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In sieben Wochen singend zum Latinum

Wer das Latinum nicht schon an der Schule erworben hat, sondern die Sprache parallel zum eigentlichen Studienfach lernen muss, kennt das Problem: Wirklich Zeit hat man für die Sprache Ciceros nicht und viel Lust auf Vokabelpauken ebenso wenig. Das muss nicht sein: Einige private Lehrinstitute bietet seit einigen Jahren alternative Kurse an, bei denen man Latein oder auch andere Sprachen besser lernen soll, indem man klassische Musik hört und gemeinsam Lieder singt.

Von Claudia Ullrich-Schiwon | 05.04.2006
    Laut schallt es in Altenberge bei Münster im Schatten der Pfarrkirche aus einem ehemaligen Ladenlokal. In der Nachbarschaft scheint es niemand mehr zu wundern, dass hier junge Leute den ganzen Tag abwechselnd tief konzentriert, dann wieder ausgelassen tanzend und singend den Tag verbringen.

    Es sind rund 15 meist Philologie-Studenten, die hier im Institut "Fundamentum Latinum" für den begehrten Schein pauken. Allerdings läuft das Pauken nach der suggestopädischen Methode etwas anders ab.

    8 Uhr 15, jetzt steht Meditation auf dem Stundenplan. Ein Teil der Studenten hat sich auf den Boden gelegt, andere sitzen mit geschlossenen Augen am Tisch. Kursleiter Günther Kassner führt in den Tag ein:

    " Lass deine Gedanken kommen und gehen.

    Mit Neugier und Interesse öffnest du dich dem heutigen Lernangebot."

    Nach rund zehn Minuten ist es mit der Ruhe vorbei. Jetzt muss eine Rede von Catus gelesen und übersetzt werden. Sarah hat sich gemeldet.

    Kassner: " Quom, das sah so aus wie quorum, was ist das für eine Form?"
    Sarah: " Ja, das ist eine altertümliche Form von cum. Ah ja, res publica, das Subjekt, der Staat, ist in maxima pericula, ist in große Gefahr gekommen und indicio, das ist ein Ablativ. Genau. "

    Die Studenten sind fast am Ende des Kurses. Da darf es jetzt schon schwer sein, gibt Günther Kassner zu. Für rund 120 Studienfächer ist derzeit das Latinum noch erforderlich. Und viele Schüler haben davon kein blassen Schimmer. Sarah, die deutsch und englisch auf Lehramt studiert:

    " Weil die Lehrer einem alle erzählt haben, wirklich geschlossen, dass man es für nichts mehr braucht außer für Theologie, also habe ich nicht darüber nachgedacht Latein zu machen. Das war wirklich ein böses Erwachen, als ich zur Uni kam und auf einmal ein Latinum brauchte."

    So oder ähnlich berichten es die anderen auch. Es werden bundesweit viele Crash-Kurse angeboten, aber nicht in Kombination mit Singen und Tanzen.

    " Ich stehe solchen Sachen eher skeptisch gegenüber. Habe aber gedacht, wieso nicht, das kann dem Ganzen nur hilfreich sein, da ich ja wusste, welche Qualen das sein können, und ich muss schon sagen, das war ganz schön auflockern, es war eine schöne Abwechslung zwischendurch, die das ganze bereichert hat. Wie das jetzt im Einzelnen anspricht ist dann im Einzelfall unterschiedlich. Manche profitieren da sehr davon, andere nutzen das um abzuschalten."

    " Quorum, qandum sowie cum fällt die Silbe ali aus, mach dir nichts daraus. Bleib ganz cool, behalt die Ruh, setzt sin dazu sique est si aliqui, vergiss das bitte nie. "

    Anspannung und Entspannung sind Teil der Methode, sagt Kursleiter und Altphilologe Günther Kassner. Und bewiesen sei auch, dass Musik den Lernprozess fördere. Sarah und ihre Banknachbarin bestätigen das.

    " Durch das Singen auf jeden Fall, habe ich gemerkt, dass das einfach so im Kopf drinnen ist. Dass man es immer wieder für sich selbst singt, und ich mache es teilweise auch noch während der Klausuren noch so, dass ich mir so einzelne Sachen so vorsinge, innerlich, um mich daran zu erinnern, welche Formen das sind und so weiter. Das hat mir auf jeden Fall geholfen."

    " Das mit den Liedern geht mir genau so, das finde ich super. Dadurch habe ich Regeln viel besser merken können. Die Meditation finde ich auch super, weil sie für mich fördernd ist runter zu kommen, Ruhe zu finden und dadurch neue Kraft zu schöpfen."

    Und dazwischen immer wieder Grammatik und stundenlanges Übersetzen von Cicero, Caesar und Senecatexten. Die Sätze werden pingelig zerlegt wie ein Motor, vergleicht Günther Kassner, der 30 Jahre Gymnasialerfahrung hat:

    " Mir persönlich macht es ausgesprochen viel Spaß, und die Sache bringt es schon mit sich, dass die Studenten ihr Ziel klar vor Augen haben und deswegen auch zu einem unwahrscheinlichen Einsatz bereit sind."

    Die Zeit mit den alten Römern und ihrer so genannten toten Sprache ist für die Studenten nun fast vorbei. In den kommenden Wochen müssen sie bei der Bezirkregierung, die die Schulaufsicht hat, die Latinum Prüfung ablegen. Eine Zeit mit vielen Höhen und Tiefen, aber es hatte was, sagen die Teilnehmer.

    " Ich möchte behaupten, dass dieser Kurs Charme hat. Denn es liegt nicht nur an den Teilnehmern selbst, wir sind eine super Truppe, muss man echt sagen und es liegt vor allem auch an Herrn Kassner, an dem Lehrer, der sich viel Mühe gibt uns das Leben hier zu erleichtern. Man muss hart, hart arbeiten und das wird hier schon jeden Tag vermittelt, hart arbeiten."

    Sarah: " Wie Hähnchen süß sauer."
    Reinhard: " Das ist schon ein extremes soziales Erlebnis hier, das kann man nicht anders sagen. Also ich denke das ist schon eine richtige Berg- und Talfahrt. Also nur Positives kann man nicht sagen, das macht man vielleicht am Ende, wenn man das Latinum in der Hand hat, aber bis dahin ist es ein sehr steiniger Weg. Also man bekommt das nicht geschenkt."