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Interaktiver Gebetsteppich
Wie muslimische Schüler das Beten lernen könnten

In München tüfteln Forscher an einem intelligenten Gebetsteppich, der das Erlernen muslimischer Gebete einfacher machen soll. Die Idee dazu hatte ein Islamlehrer im Oman. Zum interaktiven Gebetsteppich gehört eine Art Computerspiel: Falsche Bewegungen werden auf dem Bildschirm angezeigt, richtige werden mit Sternchen belohnt.

Von Andi Hörmann |
    Bunte Gebetsteppiche und Beine von Männern, die sich zum Gebet aufgestellt haben.
    Mit Tablet und Kamera - der "intelligente Gebetsteppich" (Imago /Xinhua)
    Eine halbe Stunde vom Münchner Zentrum, am nördlichen Stadtrand, liegt das Garchinger Technologie- und Gründerzentrum der Technischen Universität. Hier tüfteln Studenten neben ihrem akademischen Alltag an Innovationen, etablieren sich mit eigenen kleinen Entwicklungsunternehmen – ein Forschungscampus für rund 14.000 Studierende.
    "Mein Name ist Zièd Bahrouni. Ich bin einer der Gründer und Geschäftsführer von Motius GmbH. Ich studiere in München seit fünf Jahren und bin seit sechs Jahren in Deutschland."
    Zièd Bahrouni ist 1989 im Oman geboren. Mit Kommilitonen hat er während seines Studiums "Motius" gegründet – ein junges Unternehmen mit zweitem Standort in seinem Geburtsland, dem Staat im Osten der arabischen Halbinsel. Zuletzt hat Zièd Bahrouni an einer Brot-Back-Maschine für das hauchdünne omanische Brot gearbeitet, momentan tüfteln er und sein Team an einem "intelligenten Gebetsteppich". Die Geschäftsidee wurde von einem staatlichen Start-Up-Unternehmen im Oman an die Neu-Münchner herangetragen:
    "Und eine dieser Ideen war von einem Islam-Lehrer, ein Religionslehrer im Oman. Er wollte die Religionslehre spannender machen. Seine These war: Um vielleicht Radikalisierung oder Probleme in der Zukunft zu vermeiden, sollte die Religionslehre sehr modern sein. Religion und modern sollten keine Gegensätze sein. Dass man zeigt, dass Religion nicht unbedingt altmodisch sein soll."
    Und da liegt er nun auf dem Boden eines Konferenzraums im Garchinger Forschungszentrum, der Prototyp des "intelligenten Gebetsteppichs" – die Ausrichtung wie vorgeschrieben nach Mekka.
    "Das ist ein ganz normaler Gebetsteppich. Man kann den überall kaufen, man steht drauf und macht die Bewegungsabläufe."
    "Türkisfarben goldenen Ornamenten. Die Größe?"
    "Die Größe ist einheitlich: Ich glaube zwischen einem Meter und einem Meter zwanzig."
    Vor dem "intelligenten Gebetsteppich" liegt ein Tablet, darüber eine Sensor-Leiste mit Kameras: Auf dem Display eine arabisch gekleidete Comic-Figur inmitten einer weitläufigen Moschee – Kuppeldach, rote Teppiche, weiße Säulen. Sieht aus wie ein Videospiel.
    "Ein muslimisches Gebet besteht aus einem sehr komplexen Bewegungsablauf."
    Maximilian Tharr, 1991 in Deutschland geboren, evangelisch getauft, studiert Informatik an der TU München. Er ist Softwareentwickler bei der Motius GmbH, hat das Programm für den "intelligenten Gebetsteppich" geschrieben und demonstriert das Prinzip an einem Rakat, einem von zwei Gebetseinheiten des muslimischen Morgengebets.
    "Erst mal muss ich mich gerade hinstellen. Jetzt macht er mir vor, was ich machen soll. Ich habe hier die Hände auf meiner Brust, wie man das bei einem muslimischen Gebet macht und müsste jetzt eigentlich den Koran-Text lesen. Jetzt warte ich, bis der Koran-Text fertig gelaufen ist, damit ich dann danach mit der Bewegung weiter machen kann."
    "Ist denn der Gebetsteppich verbunden mit dem Tablet oder funktioniert es nur über die Kamera?"
    "Da sind keine Sensoren im Teppich. Wir haben hier hinten noch eine zweite Kamera, die ist dazu da, um anzuzeigen, ob man die Fußstellung richtig macht. Aber grundsätzlich: Die ganzen Daten, die wir bewerten, werden nur oben über die Kamera aufgenommen."
    Noch ist es ein Prototyp, der nur die Bewegungsabläufe der muslimischen Gebete spielerisch korrigiert, doch schon bald soll auch die Spracherkennung funktionieren, so dass der Benutzer auch den dazugehörigen Koran-Text richtig liest. Belohnung in Form von Sternchen gibt es, wenn alles richtig läuft.
    "Die Technik dahinter ist, dass wir da einen Bewegungssensor drauf haben, das ist eine Reihe von verschiedenen Kameras, die zusammen geschaltet sind. Dann kann ermittelt werden, ob der Nutzer gerade in der richtigen Position ist oder die richtige Bewegung macht. Und das muss dann auch noch dargestellt werden."
    "Ich glaube, der Mehrwert von dem Gerät ist nicht wirklich die Korrektur, weil die Kinder können es ja auch woanders lernen - von den Eltern, in der Schule - sondern, dass es ein Spiel ist, dass dieses Lernen in Form eines Spiels geschieht und dass es interaktiv ist und dass es modern aussieht und dass es Spaß macht."
    Ein Gebet wird zum Game, zum Spiel, die religiöse Tradition womöglich modernisiert. Manche Traditionalisten werden die kunterbunte Gamification der religiösen Praxis anprangern. Doch Glaube ist nicht Form, sondern Inhalt. Könnte man entgegenhalten. Und: Im muslimischen Gebet sind die Bewegungsabläufe nun mal kompliziert, sie zu erlernen, erfordert Geduld und Aufmerksamkeit. Der "intelligente Gebetsteppich" soll das erleichtern.