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Islam an der Hochschule

Seit diesem Schuljahr wird bereits an 240 bayerischen Schulen islamischer Religionsunterricht angeboten. Maßgeblich an der Ausbildung von Religionslehrern beteiligt ist die Uni Erlangen-Nürnberg - mit einer hohen Akzeptanz bei den Muslimen.

Von Ulrike Lefherz | 17.05.2010
    Religionslehrer Ramazan Öztürk unterrichtet Sechstklässler in der Hans-Böckler-Realschule in Fürth. Es geht um Engel, die nach der Lehre des Islam rechts und links auf den Schultern der Gläubigen sitzen.

    "Diese Engel schreiben alles auf, was man sagt. Wenn du was Gutes sagst, wenn du was Schlechtes sagst. Deshalb müssen wir als Muslime darauf achten, was wir sagen."

    Allerdings gibt der Lehrer Entwarnung. Bei Kindern ist Gott nicht so streng.

    "Alle Sünden gelten ab der Pubertät. Die zuvor begangenen Sünden gelten nicht."

    An 240 staatlichen Schulen in Bayern können muslimische Schüler islamischen Religionsunterricht wählen. Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle hat das zu diesem Schuljahr im Rahmen eines Gesamtkonzepts für Integration durchgesetzt. Wie Muslime beten, welche ihre heiligen Schriften sind, und wie der Prophet Mohammed gelebt hat, sind einige der Unterrichtsthemen. Religionslehrer Ramazan Öztürk:

    "Ich habe den Eindruck, dass die meisten Schüler sehr wenig wissen. Und die sind sehr neugierig:"

    Ramazan Öztürk hat seine Religionslehre an der Uni Erlangen-Nürnberg gemacht.

    Seit dem Jahr 2003 bietet Professor Harry Haroun Behr islamische Religionslehre als Ergänzungsfach für Lehramtsstudenten an. Zur Ausbildung gehören Koran-Rezitation, Schriftquellen-Analyse und Kurse in anderen Weltreligionen. Für Harry Haroun Behr ist das Ziel des Religionsunterrichts, dass Schüler in Fragen der Religion eine eigenständige Entscheidung treffen können:

    "Ich freue mich als muslimischer Religionslehrer, wenn eine muslimische Schülerin sagt, jetzt weiß ich, warum ich Muslimin bin. Ich freue mich als islamischer Religionslehrer, wenn mir ein Schüler sagt: Jetzt weiß ich, warum ich kein Muslim mehr sein will. Das kollidiert mit dem Weltbild von Muslimen, die sagen 'Der Islam ist doch die Wahrheit. Und es kann doch gar nicht sein, dass jemand, der alle fünf Sinne beieinander hat, zu der Entscheidung kommt, dass er kein Muslim sein will. Dann kann doch mit dem Unterricht was nicht stimmen'."

    Die Lehrpläne für den Unterricht in Bayern hat der inzwischen emeritierte Erlanger Professor Johannes Lähnemann gemeinsam mit einem Erlanger Elternverband erarbeitet. Einstimmig wurde er abgesegnet, betont Harry Haroun Behr. Und dementsprechend hoch ist die Akzeptanz bei den Muslimen.

    Deutschlandweit gibt es drei wichtige Zentren für die Entwicklung des islamischen Religionsunterrichtes: Münster, Erlangen und Osnabrück. In Münster allerdings hat die Ausbildung von Religionslehrern einen Rückschlag erlitten. Dort gab es Diskussionen um die Besetzung des Lehrstuhls. Der dortige Professor Sven Kalisch hatte sich mit islamkritischen Thesen die Akzeptanz verscherzt. Mehr versprechen sich die Verbände von dem sehr jungen, türkischstämmigen Osnabrücker Professor Bülent Ucar. Wie der Erlanger Professor Harry Haroun Behr steht der auch für einen zeitgemäßen modernen Religionsunterricht. Alle derzeit führenden Professoren für islamische Religionslehre sind zudem keine ausgewiesenen islamischen Theologen, sondern Islamwissenschaftler. Es müsste jetzt in Deutschland eine islamisch-theologische Grundlagenforschung betrieben werden, fordert Harry Haroun Behr:

    "Uns fehlt so etwas wie eine konservative Mitte. Und die Moscheeverbände, die gegenwärtig etwas Sturm laufen, empfinden sich als die konservative Mitte, ohne dass sie die wissenschaftliche Expertise hätten. Und das ist das gegenwärtig ganz prekäre Problem, was uns so ein bisschen als Muslime vor eine Zerreißprobe stellt."

    An der Uni Nürnburg-Erlangen gibt es gibt Konzepte für einen Lehrstuhl in islamischer Theologie. Vier Professorenstellen wären wünschenswert, so Harry Haroun Behr. Allerdings wolle dafür bis jetzt keiner was zahlen.