lassen möchte.
Auch wenn sein Engagement für manch einen widersprüchlich ist bzw. eine PR-Aktion darstellt, sehe ich darin keinen Widerspruch und verstehe Joshua Kimmich als altruistisch. Er gibt selbstlos etwas, ohne selbst einen Nutzen davon zu haben. Damit ist er für mich als Mensch ein Vorbild.