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"Letzte Chance, die Black Boxes zu finden"

Meeresforschung. - Am 1.Juni vergangenen Jahres stürzte ein Airbus der Air France über dem Südatlantik in den Ozean. Alle Passagiere und Besatzungsmitglieder starben. Am Freitag startet die vermutlich letzte Suchaktion, mit gleich drei Tauchrobotern aus den USA und aus Deutschland. Sie sollen vor allem den Flugschreiber der Maschine finden.

Von Jens Wellhöner | 11.03.2010
    Ein schweres Gewitter tobte am 1. Juni 2009 mitten auf der Reiseroute von Air France-Flug 447. Die Maschine von Rio de Janeiro nach Paris geriet wahrscheinlich in schwere Turbulenzen, bevor sie von den Radarschirmen verschwand. Alle 228 Menschen an Bord fanden den Tod. Seitdem liegt die Antwort auf die Frage nach der genauen Absturzursache in über 3000 Metern Wassertiefe. Besonders wichtig wäre es, den Flugschreiber zu finden. Auf ihm sind nämlich alle Gespräche im Cockpit der Unglücksmaschine aufgezeichnet. Sie könnten die Frage nach der Absturzursache klären. Der Kieler Meeresgeologe Colin Devey und sein Forscherteam wollen vor allem eins:

    "Licht ins Dunkel bringen, dieses Kapitel zum Abschluss bringen. Das wäre etwas sehr schönes für alle von uns."

    Und zwar für die Wissenschaftler, die Angehörigen der Opfer und für Airbus Industries. Die ungeklärte Absturzursache hat das Vertrauen in die Sicherheit des Langstreckenflugzeugs Airbus A 300 nämlich erschüttert. Trümmerstücke der Unglücksmaschine lieferten den Hinweis auf die ungefähre Absturzstelle. Doch das Suchgebiet ist immer noch so groß wie das Saarland. Bisher blieben alle Suchaktionen erfolglos. Jetzt soll ein koordinierter Einsatz von drei Tauchrobotern dem Wrack und dem Flugschreiber auf die Spur kommen. Der Kieler Beitrag zum Projekt ist Abyss. Devey:

    "Abyss ist ein autonomes Wasserfahrzeug, das ganz allein, ohne Kabelverbindung zum Schiff, ohne dass wir da eingreifen können, seine vorprogrammierte Route abfährt und im Prinzip den Meeresboden vermisst."

    Abyss sieht aus wie ein gelber Torpedo. Und ist drei Knoten, also sechs Kilometer pro Stunde schnell. Sehr viel für ein Tiefseefahrzeug. Bisher wurden an der Absturzstelle im Atlantik nur Roboter eingesetzt, die an einem Kabel hingen. Meeresgeologe Sven Petersen:

    "Und diese Roboter fahren nur mit 0,5 Knoten. Könnern also nur ein deutlich kleineres Gebiet absuchen. Und das ist der Grund, weshalb jetzt diese autonomen torpedoartigen Roboter eingesetzt werden sollen."

    Abyss hat noch einen Vorteil: Der Tauchroboter verfügt über ein sogenanntes Fächersonar. Das heißt, der Roboter gleitet über den Meeresboden und schickt dabei Schallwellen nach links und rechts. Colin Devey:

    "Im Wasser ist es so, je tiefer der Ton desto weiter geht es. Man kennt es von den Walen, die mit ihrem tiefen Gesang über das ganze Ozeanbecken kommunizieren können. Unser Fahrzeug hat einen ganz hohen Ton, eine hohe Frequenz. Das heißt, die Schallwellen gehen nicht weit ins Wasser, dafür aber sind sie sehr präzise durch diesen hohen Ton."

    Abyss vermisst am Meeresboden einen Streifen von 800 Metern Breite. Treffen die Schallwellen dabei auf Steine oder Wrackteile am Meeresboden, werfen diese einen Schallschatten, auf Computergrafiken sind sie als schwarze Objekte vor hellem Hintergrund erkennbar. Ganz ähnlich wie bei Sonnenstrahlen. An ihrem Schallschatten können die Kieler Wissenschaftler sogar Objekte am Meeresboden erkennen, die der Forschung bisher unsichtbar blieben, weil ihre Sonargeräte sehr kleine Objekte nicht erkennen konnten. Sven Petersen:

    "Wir können mit unserem Gerät sehr leicht Auflösungen von unter einem Meter erreichen. Das ist schon mehrere Größenordnungen besser, und deshalb auch das Glänzen in den Augen der Wissenschaftler, wenn sie diese neuen Karten sehen. Das ist wie eine Neuentdeckung bereits vom Schiff kartierten Meeresbodens. Etwas ganz Besonderes!"

    Wie ein Rasenmäher wird Abyss einen Streifen nach dem andern abfahren, den Meeresboden vermessen und jede noch so kleine Struktur kartieren. Das gleiche werden auch die beiden anderen amerikanischen Tauchroboter tun. So soll ein Gebiet systematisch durchkämmt werden, das so groß ist wie das Saarland. Und noch dazu gebirgig:

    "Das muss man sich so vorstellen wie die Alpen. Da gibt es Höhenunterschiede von drei, vier Kilometern. Man muss sich das so vorstellen: Man fliegt mit einem Flugzeug über die Alpen und versucht, Wrackteile von der Größe eines Kühlschranks oder ein bisschen größer zu finden. Das wird also nicht einfach werden. Auf keinen Fall!"

    Es gilt also die Stecknadel im Heuhaufen zu finden. Die Kieler Forscher sind aber sicher: Sollte das Wrack und mit ihr die Black Box, als der Flugschreiber, wirklich im Suchgebiet liegen, werden sie es finden. Die Suchaktion soll bis Mitte April dauern. Sven Petersen:

    "Ich denke mal, dass das die letzte Chance ist, die Black Boxes zu finden!"