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Licht am Ende des Tunnels

Kaum eine Sportart hat so eine lange Tradition wie Pferderennen. Und lange ging es dem Sport dank sprudelnder Wetteinnahmen richtig gut. So gut, dass die Galopper die Zukunft verschliefen und zahlreiche Rennbahnen vor der Pleiten standen. Doch langsam geht es wieder aufwärts: Auf der wichtigsten deutschen Rennstrecke in Iffezheim bei Baden-Baden findet zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder das traditionelle Frühjahrs-Meeting statt.

Von Philipp May | 28.05.2011
    In Baden-Baden herrscht wieder Aufbruchsstimmung. Und das hat auch mit Günther Netzer zu tun. Der Ex-Fußballstar ist das neue Zugpferd der Galopper. Seit letzem Jahr hat die TV-Rechtefirma Infront über die Betreiberfirma Baden Racing die Zügel in der Hand. Und nun klappert, Infront-Aushängeschild und Anteilseigner die Radio- und Fernsehstationen der Region ab. Er rührt die Werbetrommel für die Galopprennen auf der Iffezheimer Rennbahn. Dem Deutschlandfunkt sagte er:

    "Die Beteiligung, die Übernahme fand ich faszinierend. Denn ich bin schon als kleiner Junge mit meiner Tante, die rennbesessen war, hierher gefahren nach Baden-Baden und habe mit großen Augen angeschaut, was hier alles passiert. Das war schon eine internationale rennommierte Veranstaltung, die Veranstaltung Deutschlands auf dem Rennsport-Sektor, und das versuchen wir wiederzubeleben."

    Denn noch vor zwei Jahren war der deutsche Galopp-Rennsport praktisch tot. Den Internationalen Club Baden-Baden, Betreiber der ruhmreichen und mit Abstand wichtigsten deutschen Rennbahn in Iffezheim drückten 14,2 Milionen Euro Schulden, Der Club musste in die Insolvenz. Zuvor waren schon die Galopp-Rennstrecken in Gelsenkirchen und Frankfurt pleite gegangen. Eine Entwicklung, die sich abzeichnete, sagt der Geschäftsführende Direktor des Dachverbands 'German Racing', Andreas Tiedtke:

    "Die fanziellen Probleme des Internationalen Clubs waren schon seit vielen Jahren vorhanden, sind immer mehr geworden. Man hat sich dann versucht dagegen zu stemmen, durch eine Investition in eine neue, moderne Tribüne. Aber man hat die Kosten nicht in den Griff bekommen bei gleichzeitig zurückgehenden Umsätzen und Sponsorvolumen."

    Noch gravierender als die steigenden Kosten waren für die Galopper allerdings die sinkenden Wetteinnahmen. Die Wetter zockten lieber bei billigen Online-Buchmachern im Ausland, als auf die Rennbahn zu gehen. So erhielten die Deutschen Rennvereine für die teure Zucht der edlen Vollblutpferde im Jahr 2008 eine Gewinnausschüttung von gerade einmal 40 Millionen Euro. Zum Vergleich 1994 waren es noch 144 Millionen. Aber auch darüber hinaus hatten die Galopper den Trend zum Fernseh-Event verschlafen. Die großen Zeiten in den 80ern, als Adi Furler vor einem Millionenpublikum in der 'Sportschau' den Galopper der Jahres kürte, sind längst vorbei. Andreas Tiedtke:

    "Wenn sie eine Rennbahn verkabeln müssen. um aus vier, fünf Kameraperspektiven Pferderennen zu zeiegn, dann ist das ein erheblicher Kostenfaktor, das können heute öffentlich-rechtliche Anstalten kaum noch leisten. Die Privaten leisten es nicht, weil sie den Content angeliefert bekommen müssen, und wir haben bis zu diesem Jahr unsere Fernsehbilder selbst produziert auf dem Stand der 80er Jahre: 4:3-Analog - das nimmt heute keine Fernsehanstalt mehr ab. Auch da haben wir jetzt einen deutlichen qualitativen Sprung, indem in diesem Jahr digital produziert wird."

    So sind beginnend mit dem Frühjahrsmeeting in Baden-Baden an insgesamt 15 Sonntagen im Jahr wieder Galopprennen im frei empfangberen Fernsehen beim Spartenkanal Sport 1 zu sehen. Der Privatsender zahlt dafür keinen Cent - im Gegenteil. Der Dachverband muss über den Kauf von Werbezeiten bei Sport1 noch draufzahlen. Ein Deal, der nicht unüblich ist bei Randsportarten. Bezeichnenderweise trägt die halbstündige Sendug den neudeutschen Namen: 'Race-bets.com - German Racing live'. Das Ziel ist also klar: Die Wetter sollen aus dem Internet zurückgeholt werden. Zumindest langfristig. Günther Netzer:

    "Wir beginnen gerade erst. Wir wissen, dass es nicht so einfach ist, aber: Ich glaube, das ist ein Langzeit-Programm, ein längeres, mittelfristiges in jedem Fall, wo wir doch glauben, dass es erfolgreich auf die Beine gebracht werden kann. Also wir stellen eine ziemliche Begeisterung fest und da muss hart dran gearbeitet werden, selbstverständlich, aber die Leute, die wir haben und die wir auch installiert haben, die sind alle willig, begeistert bei der Sache. Und deshalb sind wir optimistisch."

    Und das hat noch einen anderen Grund: Bereits im vergangenen Jahr, also noch ohne Fernsehen, konnten die neuen Betreiber um Investor Infront die Wettumsätze in Baden-Baden um 12 Prozent, gut eine halbe Million Euro, steigern. Die Galoppbranche hat sich also stabilisiert - vorerst. Ungemach droht nämlich aus der Politik. Denn seit fast 100 Jahren dürfen die Galopper ihre Wetteinnahmen fast vollständig behalten, zur Finanzierung der Vollblutzucht. Im neuen Glücksspielstaatsvertrag, den die Ministerpräsidenten im April beschlossen haben, ist diese Regelung gestrichen. Träte der Vertrag wirklich in Kraft, stünde der Galoppsport erneut vor dem Aus.