Sonntag, 19. Mai 2024

Archiv

Leichtathletik
Russisches Tiefstapeln

Nach der Hälfte der Wettbewerbe bei der Leichtathletik-WM haben die russischen Sportler erst eine Medaille gewonnen. Acht bis zehn waren das Ziel. Jetzt stapeln Verband und Politik tiefer.

Von Thorsten Jabs | 27.08.2015
    Läufer Denis Kudryavtsev bei der Siegerehrung
    Denis Kudryavtsev holte Silber über 400 Meter Hürden - die bislang einzige Medaille für das russische Team (picture alliance/dpa/Anton Denisov)
    Acht bis zehn Medaillen, davon zwei bis drei Mal Gold – dieses hoch gesteckte Ziel hatte der Cheftrainer des russischen Leichtathletik-Teams, der Olympiasieger von 2004 über 800 Meter, Juri Borsakovski, vor der WM ausgegeben. Nach bisher einmal Silber über 400-Meter Hürden für Denis Kudryavtsev spricht Borsakovski von einer schwierigen Stimmung im Team. Es stehe unter einem enormen psychischen Druck, auch wegen der Doping-Skandale. Außerdem sei es sehr jung, weil viele Anführer wie die Stabhochspringerin Yelena Isinbajewa nicht dabei seien.
    Russlands Sportminister Vitali Mutko springt ihm öffentlich zur Seite. Es sei zu früh, um die Leistungen des Teams zu bewerten, erklärte er gestern dem Sender Sport FM. Wichtig sei vor allem die nächste Saison, seien die Olympischen Spiele in Rio de Janeiero. Er rate den Fans und Experten, sich zu beruhigen und von negativen Kommentaren abzusehen. Russland brauche ein neues Team. Man müsse die Doping Skandale überwinden. Doch das ginge andere Ländern ähnlich. Mutko stapelt tief und hält inzwischen zwei oder drei Medaillen für ein gutes Ergebnis.
    Zur Erinnerung: Bei der WM 2013 in Moskau gewann das russische Nationalteam insgesamt 17 Medaillen – sieben Mal Gold, vier Mal Silber und sechs Mal Bronze – Platz eins in der Gesamtwertung. Doch zum einen hatten die Athleten Heimvorteil im Luschniki-Stadion, der deutlich zu spüren war.
    Und andererseits haben die Dopingskandale die russische Leichtathletik in diesem Jahr grundlegend umgewälzt. Zahlreiche Top-Athleten wurden wegen Doping gesperrt, der Cheftrainer und der Verbandschef traten zurück. Nach zwei Monaten als Interims-Cheftrainer übernahm Borsakovski im April offiziell die Verantwortung. Und auch wenn noch einige Medaillenhoffnungen in Peking antreten – seine Amtszeit dürfte mit einem Absturz der russischen Leichtathletik erst richtig beginnen.