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Is was!?

Auch in dieser Woche bestimmt das umstrittene Mohammed-Video die Nachrichten - und die Auflagen. Weniger die Schlagzeilen bestimmt im Moment die Ex-First-Lady. Die hat nämlich seit einer Woche alle Interviewtermine für ihr Buch abgesagt.

Klaus Nothnagel | 21.09.2012
    Immer neue überraschende Wendungen in der Sache "Beleidigung des Propheten": Trittbrettkränker treten auf! Eine französische und eine deutsche Satirezeitschrift - beide von bescheidener Auflage und daher nicht mit Reichtümern gesegnet - versuchen, mit antimuslimischen Titelgeschichten aus der organisierten Erregung über das Anti-Mohammed-Video Gewinn zu ziehen.

    Die aufgebrachten Massen in muslimischen Ländern reagieren mit den bekannten vollautomatischen Wutanfällen, infolgedessen sind die Satireblätter nach wenigen Tagen ausverkauft. (Ob sich's bei den Käufern um interessierte Leser oder um Leute handelt, die die ganze Auflage aufkaufen und vernichten, ist für die Verkaufsbilanz ja völlig egal.) Die beleidigten muslimischen Massen arbeiten also als freiberufliche Marketinghelfer für westliche Satireblätter - ob das im Sinne des Propheten ist?

    Bleiben wir noch ein bisschen in der Wunderwelt des Marketings. Eine Frau, die im Vorstand der Piraten-Partei sitzt, schreibt ein Buch. Schön, denkt man sich, noch ein unnützes Buch, über das sich alle Welt ein paar Tage künstlich erregt, bevor das Werk dann seine verdiente Reise in die Ramsch-Regale antritt. Die ersten Rezensionen - "verloren im Faselmorast" oder "ein Schwall von Plattitüden und Referenzen" - deuten auf eine eher bescheidene Qualität hin.

    Trotzdem hat jemand - vermutlich ein Piraten-Kollege - eine Kopie des Buchs angefertigt und sie zum kostenlosen Herunterladen ins Netz gestellt. Das fand wieder der Verlag nicht so witzig und verbot den Download, mit Zustimmung der Autorin, die bisher bei jeder Gelegenheit herumtrompetete, wie "ekelhaft" sie das Urheberrecht finde. Aber Marketing funktioniert einfach immer: Jetzt wird das Buch vermutlich Auflage machen, weil eine Lawine von Schmähungen, ein sogenannter Shitstorm gegen die Autorin durchs Netz rauscht. Und dieses Fäkaliengewitter wiederum macht die Leute neugierig, was eine derart heuchlerische und verlogene Person wohl so zu erzählen hat.

    Eine ganze Woche ohne Bettina Wulff - irgendwie irritierend. Angeblich auf Wunsch ihres Gatten hat sie reihenweise Talkshows abgesagt, in denen sie sonst erzählt hätte, wie sehr sie sich nach einem schlichten, unbeobachteten Leben mit Vorgarten und Jägerzaun in Großburgwedel sehnt. Eben diese Sehnsucht hatte die von den Medien seit Jahren mitleidlos schikanierte Frau ja schon in Exklusivinterviews in "Stern", "Bunte" und "Gala" kundgetan, eins exklusiver als das andere. Und jetzt, der plötzliche Bettina-Entzug?

    Ganz einfach: Erst massiv anfixen die Käuferschaft - dann die Meute durch künstliche Verknappung in gesteigerte Gier versetzen! Da kann Frau Wulff so doof und peinlich sein wie sie will: Vom Marketing versteht sie was.