Freitag, 19. April 2024

Archiv

Internationale Gesprächsreihe "In aller Munde"
Solidarität unter den Ländern in Zeiten von Corona

Corona zwingt uns alle zu mehr Vorsicht, zu einer größeren sozialen Distanz. Das hat auch Auswirkungen auf den Zusammenhalt vieler Länder. Sind wir in Zeiten der Krise ausreichend solidarisch mit anderen Staaten?

Antje Allroggen, Cristiana Coletti und Marianthi Milona im Gespräch mit Andreas Stopp | 29.03.2020
Momentaufnahme aus dem Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos am 10.03.2020. Zu sehen ist eine junge Frau, die ein kleines Kind im Arm hält.
Solidarität ist gefragt, wenn das Corona-Virus die Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln erreicht (picture alliance/dpa/ANE)
Nachdem sich nun fast alle ans Social Distancing gewöhnt haben, sei es an der Zeit darüber nachzudenken, wie man länderübergreifend zusammen halten könne, so die Journalistin Antje Allroggen. Immerhin hätten sich die G7-Staaten in den vergangenen Tagen auf einige Maßnahmen verständigt, zum Beispiel wolle Deutschland Italien Impfstoffe und Medikamente zur Verfügung stellen. Auch Krankenbetten wurden für italienische und französische Intensivpatienten angeboten. Kirchliche Einrichtungen würden in der Fastenzeit dazu aufrufen, "den Blick über unsere Grenzen hinaus zu weiten".
Geplante Reisen nicht stornieren, sondern verschieben
Darüber hinaus gebe es Initiativen, die dazu aufrufen, geplante Reisen nicht einfach zu stornieren, sondern zu verschieben. Und es gebe Vorschläge, deutsche Hotels in Griechenland für Geflüchtete, die vom Corona-Virus infiziert seien, zur Verfügung zu stellen. Wenn die Regierung solche Initiativen finanziere, könnte man zum Beispiel den Tourismus auf Griechenland "ein wenig unterstützen". Insgesamt sei es jetzt an der Zeit, solidarisch mit anderen Ländern zu sein. Erstaunlich sei in diesem Zusammenhang, dass in Deutschland relativ wenig über Griechenland berichtet werde. Auch die Publizistin und Autorin Carolin Emcke habe Deutschlands Umgang mit seinen europäischen Nachbarländern vor kurzem kritisiert.
Über die Situation in Griechenland fair berichten
In Griechenland sei die Situation "sehr schwierig", sagte die Journalistin Marianthi Milona. Das Land habe bereits zehn Jahre der Krise hinter sich. Aber man habe die Corona-Krise rechtzeitig ernst genommen und die ersten Geschäfte schon Anfang März geschlossen. Jetzt gelte es, "extrem aufzupassen": "Wir haben weder die finanziellen Mittel noch die Kapazitäten in den Krankenhäusern, um eine so hohe Anzahl an Erkrankten wirklich fachgerecht behandeln zu können". Die Regierung habe ein Kontrollsystem eingeführt, das über das Handy die Aktivitäten der Bevölkerung überprüfe. Über die Situation in Griechenland "fair zu berichten", sei nicht einfach, "weil diese negativen Bilder ständig im Kopf sind".
Gemeinsam auf internationaler Ebene zusammen zu stehen
Zwischen Italien und Griechenland gebe es eine tiefe Verbundenheit, sagte die italienische Kulturjournalistin Cristiana Coletti. Die ersten Freunde, die sich nach ihrem eigenen Bekunden erkundigt hätten, seien griechische Freunde von der Insel Naxos gewesen. "Man fühlt sich als Teil der Familie". Wenn ein Grieche einem Italiener entgegenkomme, begegne er ihm immer "mit einem ehrlichen Lächeln". Im Moment passierten allerdings "sehr traurige Dinge", etwa, als die italienische Polizei Bestandteile von Beatmungsgeräten beschlagnahmt hätte, die eine italienische Firma nach Griechenland verkauft habe. Aufgrund der Situation in Italien sei es gerade verboten, solche Geräte oder Teile davon ins Ausland zu verkaufen. Wichtiger sei in diesem Moment doch zusammen zu stehen, auch auf internationaler Ebene. Es sei nicht an der Zeit, dabei über "richtiger" oder "falsche" Freunde nachzudenken. Es gehe jetzt nicht um strategische politische Beziehungen, sondern darum zu überleben.