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Is was?!
Der satirische Wochenrückblick

Erdogan im Putsch-Wahn - Plagiate bei den US-Republikanern und im deutschen Bundestag - Politiker, die ausgelassen drauflos twittern: In Tagen wie diesen sehnt man sich nach nichts mehr als der guten alten "Politik der ruhigen Hand". Oder einem Vollrausch mit Rhabarbersaftschorle, findet Klaus Nothnagel.

Von Klaus Nothnagel | 22.07.2016
    Melania Trump steht am Podium und hält eine Rede
    Melania Trump, die Frau des republikanischen US-Präsidentschaftskandidaten, während ihrer Rede auf dem Parteitag in Cleveland (Sputnik / Kevin C. Downs)
    Wenn Sie oberster Sultan der Türkei wären - hätten Sie immer eine Liste mit mehreren tausend Verdächtigen zur Hand, die beim Scheitern eines Putsches sofort zu verhaften wären? Hätten Sie wohl das erstaunliche Glück, weder an ihrem Urlaubsort noch am Flughafen festgesetzt zu werden und unbehelligt übers Land zu fliegen? Und dass der Putsch nicht, wie üblich, um drei Uhr nachts, sondern am Abend stattfand, als das Land noch putschmunter war, wenn ich so sagen darf: Erdogan hat einfach Glück. Aber nicht nur sein Dusel bezaubert die Menschen, es ist nach wie vor auch sein einzigartiges Demokratieverständnis: Das Volk wünsche die Wiedereinführung der Todesstrafe, sagte er, und: "Warum sollte ich die Putschisten in den nächsten Jahren im Gefängnis durchfüttern?" Wetten, dass er auch schon die Länge der Haftstrafe kennt?
    Auch Donald Trump redet wie ein Dumpfbold, der volltrunken am Tresen schwadroniert; aber wenn er doch mal einen Teleprompter benutzt - wie gestern, bei der entscheidenden Parteitagsrede, dann macht das für die Qualität seiner Rede keinen nennenswerten Unterschied. Seine Gattin Melania spricht unbeholfen, rührselig und schlicht - ihr Publikum hält auch das für ehrlich und wahr. Ganze Sätze der Melania-Rede beim Parteitag waren abgeschrieben, u.a. aus Michelle Obamas Rede von 2008. "Hart arbeiten, Würde und Respekt, die einzige Grenze für die Größe der Erfolge ist die Reichweite unserer Träume" - dieses verlogene Sonntagsredenblahblah passt überall und immer. Und? Sind wir beeindruckt von den Mogeleien der trumpischen Plagiatrice? Nein. Die Latte liegt höher. Der gültige Exzellenz-Standard für Politikerschwindeleien wird neuerdings von der Bundestagsabgeordneten Petra Hinz definiert. Sie hat ihr Abitur, Jurastudium und Examen frei erfunden. Warum? "In der Rückschau vermag Frau Hinz nicht zu erkennen, warum..." - man kennt das geschraubte Gerede der Anwälte. Also, Frau Trump, von Hinz lernen heißt mogeln lernen!
    Renate Künast, pensionierte Hoffnungsträgerin der Grünen, hat den Regionalzug-Amoklauf von Würzburg noch am gleichen Tag auf Twitter kommentiert; musste man den Amokläufer töten, fragte sie, hätte man ihn nicht nur angriffsunfähig machen können? Obwohl diese Frage in einem Rechtsstaat selbstverständlich ist, rasten sofort Pöbeleien und Hetzkommentare gegen Künast los; das ging bis zu Hirnverbranntheiten wie "erst unzählige Straftäter ins Land holen, dann noch die Polizei beleidigen" - im Netz, im Netz, wo die Säfte steigen, wo die Blöden schäumen. Aber der Zeitpunkt des Kommentars von Künast, kurz nach der Tat - Sagen wir so: Von Frau Künast Sensibilität zu erwarten, ist so realistisch wie von einer Rhabarbersaftschorle einen Vollrausch zu erhoffen.