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Kaspar in der Disko

Mehr als 60 Ensembles zeigen ihr Können beim 18. Figurentheaterfestival. Traditionelle Puppen treffen dabei auf innovatives Bilder- und Objekttheater. Die Produktionen machen dem großen Theater in puncto ästhetischer Qualität spielend Konkurrenz.

Von Thomas Senne | 03.05.2013
    "Was das zeitgenössische Figurentheater ausmacht, ist die Öffnung des Genres in Richtung Bildende Kunst, in Richtung Tanz, in Richtung Neue Medien. Also diese große Offenheit, aus diesen anderen Kunstsparten Impulse aufzunehmen und in die eigene Formensprache auf der Bühne zu übersetzen."

    Und damit meint der Leiter des Erlanger Figurentheaterfestivals, Bodo Birk, zum Beispiel Gruppen wie "Grace Ellen Barkey & Needcompany". In ihrer neuesten Produktion "Mush-Room", einer Mixtur aus Tanz, Performance, Sprechtheater und Objekten entführen die Belgier die Zuschauer in einen surrealen Wald voller Melancholie und halluzinogener Pilze. Und die sorgen prompt für Verwirrung.

    Der aus Israel stammende Amit Drori zeigt zusammen mit dem Schweizer Theatre Vidy-Lausanne in der deutschen Erstaufführung "Savanna", dass Stimmen aus dem Jenseits und verzerrt klingende Popsongs heute ebenso zum Repertoire des Figurentheaters zählen wie Holzkisten, aus denen Roboter-Tiere entweichen: ein multimediales Spektakel aus Fantasie und Technik.

    "Wir haben sicher vor ein paar Jahren viel mehr Multimedia gehabt. Es gibt viel mehr Gruppen jetzt auch wieder, die tatsächlich zu analogem Theater, zu handgemachtem Theater zurückkehren. Es geht so weit zurück, dass man nicht aus Modegründen 1000 Beamer aufbaut und nur dekorativ rumprojiziert, sondern dass man’s nur noch da verwendet, wo’s wirklich essenziell für das Stück ist. Und dann wird’s auch zur Figur."

    Auch sie gibt es immer noch: Kasper, Großmutter und Seppl, Räuber und Krokodil. Die handgeschnitzten, traditionellen Puppen werden von toughen Feuerwehrmännern geführt und bieten in moderner Verpackung vergnügliches Volkstheater mit Poesie, Charme und Hintersinn: "Der Räuber im Spritzenhaus", eine Weltpremiere vom Theater Kuckucksheim und seinem Leiter Stefan Kügel.

    "Das Besondere an der Inszenierung ist, dass wir eben Livemusik da haben, dass wir singen und spielen. Das Besondere ist, dass wir die verschiedenen Darstellungsformen auch miteinander vermischen. Also es ist Schauspiel mit Puppenspiel gemischt – all diese Dinge, die das moderne Figurentheater ausmachen, haben wir versucht zu verarbeiten."

    Auch soziale Fragen wie das Älterwerden unserer Gesellschaft oder politische Themen wie Kolonialismus gehören zum diesjährigen Festivalprogramm, bei dem mit dem australischen Puppenzauberer Neville Tranter und dem französischen Bilderpoeten Philippe Genty zwei der ganz großen internationalen Stars der Figurentheaterszene mit von der Partie sind. Mit "Tagfish" präsentiert die belgische Gruppe "Berlin" filmische Sequenzen über Spekulantentum, Anmaßung, Hoffen und Bangen. Sieben um einen Konferenztisch gruppierte und mit Dokumentarfilmmaterial gefütterte Monitore spielen in dieser performativen Video-Installation die Hauptrollen: Filme als Protagonisten. Das 18. Internationale Figurentheaterfestival macht’s möglich.