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"In der krassesten Zeit habe ich fast gar nichts mehr gegessen"

16.August 1998: Aus dem Wochenendjournal "Models-Mädchen-Magersucht. Ein Leben auf Messers Schneide" von Sabine Demmer.

06.05.2012
    Junge Frau: Die Bulimie hat angefangen mit 15 und meine Familie ist auch ziemlich essgestört. Und deshalb habe ich halt, seit ich elf bin, immer wieder Diäten gemacht mit meiner Mutter und meiner Oma zusammen. Und da sind wir auf einen Campingplatz gefahren im Bayerischen Wald, haben extra nichts mit zu Essen genommen, sondern nur so komisches Diätpulver, und haben halt dann da zu dritt "gefastet", in Anführungsstrichen.

    Demmer: Magersüchtig. Durch die Haut stechen die Hüftknochen und Rippen hervor, die Wangen sind eingefallen. Und obwohl der Körper lebensbedrohlich dünn ist, empfinden sich Magersüchtige immer noch als zu dick. Die Körperwahrnehmung ist verzerrt, die Gedanken sind beherrscht vom Gewicht, von Kalorien und Fetten.

    Mädchen: In der krassesten Zeit habe ich fast gar nichts mehr gegessen. Das war vielleicht noch ein Teller Salat und ein paar Stücke Obst oder so. Ich war immer auf Zack, ich habe mir keine Ruhe gegeben, nicht mal mich hingesetzt habe ich. Ich habe mich gehasst für jede Minute, die ich gesessen bin. Und ich habe meine Hausaufgaben im Stehen gemacht, dann am Fensterbrett, ich habe im Grunde alles im Stehen gemacht. Ich habe gelesen im Stehen, ich ... Gut, in der Schule musste ich noch sitzen, das musste ich halt dann aushalten, aber sonst ... Viel Sport, teilweise 500 bis 1000 Sit-ups am Tag. Ich stand heulend vor meiner Mutter und habe gesagt, Mama, ich kann nicht mehr, ich will mich hinsetzen, aber ich darf nicht. Manchmal habe ich mir gewünscht, dass mich, wenn ich über die Straße gehe, ein Auto zusammenfährt.

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