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Junckers Rede zur Flüchtlingspolitik
"Zeit für mutiges und gemeinsames Handeln"

EU-Kommissionspräsident Juncker hat die EU-Länder aufgerufen, angesichts der Flüchtlingskrise "mutig und entschlossen" zu handeln. Es sei eine Frage der Menschlichkeit, den Hunderttausenden Flüchtlingen zu helfen, betonte er in seiner Rede zur Lage der Union. Auch Griechenland machte Juncker zum Thema: Das Land müsse seine Zusagen an die Geldgeber einhalten.

09.09.2015
    EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker während seiner Rede zur Lage der Europäischen Union.
    EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker während seiner Rede zur Lage der Europäischen Union. (picture alliance / EPA / Patrick Steeger)
    Juncker forderte die EU-Staaten im Europäischen Parlament zu mehr Solidarität und Einigkeit auf. Es sei jetzt nicht die Zeit, sich Ängsten hinzugeben. Vielmehr brauche es ein mutiges, entschlossenes und gemeinsames Handeln. Der Kommissionspräsident erklärte, Europa werde weltweit als Ort des Exils gesehen. Er sei der stabilste Kontinent weltweit. "Wir haben die Mittel und Möglichkeiten, denjenigen zu helfen, die vor Krieg und Terror fliehen." Mit Mauern und Zäunen könne die Flüchtlingskrise dagegen nicht beendet werden.
    Juncker wies auch darauf hin, dass Europa ein alternder Kontinent sei. "Wir brauchen Talente, die von überall auf der Welt zu uns kommen." Er forderte zudem sichere Zufluchtswege. So könne der Zustrom besser kontrolliert und Schleusern das Handwerk gelegt werden. "Wir müssen legale Einwanderungsmöglichkeiten nach Europa ermöglichen." Der Kommissionspräsident betonte in seiner ersten Rede zur Lage der Union: "Unsere Europäische Union befindet sich in keinem guten Zustand, obwohl ich nicht zu Pessimismus tendiere. Es fehlt an Europa, und es fehlt an Union."
    Juncker kündigt Quotensystem an
    Juncker warb für einen Verteilungsschlüssel, mit dem weitere 120.000 Flüchtlinge nach festen Kriterien auf EU-Länder verteilt werden. Welches Land wie viele Asylsuchende bekommt, soll von der Einwohnerzahl, der Wirtschaftskraft, der Arbeitslosenquote und der Zahl der bislang aufgenommen Flüchtlinge abhängen. Sein Vorschlag komme zusätzlich zu jenem vom vergangenen Mai, in dem er die Verteilung von 40.000 Menschen verlangt habe, sagte er.
    Von den insgesamt 160.000 Flüchtlingen würden auf Deutschland nach Berechnungen der EU-Kommission 31.443 entfallen. Während die deutsche Regierung eine solche Quotenregelung unterstützt, wird sie vor allem von osteuropäischen Staaten abgelehnt. Juncker betonte: "Dies muss getan werden und dies muss auch verpflichtend sein."
    Asylbewerber je eine Million Einwohner in den EU-Ländern im 1. Quartal 2015.
    Asylbewerber je eine Million Einwohner in den EU-Ländern im 1. Quartal 2015. (picture-alliance/ dpa-Grafik)
    Die EU-Kommission will zudem nach Angaben von Juncker eine europaweit geltende Liste mit sogenannten sicheren Herkunftsländern vorlegen, um schnellere Abschiebungen zu ermöglichen. Es müsse getrennt werden zwischen Schutzsuchenden und Menschen, die aus anderen Gründen in die EU kämen.
    Kritik von Pro Asyl
    Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl wies Junckers Verteilungs-Pläne als "realitätsfremd" zurück. Geschäftsführer Günter Burkhardt sagte dem Bayerischen Rundfunk, eine Quote, mit der man Menschen gegen ihren Willen kreuz und quer durch Europa schiebe, werde scheitern. Flüchtlinge aus Syrien oder Afghanistan würden kaum "freiwillig in einem Land wie Ungarn bleiben oder sich nach Litauen oder Slowenien verteilen lassen, wo es überhaupt keine Anknüpfungspunkte gibt."
    Mahnende Worte an Griechenland
    Neben der Flüchtlingspolitik sprach Kommissionschef Juncker auch die Griechenland-Krise an, die zuletzt in den Hintergrund getreten war. Er forderte die Griechen auf, auch nach den Parlamentswahlen die Zusagen einzuhalten, die sie den internationalen Kreditgebern im Gegenzug für das neueste Rettungspaket gemacht hatten. Unabhängig von der Regierung habe das Land zu "seinem Wort zu stehen und die Vereinbarungen einzuhalten". Anderenfalls müsse man in Athen damit rechnen, dass die Unterstützung durch die EU-Partner wegfalle. "Die Reaktion der Eurozone und der gesamten Europäischen Union wird dann eine andere sein."
    Die Griechen wählen am 20. September zum fünften Mal innerhalb von sechs Jahren ein neues Parlament. Ministerpräsident Alexis Tsipras hatte die Neuwahlen ausgerufen, weil ihm Teile seiner Partei die im Parlament Unterstützung für die Umsetzung der vereinbarten Reformen verweigerten.
    (jasi/hba/tön)