Dienstag, 23. April 2024

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Krawalle bei der Fußball-EM
"Präventiv ist zu wenig passiert"

Eine Schnellmaßnahme wie die Verwarnung von Russland und England nach den Krawallen von Marseille sei man von der UEFA eigentlich nicht gewöhnt, sagte ARD-Reporter Thomas Kunze im DLF - weitere Strafen könnten folgen. Die UEFA müsse angesichts der Krawalle im Stadion aber auch vor der eigenen Haustür kehren.

Thomas Kunze im Gespräch mit Astrid Rawohl | 12.06.2016
    Ordner in leuchtgelben Warnwesten versuchen, die Hooligans von der Tribüne herunterzusteuern.
    Russische Hooligans haben beim Spiel zwischen Russland und England am 1.6.2016 in Marseille (Frankreich) eine Tribüne mit englischen und anderen Fans gestürmt. (Nicolas Vallauri / dpa)
    Die Partie England gegen Rusland markierte durch Ausschreitungen den ersten Tiefpunkt am Auftaktwochenende der EM. Schon im Vorfeld hatte es in Marseille Randale in der Stadt und am Hafen gegeben, nach dem Abpfiff eskalierte die Situation auch im Stadion. Russische Zuschauer waren auf in benachbarten Blöcken sitzende englische Fans losgegangen und hatten diese attackiert.
    Dass Pyrotechnik ins Stadion geschmuggelt werden konnte und hundert russische Hooligans in den englischen Fanblock hineingelaufen sind, hätte "niemals passieren dürfen", sagte ARD-Reporter Thomas Kunze. Als Konsequenz sei bereits im Sicherheitskonzept nachjustiert worden. Polizei sei nun im Stadion anwesend, die Zahl der offiziellen Sicherheitskräfte um weitere 1.500 erhöht worden. Bei der UEFA sei man sich aber einig: "so richtig topvorbereitet war man nicht", so Kunze.
    Weitere Strafen gegen England und Russland möglich
    England und Russland sind nun verwarnt, sollte es weiter Ausschreitungen unter Beteiligung der beiden Mannschaften geben, droht ihnen der Turnierausschluss. Das sei "drastisch", die UEFA denke aber über weitere Konsequenzen nach, die sie Dienstag veröffentlichen wolle. Möglich seien Geldstrafen und ein Ausschluss der Fans.
    Dass Videodaten vom Nachmittag am Abend noch nicht analysiert gewesen seien und die identifizierten Hooligans trotzdem im Stadion waren, sei nachvollziehbar: "Die Videoanalyse von mehreren tausend Leuten ist so schnell nicht möglich", so Kunze.
    Hooligans aus Deutschland aufgehalten
    Präventiv sei hingegen zu wenig passiert. Da könne man sich ein Beispiel an Deutschland nehmen. Heute seien in Trier an der Grenze zu Frankreich zwei Kleintransporter mit Hooligans aus Sachsen festgesetzt worden. Man habe ihnen die Pässe weggenommen, sodass sie nicht weiterfahren konnten. "Andere hätten das auch machen sollen", so Kunze.
    Dass die UEFA Bilder von Krawallen und Flitzern nicht zeigen, begründe sie damit, dass Trittbrettfahrer nicht auf die gleiche Idee gebracht werden sollten, sich daran zu berauschen und dann ähnliches zu planen. Das sei ein "Grund, den die UEFA zurecht anführt". Allerdings gebe es auch noch einen anderen: Das Image zu wahren, die glänzende Welt und Schaden vom Business abzuwenden.
    Kritik aus Russland
    Der russische Sportminister Mutko, der in Marseille anwesend war, habe angemahnt, dass das Sicherheitskonzept nicht funktioniert hat, sonst wären die Fans nicht aufeinandergeprallt, so seine Argumentation - obwohl es doch russische Hooligans waren, die das Problem erst mit ausgelöst hatten. Die WM 2018 werde solche Probleme nicht erleben, hatte Mutko gesagt.
    Dort seien Sicherheitsmaßnahmen angesichts der politischen Situation viel konsequenter und restriktiver, sagte Kunze. In Sotschi habe es nicht solch ein Bild wie in Marseille gegeben. "Aber in der Schweiz und in Österreich auch nicht", gab Kunze zu bedenken.