Die sind um 12 Uhr gekommen, die Ausländerbehörde, es waren ungefähr ca. 20 Polizisten, bewaffnet, ich habe gedacht, irgendwas ist mit meinen Eltern passiert, Unfall oder irgendwas. Dann haben die nach meinem Bruder gefragt, dann haben die ihn festgenommen und abgeschoben, weil er volljährig war. Er war ein sehr guter Schüler, er hat innerhalb von zwei Jahren Realschulabschluss gemacht. Und war auf einem Wirtschaftsgymnasium, nur weil er volljährig war und nun droht ihnen auch Abschiebung.
Marija floh mit ihren Eltern vor sechs Jahren aus dem Kosovo, als dort der Bürgerkrieg tobte. Eine Tante wurde umgebracht, ihr Bruder schwer verletzt. Jetzt sollen ihre Eltern abgeschoben werden - Marija, darf einstweilen bleiben, weil sie ihre Schulausbildung noch nicht beendet hat. Die junge Frau hat alles versucht, um die Familie in Deutschland zusammen zu halten. Sie hat in der Schule über 500 Unterschriften für deren Verbleib gesammelt und sich an den Petitionsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft gewandt – vergeblich.
Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendwo in Deutschland eine Flüchtlingsfamilie getrennt wird, in dem nicht ein Vater, eine Mutter oder die Kinder abgeschoben werden, je nach Aktenlage. Nicht selten trifft es Menschen, die schon lange in Deutschland leben und ihre vermeintliche Heimat kaum kennen.
In Deutschland leben 218.000 Flüchtlinge, die nur – wie dies im Amtsdeutsch heißt - geduldet sind. Diese Menschen haben weder Asyl- noch sonst ein Bleiberecht, können aber nicht abgeschoben werden. Sie sind krank, ihr früheres Heimatland stellt ihnen keine Einreisepapiere aus oder sie sollen in Deutschland ihre Ausbildung noch beenden dürfen. Die größte Gruppe stammt mit 83.000 Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien.
Viele dieser Flüchtlinge sind durch den Bürgerkrieg traumatisiert. Adam Hehn, ein praktischer Arzt, der selbst aus dem Norden des ehemaligen Jugoslawiens stammt, betreut seit langem Kosovo-Albaner:
Sie haben oft sehr Schlimmes erlebt. Es dauert sehr lange, bevor die Leute in ihrer Abwehr zusammen brechen und sehen, da hilft keine Tablette mehr und man kann nicht mehr medikamentös die Symptomatik unterdrücken. Sie brauchen also etwa bei einer Vergewaltigung eine ganze Weile, bis sie darüber reden und dann sagen sie, Herr Doktor, gerade bei den Muslimen ist das ganz wichtig, wenn das mein Mann erfährt, dann bringt er mich um oder ich muss mich selber umbringen.
Norbert Smekal, Pressesprecher der Ausländerbehörde in Hamburg, weiß um die Problematik, wenn diese Menschen dorthin zurück müssen, wo sie Schlimmes erlebt haben. Dennoch habe seine Behörde die Abschiebungen zu vollziehen. Und wenn nicht die gesamte Familie ausgewiesen werden könne, dann zumindest Teile:
Leider ist es eben so, die Leute sind ausreisepflichtig aufgrund eines abgelehnten Asylverfahrens oder weil sie als Bürgerkriegsflüchtlinge hier nicht mehr länger bleiben dürfen und wir haben da also keinen Ermessens- und Beurteilungsspielraum, zu sagen, die Leute dürfen hier bleiben. Das ist die Crux bei der ganzen Geschichte. Wir haben Familien aus dem ehemaligen Jugoslawien, von denen man sagen kann, die sind integriert, da gibt es überhaupt kein Probleme, trotzdem müssen wir denen sagen, ihr müsst nach Hause fahren.
Flüchtlingsorganisationen, Kirchen sowie ein wachsender Teil der Öffentlichkeit sehen diese Politik kritisch. Familien zu trennen, das widerspreche allen humanitären Überlegungen, so Fanny Dethloff, Flüchtlingsbeauftragte der Nordelbischen Kirche:
Damit wird Druck gemacht. Man schiebt dann den Vater ab, und die Mutter geht dann irgendwann, völlig psychisch am Ende, mit den Kindern hoffentlich hinterher. Wir erleben aber auch zunehmend, dass Familien zerbrochen zurück bleiben. Das heißt, das Männer sich nicht mehr melden, dass Familienväter ganz verschwinden. Und das man hier die Mütter, die dann nie arbeiten können mit Kindern, die unter dem Verlust des Vaters auch leiden, zurückbleiben und das, finde ich, gehört sich für einen demokratischen Staat eigentlich nicht.
In der Öffentlichkeit herrsche das Bild vor, alle armen Menschen der Welt würden am liebsten nach Deutschland kommen und nie wieder gehen, wenn man sie nicht dazu zwinge. Mit der Wirklichkeit habe das wenig zu tun. So hielten sich 1996 fast 350.000 Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina in Deutschland auf, heute sind es nur noch knapp 20.000. Die allermeisten gingen von selbst zurück.
Es wird immer Menschen geben, die alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um in Deutschland zu bleiben. Ihre Biographien sind höchst unterschiedlich. Allein für die Kosovo-Albaner wurden von 1999 bis jetzt die Verordnungen, Erlasse und Gesetze 26mal geändert. Da wird deutlich, wie vieles von Zufällen, von einzelnen Gerichtsurteilen, von etwaigen Regierungswechseln und politischen Großwetterlagen abhängt.
Die Frage ist nun: Wie lange kann eine Gesellschaft diese Menschen in Ungewissheit und einem Zustand weitgehender Rechtlosigkeit belassen, einem Zustand, in dem die Personen nicht arbeiten und ihren Wohnort verlassen dürfen und mit sofortiger Abschiebung rechnen müssen. Keinesfalls länger als fünf Jahre, sagen Kirchen und Flüchtlingsorganisationen. So fordert Pro Asyl ein Bleiberecht für etwa 150.000 bislang geduldete, aber bereits lange in Deutschland lebende Ausländer. Bei etwa 10 Millionen Bürgern mit Migrationshintergrund sei dies keine allzu große Zahl.
Doch Abschiebungen sind längst ein Politikum. Innenbehörden vermelden gern steigende Zahlen als Ausweis ihrer Tüchtigkeit. Dazu passt, dass, weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit, in Deutschland derzeit 12.000 Verfahren laufen, in denen das bereits gewährte Asyl sogar widerrufen werden soll.
In ihrem Eifer lassen sich die Behörden nicht gerne bremsen. So hat die Hamburger Ausländerbehörde den Allgemeinmediziner Adam Hehn verklagt. Hehn soll seine Patienten zu Unrecht krank geschrieben haben, damit diese nicht abgeschoben werden könnten:
Und da hatte ich im letzten Jahr eine Anklage in sechs Fällen: Ich sollte in sechs Fällen ein falsches Attest ausgestellt haben. Alle diese Patienten wurden später von anderen Ärzten begutachtet und die haben meine Meinung, was ich geschrieben habe im Attest, voll und ganz bestätigt. Ich wurde dann auf Vorschlag der Staatsanwältin nach einer zweistündigen Verhandlung freigesprochen, aber das ist natürlich eine Belastung, eine Störung. Andere Ärzte hatten solche verfahren auch und ich sehe an den Kolleginnen und den Kollegen, wie sehr sie dass einschüchtert. Es gibt ja Ärzte, die kompetent wären, die sagen, solche Leute kann ich nicht mehr aufnehmen, da stehe ich immer mit einem Fuß in irgendeinem Strafverfahren.
Im Arbeitszimmer von Anne Harms in Hamburg-Altona stapeln sich die Akten. Bei "Fluchtpunkt", einer von der evangelischen Kirche getragenen Beratungsstelle für Flüchtlinge, sammeln sich die Mappen mit unerledigten Verfahren. Bei den meisten der Fälle von Anne Harms handele es sich hier um Menschen, die gut in Deutschland integriert seien. So beispielsweise jene türkische Familie, die bereits seit 18 Jahren hier lebe, deren Kinder bereits in Hamburg aufgewachsen und verheiratet seien und selbst längst Nachwuchs hätten:
Der Vater nämlich hat ein Friseurgeschäft, in dem er zwei Angestellte beschäftigt. Das heißt, seit vielen Jahren lebt diese Familie unabhängig von Sozialleistungen, zahlt im Gegenteil Steuern und Sozialabgaben und wird weiterhin geduldet und die Behörde ist weiterhin bemüht, diese Familie abzuschieben.
Fälle wie diese haben die so genannte Süssmuth-Kommission im Jahre 2000 dazu bewegt, in ihrem Entwurf für ein modernes Zuwanderungsgesetz eine so genannte Altfallregelung vorzusehen, wie sie etwa in Norwegen, Österreich und Spanien existiert. Danach darf endgültig bleiben, wer mindestens fünf Jahre in Deutschland lebt. Eine solche Regelung sei nicht nur human, sondern entlaste den Staat und seine Behörden. Doch in Deutschland ist eine solche Idee bislang nicht mehrheitsfähig. Uwe Schünemann, Innenminister von Niedersachsen:
Eine Altfallregelung ist immer ungerecht und kommt für mich insofern auch nicht in Frage.
Was aber ist gerecht? Diese Frage stellt sich demnächst wieder bei einer Gruppe von Menschen, mit deren Abschiebung bald begonnen werden soll: Den Afghanen. Viele Afghanen flohen während des Bürgerkriegs nach Deutschland - einige schon vor zwanzig Jahren. Es sind überwiegend Menschen der Ober- und Mittelschicht, die sich eine solche Flucht überhaupt leisten konnten. Der Hamburger Anwalt Hartmut Jacobi vertritt einige von ihnen:
Ich habe das immer so formuliert und kann es auch heute so formulieren, dass an den afghanischen Flüchtlingen das gesamte deutsche Ausländer- und flüchtlingsrecht rauf und runter exekutiert worden ist. Es gibt nichts, was wir im Flüchtlingsrecht haben, was nicht an den Afghanen erst mal ausprobiert worden ist und worunter die gelitten haben. Das geht ja jetzt bei genauerer Betrachtung seit 1979, wenn man so will.
Das Ergebnis: in Deutschland, so Jacobi weiter, gäbe es afghanische Familien, in denen einige Angehörige die deutsche Staatsangehörigkeit besäßen, während andere Familienmitglieder nur geduldet würden und mit Ausweisung rechnen müssten:
Einfach rein von Zufälligkeiten abhängend, an welchem Verwaltungsgericht sie gelandet sind, von welchem Bundesamt sie angehört worden sind, welcher Entscheider am Bundesamt gearbeitet hat, schnell oder langsam oder in welcher Form auch immer. Dann ob weitere Folgeanträge gestellt worden sind im Rahmen der Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht irgendwann mal gesagt hat, zur Taliban-Zeit habt ihr die afghanischen Asylanträge alle falsch behandelt. Dann hat es eine große Serie von Folgeanträgen gegeben und zum großen Teil sind diese Folgeanträge nicht mehr beendet worden, weil dann die amerikanischen Luftangriffe kamen. Andere sind zu Ende behandelt worden, die haben inzwischen Asyl und soweit die nun den Familiennachzug oder die Einbürgerung beantragen, gehen die Behörden wieder her und versuchen die zu widerrufen.
Im Frühjahr sollen die ersten Afghanen abgeschoben werden, vorerst nur nach Kabul - so haben es die Innenminister beschlossen. In welche Stadt kommen sie? In eine Stadt, in der sie derzeit nicht existieren könnten, sagt die aus Afghanistan stammende, 39jährige Politologin Latifa Kühn. Erst vor kurzem war sie mit einer Gruppe von Rechtsanwälten, Wissenschaftlern und Politikern in dem Land, das sie mit vier Jahren verlassen hatte:
Wenn man die Situation vor Ort in Kabul sieht, diese Situation ist erschreckend und keinem Menschen zumutbar. Kabul selbst ist hoffnungslos überlastet und ist zum Sammelsurium der Binnenmigration geworden. Alles tummelt sich in Kabul. Und es laufen Abertausende von Menschen, arme, sehr arme Menschen, weit ab vom Existenzminimum für afghanische Verhältnisse und eine Rückreise dahin hätte fatale Folgen.
Es fehle in Kabul nicht nur an Unterkünften und Arbeit, das Leben dort sei auch gefährlich. So hätte sich kurz vor ihrer Ankunft auf dem Markt einer der vielen Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt und zwei Menschen mit in den Tod gerissen.
Diese Lage hat Flüchtlingsorganisationen, aber auch das Bundesland Schleswig-Holstein dazu bewogen, sich für ein Bleiberecht der Afghanen einzusetzen. Die meisten Innenminister sind dagegen. Uwe Schünemann aus Niedersachsen:
Für uns ist es wichtig, wenn möglich ist, in Teilregionen eine Abschiebung vorzunehmen, wo man sagen kann, da ist die Lage so, dass man es verantworten kann. Wir müssen dann auch ein Signal setzen, dass man rückführen kann.
Pragmatische Überlegungen hätten in Deutschland eben keine Tradition, bedauert der Diplomjurist Dejan Lazic. Er verweist auf gute Erfahrungen im Ausland:
Man sollte von anderen Ländern lernen, die auch Flüchtlinge aufgenommen haben. Zum Beispiel Finnland, die gehen ganz anders damit um. Die haben bosnischen Flüchtlingen beispielsweise die Möglichkeit gegeben, zurückzukehren, in ihr Heimatland, Bosnien-Herzegowina, zwei Jahre lang zu sehen, was dort passiert, können sie wieder dort Fuß fassen. Und wenn es nicht klappt, kommen sie wieder zurück. Und viele haben die Möglichkeit genutzt und haben dann wieder nach dem Krieg eine Zukunft aufbauen können.
In seiner Flüchtlingspolitik sei die Bundesrepublik, so sagen Ökonomen, von einer Rigorosität, die dem Land längst selbst schade. Durch die Abschiebungen verliere Deutschland Menschen, die es eigentlich gut gebrauchen könnte. Das zeige sich immer wieder an Einzelfällen, bestätigt Norbert Scharbach, Referatsleiter im schleswig-holsteinischen Innenministerium. Häufig rufen bei ihm nicht nur empörte Nachbarn und Schulleiter an, sondern auch erboste Arbeitgeber:
....die sagen, jetzt wird mir hier mein bester Mann weggenommen, ich brauche den dringend. Das sind Facharbeiter, das sind beileibe nicht nur Leute, die billig in der Gastronomie arbeiten und womöglich schwarz noch als Tellerwäscher tätig sind, das gibt es natürlich auch, das liegt daran, dass unsere Arbeitsmöglichkeiten so restriktiv gestaltet sind. Aber es gibt genauso häufig die Konstellation, dass ein Arbeitgeber sich meldet und sagt: Ich habe es mehrfach versucht beim Arbeitsamt, da kriege ich nicht, was ich brauche und ich habe hier den verdienten Mitarbeiter x, der hier seit zwei Jahren tätig ist, der ist ganz unverzichtbar für mich und den wollt ihr mir jetzt wegnehmen. Ich würde also sagen, dass wir einmal in der Woche bis hin zu aufgeregten Anrufen der Chefs, die sagen, das kann ja wohl nicht sein und der Verweis des Arbeitsamtes, das muss doch anders zu lösen sein, der verfängt eben nicht, das ist eigentlich die beste Art der Integration und diejenige, die am besten zu dokumentieren ist.
Seit Januar ist das neue Zuwanderungsgesetz in Kraft. Anders als ursprünglich geplant, enthält es für langjährig in Deutschland lebende Bürgerkriegsflüchtlinge kaum Verbesserungen. Künftig sollen diejenigen, die wegen internationaler Konventionen zunächst nicht abgeschoben werden können, eine befristete Aufenthaltserlaubnis erhalten. Bei Personen, die aus anderen Gründen nicht in ihre Heimat abgeschoben werden können, dürfen Behörden künftig eine Aufenthaltserlaubnis ausstellen - etwa wenn die Papiere fehlen oder die ehemalige Heimat sie gar nicht zurück nehmen will.
Künftig können allerdings Härtefalle großzügiger gehandhabt werden. Das neue Zuwanderungsgesetz ermächtigt die Länder, so genannte Härtefallkommissionen einzurichten, die ihre Empfehlungen in den einzelnen Fällen sogar unabhängig von abgelehnten Asylanträgen treffen dürfen.
Niedersachsen etwa, das in Ausländerfragen derzeit konservativste Land, hat sich grundsätzliche gegen eine solche Kommission ausgesprochen. Innenminister Uwe Schünemann:
Eine Härtefallkommission wäre sehr bürokratisch, würde sehr viel Geld verschlingen und insofern haben wir uns überlegt, die schon vorhandenen Möglichkeiten zu nutzen. Es gibt in Niedersachsen wie in allen anderen Bundesländern auch einen Petitionsausschuss und hier ist der richtige Ort, wo man über vermeintliche Härtefalle dann auch zu entscheiden hat.
Im Petitionsausschuss des Niedersächsischen Landtags haben die Regierungsparteien die Mehrheit. Doch auch diesem - ihrem möglichen eigenen Votum - traute man offenbar nicht. Die Entscheidungen des Petitionsausschusses sollten noch von einer Dreiviertel-Mehrheit des Landtags abgesegnet werden. Ein in der deutschen Parlamentsgeschichte einzigartig hohes Quorum. Juristen haben das für verfassungswidrig erklärt.
Nun ist es vom Tisch.
Das Saarland hat als erstes CDU-regiertes Bundesland schon früh eine Härtefallkommission begrüßt. Andere CDU/CSU-regierte Länder, die anfangs vehement dagegen waren, schwanken nun – auch wegen des öffentlichen Drucks. In Hessen soll nun der Petitionsausschuss des Landtages gleichzeitig Härtefallkommission sein, Bremen und Bayern haben sich nicht noch festgelegt.
Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein haben bereits Härtefallkommissionen. Besonders Schleswig-Holstein gilt den Kirchen und Flüchtlingsorganisationen als gutes Modell. Dort agiert die Kommission weitgehend unabhängig von der Regierung. Sechs der acht Mitglieder werden von Kirchen, Wohlfahrts- und Flüchtlingsverbänden entsandt. Die letzte Entscheidung trifft der Innenminister.
Mit einer solchen Konstruktion sei man auch in den letzten Jahren gut gefahren, so Norbert Scharbach vom Kieler Innenministerium. Denn in allen Bundesländen gebe es Fälle, die geradezu nach einer unbürokratischen Einzelfallentscheidung verlangen würden:
Das ist parteiübergreifend. Da ist ein CDU-Landrat genauso in der Bredouille, wenn er sieht, dass da ein ganzes Dorf massiv für eine Familie eintritt und sagt: Das sind Leute, die jetzt seit zwölf Jahren hier leben und die sich jetzt hier völlig integriert haben und die wollt ihr hier rausschmeißen, dann setzen die sich genauso ein für den konkreten Fall, dann hat nämlich plötzlich mal das Ausländergesetz ein Gesicht bekommen.
Durch das neue Zuwanderungsgesetz hat sich der Ermessungsspielraum der Länder erweitert. Sie können bislang geduldeten Menschen eine Aufenthaltsperspektive geben und über großzügige Härtefallregelungen die Ausländerpolitik humaner gestalten. Ob sie davon Gebrauch machen, muss nach dem kleinlichen Gezerre um etwaige Altfallregelungen bezweifelt werden.
Marija floh mit ihren Eltern vor sechs Jahren aus dem Kosovo, als dort der Bürgerkrieg tobte. Eine Tante wurde umgebracht, ihr Bruder schwer verletzt. Jetzt sollen ihre Eltern abgeschoben werden - Marija, darf einstweilen bleiben, weil sie ihre Schulausbildung noch nicht beendet hat. Die junge Frau hat alles versucht, um die Familie in Deutschland zusammen zu halten. Sie hat in der Schule über 500 Unterschriften für deren Verbleib gesammelt und sich an den Petitionsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft gewandt – vergeblich.
Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendwo in Deutschland eine Flüchtlingsfamilie getrennt wird, in dem nicht ein Vater, eine Mutter oder die Kinder abgeschoben werden, je nach Aktenlage. Nicht selten trifft es Menschen, die schon lange in Deutschland leben und ihre vermeintliche Heimat kaum kennen.
In Deutschland leben 218.000 Flüchtlinge, die nur – wie dies im Amtsdeutsch heißt - geduldet sind. Diese Menschen haben weder Asyl- noch sonst ein Bleiberecht, können aber nicht abgeschoben werden. Sie sind krank, ihr früheres Heimatland stellt ihnen keine Einreisepapiere aus oder sie sollen in Deutschland ihre Ausbildung noch beenden dürfen. Die größte Gruppe stammt mit 83.000 Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien.
Viele dieser Flüchtlinge sind durch den Bürgerkrieg traumatisiert. Adam Hehn, ein praktischer Arzt, der selbst aus dem Norden des ehemaligen Jugoslawiens stammt, betreut seit langem Kosovo-Albaner:
Sie haben oft sehr Schlimmes erlebt. Es dauert sehr lange, bevor die Leute in ihrer Abwehr zusammen brechen und sehen, da hilft keine Tablette mehr und man kann nicht mehr medikamentös die Symptomatik unterdrücken. Sie brauchen also etwa bei einer Vergewaltigung eine ganze Weile, bis sie darüber reden und dann sagen sie, Herr Doktor, gerade bei den Muslimen ist das ganz wichtig, wenn das mein Mann erfährt, dann bringt er mich um oder ich muss mich selber umbringen.
Norbert Smekal, Pressesprecher der Ausländerbehörde in Hamburg, weiß um die Problematik, wenn diese Menschen dorthin zurück müssen, wo sie Schlimmes erlebt haben. Dennoch habe seine Behörde die Abschiebungen zu vollziehen. Und wenn nicht die gesamte Familie ausgewiesen werden könne, dann zumindest Teile:
Leider ist es eben so, die Leute sind ausreisepflichtig aufgrund eines abgelehnten Asylverfahrens oder weil sie als Bürgerkriegsflüchtlinge hier nicht mehr länger bleiben dürfen und wir haben da also keinen Ermessens- und Beurteilungsspielraum, zu sagen, die Leute dürfen hier bleiben. Das ist die Crux bei der ganzen Geschichte. Wir haben Familien aus dem ehemaligen Jugoslawien, von denen man sagen kann, die sind integriert, da gibt es überhaupt kein Probleme, trotzdem müssen wir denen sagen, ihr müsst nach Hause fahren.
Flüchtlingsorganisationen, Kirchen sowie ein wachsender Teil der Öffentlichkeit sehen diese Politik kritisch. Familien zu trennen, das widerspreche allen humanitären Überlegungen, so Fanny Dethloff, Flüchtlingsbeauftragte der Nordelbischen Kirche:
Damit wird Druck gemacht. Man schiebt dann den Vater ab, und die Mutter geht dann irgendwann, völlig psychisch am Ende, mit den Kindern hoffentlich hinterher. Wir erleben aber auch zunehmend, dass Familien zerbrochen zurück bleiben. Das heißt, das Männer sich nicht mehr melden, dass Familienväter ganz verschwinden. Und das man hier die Mütter, die dann nie arbeiten können mit Kindern, die unter dem Verlust des Vaters auch leiden, zurückbleiben und das, finde ich, gehört sich für einen demokratischen Staat eigentlich nicht.
In der Öffentlichkeit herrsche das Bild vor, alle armen Menschen der Welt würden am liebsten nach Deutschland kommen und nie wieder gehen, wenn man sie nicht dazu zwinge. Mit der Wirklichkeit habe das wenig zu tun. So hielten sich 1996 fast 350.000 Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina in Deutschland auf, heute sind es nur noch knapp 20.000. Die allermeisten gingen von selbst zurück.
Es wird immer Menschen geben, die alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um in Deutschland zu bleiben. Ihre Biographien sind höchst unterschiedlich. Allein für die Kosovo-Albaner wurden von 1999 bis jetzt die Verordnungen, Erlasse und Gesetze 26mal geändert. Da wird deutlich, wie vieles von Zufällen, von einzelnen Gerichtsurteilen, von etwaigen Regierungswechseln und politischen Großwetterlagen abhängt.
Die Frage ist nun: Wie lange kann eine Gesellschaft diese Menschen in Ungewissheit und einem Zustand weitgehender Rechtlosigkeit belassen, einem Zustand, in dem die Personen nicht arbeiten und ihren Wohnort verlassen dürfen und mit sofortiger Abschiebung rechnen müssen. Keinesfalls länger als fünf Jahre, sagen Kirchen und Flüchtlingsorganisationen. So fordert Pro Asyl ein Bleiberecht für etwa 150.000 bislang geduldete, aber bereits lange in Deutschland lebende Ausländer. Bei etwa 10 Millionen Bürgern mit Migrationshintergrund sei dies keine allzu große Zahl.
Doch Abschiebungen sind längst ein Politikum. Innenbehörden vermelden gern steigende Zahlen als Ausweis ihrer Tüchtigkeit. Dazu passt, dass, weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit, in Deutschland derzeit 12.000 Verfahren laufen, in denen das bereits gewährte Asyl sogar widerrufen werden soll.
In ihrem Eifer lassen sich die Behörden nicht gerne bremsen. So hat die Hamburger Ausländerbehörde den Allgemeinmediziner Adam Hehn verklagt. Hehn soll seine Patienten zu Unrecht krank geschrieben haben, damit diese nicht abgeschoben werden könnten:
Und da hatte ich im letzten Jahr eine Anklage in sechs Fällen: Ich sollte in sechs Fällen ein falsches Attest ausgestellt haben. Alle diese Patienten wurden später von anderen Ärzten begutachtet und die haben meine Meinung, was ich geschrieben habe im Attest, voll und ganz bestätigt. Ich wurde dann auf Vorschlag der Staatsanwältin nach einer zweistündigen Verhandlung freigesprochen, aber das ist natürlich eine Belastung, eine Störung. Andere Ärzte hatten solche verfahren auch und ich sehe an den Kolleginnen und den Kollegen, wie sehr sie dass einschüchtert. Es gibt ja Ärzte, die kompetent wären, die sagen, solche Leute kann ich nicht mehr aufnehmen, da stehe ich immer mit einem Fuß in irgendeinem Strafverfahren.
Im Arbeitszimmer von Anne Harms in Hamburg-Altona stapeln sich die Akten. Bei "Fluchtpunkt", einer von der evangelischen Kirche getragenen Beratungsstelle für Flüchtlinge, sammeln sich die Mappen mit unerledigten Verfahren. Bei den meisten der Fälle von Anne Harms handele es sich hier um Menschen, die gut in Deutschland integriert seien. So beispielsweise jene türkische Familie, die bereits seit 18 Jahren hier lebe, deren Kinder bereits in Hamburg aufgewachsen und verheiratet seien und selbst längst Nachwuchs hätten:
Der Vater nämlich hat ein Friseurgeschäft, in dem er zwei Angestellte beschäftigt. Das heißt, seit vielen Jahren lebt diese Familie unabhängig von Sozialleistungen, zahlt im Gegenteil Steuern und Sozialabgaben und wird weiterhin geduldet und die Behörde ist weiterhin bemüht, diese Familie abzuschieben.
Fälle wie diese haben die so genannte Süssmuth-Kommission im Jahre 2000 dazu bewegt, in ihrem Entwurf für ein modernes Zuwanderungsgesetz eine so genannte Altfallregelung vorzusehen, wie sie etwa in Norwegen, Österreich und Spanien existiert. Danach darf endgültig bleiben, wer mindestens fünf Jahre in Deutschland lebt. Eine solche Regelung sei nicht nur human, sondern entlaste den Staat und seine Behörden. Doch in Deutschland ist eine solche Idee bislang nicht mehrheitsfähig. Uwe Schünemann, Innenminister von Niedersachsen:
Eine Altfallregelung ist immer ungerecht und kommt für mich insofern auch nicht in Frage.
Was aber ist gerecht? Diese Frage stellt sich demnächst wieder bei einer Gruppe von Menschen, mit deren Abschiebung bald begonnen werden soll: Den Afghanen. Viele Afghanen flohen während des Bürgerkriegs nach Deutschland - einige schon vor zwanzig Jahren. Es sind überwiegend Menschen der Ober- und Mittelschicht, die sich eine solche Flucht überhaupt leisten konnten. Der Hamburger Anwalt Hartmut Jacobi vertritt einige von ihnen:
Ich habe das immer so formuliert und kann es auch heute so formulieren, dass an den afghanischen Flüchtlingen das gesamte deutsche Ausländer- und flüchtlingsrecht rauf und runter exekutiert worden ist. Es gibt nichts, was wir im Flüchtlingsrecht haben, was nicht an den Afghanen erst mal ausprobiert worden ist und worunter die gelitten haben. Das geht ja jetzt bei genauerer Betrachtung seit 1979, wenn man so will.
Das Ergebnis: in Deutschland, so Jacobi weiter, gäbe es afghanische Familien, in denen einige Angehörige die deutsche Staatsangehörigkeit besäßen, während andere Familienmitglieder nur geduldet würden und mit Ausweisung rechnen müssten:
Einfach rein von Zufälligkeiten abhängend, an welchem Verwaltungsgericht sie gelandet sind, von welchem Bundesamt sie angehört worden sind, welcher Entscheider am Bundesamt gearbeitet hat, schnell oder langsam oder in welcher Form auch immer. Dann ob weitere Folgeanträge gestellt worden sind im Rahmen der Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht irgendwann mal gesagt hat, zur Taliban-Zeit habt ihr die afghanischen Asylanträge alle falsch behandelt. Dann hat es eine große Serie von Folgeanträgen gegeben und zum großen Teil sind diese Folgeanträge nicht mehr beendet worden, weil dann die amerikanischen Luftangriffe kamen. Andere sind zu Ende behandelt worden, die haben inzwischen Asyl und soweit die nun den Familiennachzug oder die Einbürgerung beantragen, gehen die Behörden wieder her und versuchen die zu widerrufen.
Im Frühjahr sollen die ersten Afghanen abgeschoben werden, vorerst nur nach Kabul - so haben es die Innenminister beschlossen. In welche Stadt kommen sie? In eine Stadt, in der sie derzeit nicht existieren könnten, sagt die aus Afghanistan stammende, 39jährige Politologin Latifa Kühn. Erst vor kurzem war sie mit einer Gruppe von Rechtsanwälten, Wissenschaftlern und Politikern in dem Land, das sie mit vier Jahren verlassen hatte:
Wenn man die Situation vor Ort in Kabul sieht, diese Situation ist erschreckend und keinem Menschen zumutbar. Kabul selbst ist hoffnungslos überlastet und ist zum Sammelsurium der Binnenmigration geworden. Alles tummelt sich in Kabul. Und es laufen Abertausende von Menschen, arme, sehr arme Menschen, weit ab vom Existenzminimum für afghanische Verhältnisse und eine Rückreise dahin hätte fatale Folgen.
Es fehle in Kabul nicht nur an Unterkünften und Arbeit, das Leben dort sei auch gefährlich. So hätte sich kurz vor ihrer Ankunft auf dem Markt einer der vielen Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt und zwei Menschen mit in den Tod gerissen.
Diese Lage hat Flüchtlingsorganisationen, aber auch das Bundesland Schleswig-Holstein dazu bewogen, sich für ein Bleiberecht der Afghanen einzusetzen. Die meisten Innenminister sind dagegen. Uwe Schünemann aus Niedersachsen:
Für uns ist es wichtig, wenn möglich ist, in Teilregionen eine Abschiebung vorzunehmen, wo man sagen kann, da ist die Lage so, dass man es verantworten kann. Wir müssen dann auch ein Signal setzen, dass man rückführen kann.
Pragmatische Überlegungen hätten in Deutschland eben keine Tradition, bedauert der Diplomjurist Dejan Lazic. Er verweist auf gute Erfahrungen im Ausland:
Man sollte von anderen Ländern lernen, die auch Flüchtlinge aufgenommen haben. Zum Beispiel Finnland, die gehen ganz anders damit um. Die haben bosnischen Flüchtlingen beispielsweise die Möglichkeit gegeben, zurückzukehren, in ihr Heimatland, Bosnien-Herzegowina, zwei Jahre lang zu sehen, was dort passiert, können sie wieder dort Fuß fassen. Und wenn es nicht klappt, kommen sie wieder zurück. Und viele haben die Möglichkeit genutzt und haben dann wieder nach dem Krieg eine Zukunft aufbauen können.
In seiner Flüchtlingspolitik sei die Bundesrepublik, so sagen Ökonomen, von einer Rigorosität, die dem Land längst selbst schade. Durch die Abschiebungen verliere Deutschland Menschen, die es eigentlich gut gebrauchen könnte. Das zeige sich immer wieder an Einzelfällen, bestätigt Norbert Scharbach, Referatsleiter im schleswig-holsteinischen Innenministerium. Häufig rufen bei ihm nicht nur empörte Nachbarn und Schulleiter an, sondern auch erboste Arbeitgeber:
....die sagen, jetzt wird mir hier mein bester Mann weggenommen, ich brauche den dringend. Das sind Facharbeiter, das sind beileibe nicht nur Leute, die billig in der Gastronomie arbeiten und womöglich schwarz noch als Tellerwäscher tätig sind, das gibt es natürlich auch, das liegt daran, dass unsere Arbeitsmöglichkeiten so restriktiv gestaltet sind. Aber es gibt genauso häufig die Konstellation, dass ein Arbeitgeber sich meldet und sagt: Ich habe es mehrfach versucht beim Arbeitsamt, da kriege ich nicht, was ich brauche und ich habe hier den verdienten Mitarbeiter x, der hier seit zwei Jahren tätig ist, der ist ganz unverzichtbar für mich und den wollt ihr mir jetzt wegnehmen. Ich würde also sagen, dass wir einmal in der Woche bis hin zu aufgeregten Anrufen der Chefs, die sagen, das kann ja wohl nicht sein und der Verweis des Arbeitsamtes, das muss doch anders zu lösen sein, der verfängt eben nicht, das ist eigentlich die beste Art der Integration und diejenige, die am besten zu dokumentieren ist.
Seit Januar ist das neue Zuwanderungsgesetz in Kraft. Anders als ursprünglich geplant, enthält es für langjährig in Deutschland lebende Bürgerkriegsflüchtlinge kaum Verbesserungen. Künftig sollen diejenigen, die wegen internationaler Konventionen zunächst nicht abgeschoben werden können, eine befristete Aufenthaltserlaubnis erhalten. Bei Personen, die aus anderen Gründen nicht in ihre Heimat abgeschoben werden können, dürfen Behörden künftig eine Aufenthaltserlaubnis ausstellen - etwa wenn die Papiere fehlen oder die ehemalige Heimat sie gar nicht zurück nehmen will.
Künftig können allerdings Härtefalle großzügiger gehandhabt werden. Das neue Zuwanderungsgesetz ermächtigt die Länder, so genannte Härtefallkommissionen einzurichten, die ihre Empfehlungen in den einzelnen Fällen sogar unabhängig von abgelehnten Asylanträgen treffen dürfen.
Niedersachsen etwa, das in Ausländerfragen derzeit konservativste Land, hat sich grundsätzliche gegen eine solche Kommission ausgesprochen. Innenminister Uwe Schünemann:
Eine Härtefallkommission wäre sehr bürokratisch, würde sehr viel Geld verschlingen und insofern haben wir uns überlegt, die schon vorhandenen Möglichkeiten zu nutzen. Es gibt in Niedersachsen wie in allen anderen Bundesländern auch einen Petitionsausschuss und hier ist der richtige Ort, wo man über vermeintliche Härtefalle dann auch zu entscheiden hat.
Im Petitionsausschuss des Niedersächsischen Landtags haben die Regierungsparteien die Mehrheit. Doch auch diesem - ihrem möglichen eigenen Votum - traute man offenbar nicht. Die Entscheidungen des Petitionsausschusses sollten noch von einer Dreiviertel-Mehrheit des Landtags abgesegnet werden. Ein in der deutschen Parlamentsgeschichte einzigartig hohes Quorum. Juristen haben das für verfassungswidrig erklärt.
Nun ist es vom Tisch.
Das Saarland hat als erstes CDU-regiertes Bundesland schon früh eine Härtefallkommission begrüßt. Andere CDU/CSU-regierte Länder, die anfangs vehement dagegen waren, schwanken nun – auch wegen des öffentlichen Drucks. In Hessen soll nun der Petitionsausschuss des Landtages gleichzeitig Härtefallkommission sein, Bremen und Bayern haben sich nicht noch festgelegt.
Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein haben bereits Härtefallkommissionen. Besonders Schleswig-Holstein gilt den Kirchen und Flüchtlingsorganisationen als gutes Modell. Dort agiert die Kommission weitgehend unabhängig von der Regierung. Sechs der acht Mitglieder werden von Kirchen, Wohlfahrts- und Flüchtlingsverbänden entsandt. Die letzte Entscheidung trifft der Innenminister.
Mit einer solchen Konstruktion sei man auch in den letzten Jahren gut gefahren, so Norbert Scharbach vom Kieler Innenministerium. Denn in allen Bundesländen gebe es Fälle, die geradezu nach einer unbürokratischen Einzelfallentscheidung verlangen würden:
Das ist parteiübergreifend. Da ist ein CDU-Landrat genauso in der Bredouille, wenn er sieht, dass da ein ganzes Dorf massiv für eine Familie eintritt und sagt: Das sind Leute, die jetzt seit zwölf Jahren hier leben und die sich jetzt hier völlig integriert haben und die wollt ihr hier rausschmeißen, dann setzen die sich genauso ein für den konkreten Fall, dann hat nämlich plötzlich mal das Ausländergesetz ein Gesicht bekommen.
Durch das neue Zuwanderungsgesetz hat sich der Ermessungsspielraum der Länder erweitert. Sie können bislang geduldeten Menschen eine Aufenthaltsperspektive geben und über großzügige Härtefallregelungen die Ausländerpolitik humaner gestalten. Ob sie davon Gebrauch machen, muss nach dem kleinlichen Gezerre um etwaige Altfallregelungen bezweifelt werden.