Mittwoch, 24. April 2024

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Islamisches Heiratsevent
Dating mit Allahs Segen

Im Islam gilt die Geschlechtertrennung vor der Ehe als schicklich. Doch dass die Familie den Partner oder die Partnerin aussucht, ist auch für junge, gläubige Muslime in Deutschland nicht mehr akzeptabel. Sie wollen selbst entscheiden. Aber wie lassen sich Kontakte zum anderen Geschlecht anbahnen, ohne Tradition und Religion zu missachten? Ein islamisches Heiratsevent soll hier helfen.

Von Kadriye Acar | 01.02.2016
    Trabant P50/20
    Für junge Muslime kann es ein weiter Weg sein zur Hochzeit (imago/Thomas Müller)
    Medine: Das sind zu wenig Kekse
    Habibe: Mehr Kekse?
    Medine: Natürlich, das sind 60 Leute, die kommen.
    Habibe: Die sollen sich davon nicht satt essen
    Medine ist im Stress. Bis vier Uhr morgens hat sie mit ihrem Team die Räume für ein besonderes Ereignis hergerichtet: für ein "islamisches Heiratsevent", wie es in ihrer Werbung heißt. Es ist eine Art Speed-Dating für Muslime. Medine und ihre Helfer verlegen Teppiche, sie putzen, rücken Stühle und Tische zurecht. Es ist 11 Uhr morgens und in einer Stunde sollen die Gäste kommen.
    Ich: Stress.
    Medine: Ja.
    Ich: Warum?
    Medine: Gute Frage, ich weiß es nicht.
    Medine ist eine von vier Organisatoren des "islamischen Heiratsevents". Eine der Regeln dieses Events: Die Nachnamen der Teilnehmer werden nicht genannt. Denn der Heiratswunsch – egal ob bei Männern oder Frauen – ist ein sehr sensibles Thema. Das Heiratsevent ist ein deutschlandweit einmaliges Projekt, bei dem heiratswillige Muslime und Musliminnen zusammen kommen. Zwei Veranstaltungen gab es bisher – und nun die dritte in Berlin. Einer der Mitorganisatoren ist Marwan, ein Imam. Seiner Meinung nach haben es Muslime in Europa besonders schwer, den passenden Partner, die passende Partnerin zu finden.
    "Es ist schon lange ein Problem der islamischen Community, dass die Leute heiraten wollen, aber weil die Muslime hier aus sehr verschiedenem kulturellem, nationalem und sprachlichem Hintergrund kommen, ist es schwierig. Normalerweise läuft es ja vielfach über die Familien. Man trifft sich und unauffällig lernen sich die beiden kennen und können dann entscheiden: Wollen wir das weiter vertiefen oder nicht?"
    Die Familie spielt keine so eine große Rolle mehr bei der Heiratsvermittlung, die Moscheen ebenso wenig. Die Macher des Heiratsevents sind überzeugt, dass in einer multikulturellen Gesellschaft nicht mehr die Herkunft die entscheidende Rolle spielt, sondern die Religion. Denn in Deutschland habe sich eine eigene muslimische Identität entwickelt. So hätten deutsch-türkische Muslime der dritten Generation mehr mit deutsch-arabischen Muslimen gemeinsam als mit den Altersgenossen in den Herkunftsländern ihrer Eltern oder gar Großeltern.
    Aber wie kommen Männer und Frauen derselben Religion zusammen? Die islamische Tradition legt die Rolle von Mann und Frau sehr strikt aus. Die Geschlechtertrennung, auch wenn darüber nichts im Koran steht, gilt als islamisches Gesetz.
    "Wir sind davon überzeugt, dass es auf jeden Fall schwieriger ist, weil die Möglichkeiten dafür sehr begrenzt sind. Sei es, dass man jetzt mal am Abend sich kennenlernt in einer lockeren Atmosphäre. was für uns Musliminnen nicht in Frage kommt. Generell sind diese Schnittstellen, wo sich Mann und Frau treffen, sehr selten. Außer jetzt in der Moschee, in Veranstaltungen, Vorträgen oder auch über Familien."
    Der britische Muslim Emir, der seit zwei Jahren in München lebt, hatte die rettende Idee: In England werden regelmäßig Events veranstaltet, wo die verschiedenen Religionen und Ethnien zusammenkommen. Warum sollte es in Deutschland nicht ein Event für alle Muslime geben? Aber, so einfach, war es dann doch nicht.
    "Die Menschen in Deutschland sind skeptischer. Sie recherchieren gründlich nach, wer die Organisatoren sind, erkundigen sich im Vorfeld sehr ausführlich. Die Gesellschaft hier ist konservativer."
    30 Euro kostet die Anmeldung zum Event, darin eingeschlossen Essen und Trinken. Reich werden die Organisatoren nicht. Aber darauf kommt es auch nicht an. Denn nach einem Ausspruch des Propheten erfüllt man mit der Heirat die Hälfte seines Dienstes an Gott. Menschen, die Ehen vermitteln, tun etwas Gutes."
    Noch 10 Minuten, bis die Gäste da sind. Organisatorin Medine steht nun besonders unter Strom.
    "Ich renne immer noch, ich mache noch die letzten Schliffe."
    12.00 Uhr. Es ist so weit, die Türen werden geöffnet. Zehn Heiratswillige stehen schon vor der Tür. Jasser, Mohammed und Hülya sind drei von ihnen.
    "Ich lebe in der Schweiz, und da gibt es nicht so viele Muslime. Wenn man auf der Partnersuche ist, dann ist es einfacher, nach Deutschland zu kommen. Weil ich ursprünglich auch aus Deutschland bin."
    "Mein Freund lebt mit seiner Verlobten in Berlin, ich besuche sie regelmäßig. Sie haben mir von diesem Event erzählt. Ja, ich möchte auch heiraten, sonst wäre ich ja nicht hier. In Finnland gibt es zwar auch Musliminnen, aber ich lebe nicht in der Hauptstadt, sondern in einem kleinen Vorort, und da gibt es nicht so viele Möglichkeiten und Aktivitäten."
    "Ich bin heute hier, weil ich 31 bin. Ich bin mit meinem Studium fertig und hab angefangen zu arbeiten. Jetzt fängt langsam die Uhr an zu ticken. Ich möchte gerne Kinder haben. Und es ist schwierig für eine praktizierende Muslima einen Mann zu finden, weil ich mich in Bereichen aufhalte, wo es getrennt ist. Deswegen gibt es die arrangierten Ehen. Das sich die Verwandten drum kümmern. Nur ist das ab einem bestimmten Alter. Und je höher man qualifiziert ist, wird es immer schwieriger jemanden zu finden. Mittlerweile hat es sich leider etabliert, dass sich viele nicht mehr einmischen wollen. Weil sich keiner verantwortlich fühlen möchte, wenn die Ehe daneben geht."
    30 Männer, 30 Frauen im Alter zwischen 28 und 35 haben sich eingefunden. Die Teilnehmer müssen altersmäßig zueinander passen, darauf achten die Eventmacher. Ein in Deutschland lebender Kuwaiti wurde zum Beispiel abgelehnt, weil keine entsprechende Frau in seinem Alter angemeldet war. Auch muss sich jeder rechtzeitig anmelden, die Männer müssen im Vorfeld eine Kopie ihres Passes mitschicken. Zum Schutze der Frauen, damit die Organisatoren nachverfolgen können, ob der Mann tatsächlich bei der Adresse angemeldet ist, die er angibt. Die Frauen genießen ein Vertrauensvorschuss.
    Die Heiratswilligen sind dem Ereignis entsprechend schick gekleidet. Die Frauen haben sich leicht geschminkt, manche tragen ein Kopftuch. Die Männer sind sportlich leger angezogen. Der Saal ist voll, zunächst wird gebetet, dann liest Mit-Organisator Ahmad einige Passagen aus dem Koran über die Ehe.
    Die 60 Teilnehmer und Teilnehmerinnen stellen sich zunächst einzeln vor, das dauert zwar eine Weile, aber so lernen sich die Männer und Frauen schon mal kennen. Auffällig dabei: über 90 Prozent sind hochqualifizierte Akademiker und Akademikerinnen.
    Beim gemeinsamen Anstehen am Buffet und dem anschließenden Essen kommen sich die Interessierten dann etwas näher. Neben den vier Organisatoren sind auch so genannte Volunteers dabei. Wenn ein Teilnehmer oder eine Teilnehmerin Interesse an einer Person hat, sagt er oder sie das dem Volunteer. Und diese stellt den Kontakt her – wenn das gewünscht ist.
    Es ist Halbzeit, die Stimmung ist gelöst. Auch Jasser, Muhammed und Hülya wirken entspannter als noch vor 3 Stunden. Haben sie jemanden kennengelernt?
    "Ja, vielleicht."
    "Ich bin ja hier um meinen Freunden zur Verlobung zu gratulieren. Vielleicht bin ich es auch bald."
    "Ich habe mich schon darum gekümmert. Ich wurde gefragt, ob ich Jemanden gut finden würde. Und habe dann gesagt: jaaaaaaa aber nur wenn das matching passt, wenn es von seiner Seite auch kommt."
    17.00 Uhr. Die Party ist im vollen Gange. Bei manchen ist die Erwartung sehr groß, Mr. Right oder Mrs. Right zu finden. Und danach auch die Enttäuschung, wenn es wieder nicht geklappt hat. Andere freuen sich einfach darüber, neue Menschen kennengelernt zu haben. Telefonnummern werden ausgetauscht, neue Facebook Freunde gefunden. Während sich die Gäste amüsieren, sitzt Medine mit ausgestreckten Beinen auf einem Stuhl in der Ecke.
    "Ich bin voll müde. Ich bin geschafft, ich kann nicht mehr stehen, deswegen habe ich mich kurz hingesetzt. Al hamdullah, die Anspannung ist weg. Ich glaube, die Leute sind zufrieden. Und ist gut gemacht worden. Jetzt mit den Feedback Bögen gucke ich."
    Um 18.30 Uhr gehen die letzten Gäste. Für die Organisatoren endet der Tag, wie er angefangen hat. Mit Aufräumen. Wann das nächste Event sein wird, wissen die Macher noch nicht. Denn sie alle gehen noch einem Vollzeitjob nach. Aber es wird bald sein. Die nächsten Anfragen liegen schon vor.