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Jüdische Jecken
Kippa Köpp, Alaaf!

Köln hat wieder einen jüdischen Karnevalsverein: Die Kölsche Kippa Köpp. Bisher hat er zwölf Mitglieder. Am Karnevalssonntag gab der Verein bei koscherem Bier und Falafel seinen Einstand. Das Engagement soll ein Zeichen der Normalität sein.

Von Ina Rottscheidt | 04.03.2019
Aaron Knappstein (r), Präsident des jüdischen Karneval Vereins Kölsche Kippa Köpp e.V., steht vor dem Besuch einer Sitzung mit Mitgliedern im Foyer in einer Halle.
Mitglieder des Karnevalvereins Kölsche Kippa Köpp, ganz vorne Präsident Aaron Knappstein (picture alliance/ dpa / Oliver Berg)
"Drei Mal von Herzen: Kölle Alaaf! Kippa Alaaf! Kölle Alaaf! Applaus", ruft Aaron Knappstein ins Publikum. Man musste schon genau hingucken, um die Unterschiede zu entdecken: Kleine hebräische Buchstaben auf den Narrenkappen, das Bier hatte einen "koscher"-Stempel und statt Metthappen gab es Falafel.
Aber die "Kölschen Kippa Köpp" wollen auch nicht anders sein. Sondern ein ganz normaler Kölner Karnevalsverein – nur eben jüdisch. "Denn dieser Karneval in Köln lebt von den Unterschieden, die dann zusammenkommen im Karneval und da auch zusammen gehören. Ohne die Diversität der verschiedenen Vereine wäre es enorm langweilig", sagt Aaron Knappstein, der Präsident der "Kölschen Kippa Köpp" und Gründungsmitglied des vermutlich einzigen jüdischen Karnevalsvereins weltweit. An diesem Sonntag präsentierte der sich erstmals in den Räumen der Kölner Synagogengemeinde. Zu Besuch waren Freunde und Gäste aus anderen Kölner Vereinen:
"Heute sind wir hier zusammengekommen, damit wir uns einmal offiziell vorstellen können und zeigen, dass wir Teil dieser Karnevalsfamilie sein möchten", sagte Knappstein.
Gegründet wurden die "Kölschen Kippa Köpp" schon 2017 - doch erst jetzt sind sie an die Öffentlichkeit gegangen. Auch, weil man erstmal schauen wollte, ob das funktioniert, erklärt Aaron Knappstein:
"Wir werden natürlich gefragt: Wie feiert ihr denn jüdischen Karneval? Und dann sagen wir: Es gibt keinen jüdischen Karneval, denn gab es damals nicht und gibt es heute nicht. Sondern wir sind Jüdinnen und Juden im Kölner Karneval. Die gab es immer und das wollen wir zeigen."
Antisemitismus im Rosenmontagszug
Im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts feierten viele Juden selbstverständlich als Teil der Kölner Stadtgesellschaft den Karneval mit, waren Mitglieder in Vereinen, standen auf der Bühne und in der Bütt. Wie zum Beispiel der Künstler Hans David Tobar, der wie Willi Ostermann oder Jupp Schmitz zu den Größen des Kölner Karneval gehörte – nur an Tobar erinnert sich heute kaum noch jemand:
"Damals gab es auch schon einen jüdischen Karnevalsverein: Den "Kleinen Kölner Klub". An ihn wollen die Kölner Kippa Köpp anknüpfen – deswegen tragen sie auch die drei K in ihrem Namen. Gegründet wurde er 1922 - der erste und einzige jüdische Karnevalsverein damals", sagt Marcus Leifeld. Der Historiker beschäftigt sich schon seit Langem mit der Geschichte des Kölner Karnevals:
"Das war auch eine Phase, in der sich mit der Wirtschaftskrise nationalsozialistische Agitation verbreitete und dazu führte, dass jüdische Mitglieder in den Karnevalsgesellschaften zeitweise nicht mehr aufgenommen wurden und auch nur noch beschränkt mit feiern konnten."
Die Reaktion darauf war die Gründung eines eigenen Klubs. Zeitgleich hielten antijüdische Parolen Einzug in den Kölner Karneval und den Rosenmontagszug mit seinen Mottowagen:
Liefeld erzählt: "Da steht dann auf Hochdeutsch: ,Hurra, die Juden trecken aus!' - also: ,Die Juden ziehen aus', das war eines der Hauptthemen des Antisemitismus im Karneval, nämlich die erzwungene Emigration der Juden nach Palästina. Und das hat man dann besungen in der Weise, dass man froh ist, dass die Juden nach Palästina ziehen. Entsprechend des ersten antisemitischen Wagen im Rosenmontagszug 1934: ,Die Letzten ziehen ab!'"
Die Spur verliert sich
Der so genannte "Palästina-Wagen": Heute noch zeigen Bilder, wie damals Karnevalisten mit großen Nasen und langen Bärten verkleidet die flüchtenden Juden verhöhnten. Den "Kleinen Kölner Klub" gab es da schon nicht mehr, hat Marcus Leifeld herausgefunden:
"Dann verliert sich die Spur, zunächst vor dem Hintergrund, dass 1931 und 1932 aufgrund der Wirtschaftskrise der öffentliche Karneval verboten war, also man konnte keine Sitzungen veranstalten. Aber dann vor allen Dingen 1933 mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten."
Viele Mitglieder gingen in die USA oder das damalige Palästina. Die jüdischen Karnevalisten und Künstler gerieten in Vergessenheit.
Dass diese Tradition jetzt mit den "Kölschen Kippa Köpp" wieder auflebt, freut auch Kölns obersten Karnevalisten Christoph Kuckelkorn. Der Präsident des Festkomitees hatte die jüdischen Jecken immer wieder darin bestärkt, einen eigenen Karnevalsverein zu gründen:
"Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass das bunte Mosaik des Kölner Karnevals wieder um ein verloren gegangenes Mosaiksteinchen ergänzt wird, der jetzt wieder da ist. Damit sind wir ein Stück weit kompletter. Und wir haben in den letzten Jahren viel getan für die Aufarbeitung der Zeit im Dritten Reich und der Instrumentalisierung des Karnevals zu der Zeit und da ist es natürlich total schön, dass am Ende ein jüdischer Karnevalsverein entsteht, einfach um diese Wunde zu schließen und den Karneval bunt zu machen und zu zeigen: wir haben etwas aufgearbeitet."
Besonders stolz sind die Kippa Köpp auf ihre Karnevalskappe, die in Köln "Krätzchen" genannt wird. Denn ihr Käppi ist vermutlich das einzige, in dem sich ein Gebet verbirgt. Dieter Beumling hat es gestaltet. Er hält ein blau-weißes Schiffchen in der Hand, an einer Seite klappt er einen Stoffzipfel hoch:
"Im oberen Teil sieht man einen weißen Davidstern und eine Menorah, als Symbole für Jüdischkeit und Israel..."
Medien berichten weltweit
Auch Beumeling ist Mitglied der Kippa Köpp. Unter Davidstern und Menorah hat er ein Gebet für Reisende platziert:
"Herr und Gott und Gott unserer Vorfahren, möge es dein Wille sein, uns in Frieden zu leiten... das heißt also wirklich: Beschütze uns, bleib bei uns, achte darauf, dass wir immer gut aufgenommen werden, denn das ist das, was man sich wünscht."
Zwölf Mitglieder haben die Kölsche Kippa Köpp schon, aber seit weltweit die Medien über diesen wohl einzigartigen Verein berichtet haben, gibt es viele Anfragen. Darum will sich Aaron Knappstein aber ernst nach der Session kümmern. Mitmachen kann übrigens jeder – ganz unabhängig von der Religionszugehörigkeit.
Für die Zukunft haben er und seine Vereinsfreunde viel vorgenommen.
"Natürlich möchten wir gerne Mitglied im Festkomitee werden, wir würden auch sehr gerne irgendwann im Rosenmontagszug mitlaufen, das sind alles Träume, die wir haben. Aber die nächsten Schritte sind sicherlich, mal eine eigene Veranstaltung auf die Beine zu bringen, eine kleine Sitzung, sicher nicht im Gürzenich, das wird wohl nichts mit so wenig Mitgliedern. Aber vielleicht eine Kneipensitzung oder so...", sagt Knappstein.
Als politisches Statement verstehen die Kölschen Kippa Köpp ihr Engagement im Karneval nicht und sie wollen auch nicht als Reaktion auf den zunehmenden Antisemitismus verstanden werden. Aaron Knappstein und seinen Mitstreitern geht es vielmehr Normalität. Eigentlich, so findet er, sollte es gar nichts besonderes sein, wenn Juden in Köln einen eigenen Karnevalsverein gründen.