"Aktueller Sachstand zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Sport". So lautete Tagesordnungspunkt 3, zu dem auch der Deutsche Olympische Sportbund geladen war. Nur: Aktuell scheint der Sachstand laut Eberhard Gienger, dem sportpolitischen Sprecher der Unionsfraktion, dann nicht gewesen zu sein. "Neue Erfahrungen habe ich jetzt nicht mitgenommen. Oder neues Wissen"
Dabei hatten damit alle gerechnet. Besonders da DOSB-Chef Alfons Hörmann zuletzt kaum eine Gelegenheit ausließ, um vor der existenziellen Bedrohung für den Sport in Deutschland zu warnen. Zudem prognostiziert er erst diese Woche einen möglichen finanziellen Schaden auf mehrere Milliarden Euro. An diese Summe knüpfte DOSB-Vorstandsvorsitzende Veronika Rücker nach der heutigen Sitzung im Gespräch mit dem Deutschlandfunk an und betonte: "Aber vor allem machen wir uns Sorgen um die Vielfalt von Sportdeutschland."
Grobe Hochrechnung
Dass die Pandemie den Sport finanziell durch zum Beispiel Mitgliederrückgänge oder ausfallende Ticket- und Sponsoren-Einnahmen erheblich trifft, ist unbestritten. Um herauszufinden in welcher Größenordnung genau, hatte der DOSB im vergangenen Jahr eine Studie bei der Unternehmensberatung Deloitte in Auftrag gegeben.
Das Ziel: die Corona-Schäden der 112 DOSB-Mitgliedsorganisationen zu erheben. Nur: Schon im ersten Erhebungszeitraum April/Mai lieferten die Ergebnisse keine Grundlage für die damalige DOSB-Schätzung von mehr als einer Milliarde Euro Schaden. Diese Zahl hatte man auf Basis weniger Vereinsdaten aus vier Landessportbünden kurzerhand selbst sehr grob auf alle 90.000 Sportvereine in Deutschland hochgerechnet.
Ein breiteres Bild fehlt
Heute wurde im Ausschuss eine zweite Deloitte-Erhebung aus dem September vorgestellt. Diese bietet genauso wenig valide Grundlage für den aktuell geschätzten Schaden von mehreren Milliarden Euro – zumal von 112 abgefragten Organisationen nur rund 40 Prozent antworteten, kritisiert Linken-Politiker André Hahn: "Ich glaube es wäre gut, wir hätten ein breiteres Bild von den Schäden und Problemen."
Für die Beweisführung, dass Vereinen finanzielle Schäden entstehen, führt der DOSB in seiner heutigen Tischvorlage auch nicht die Studie an, sondern lediglich Zitate von Vereins- oder Verbandsvorsitzenden aus verschiedenen Medien. Doch Linken-Politiker Hahn sagt auch, dass durch den erneuten Lockdown nun weitere Schäden drohen: "Es ist Aufgabe des DOSB Lobbyarbeit für den Sport zu machen. Und wenn man möglicherweise drei Millionen Mitglieder verliert, dann ist das ein enormer Verlust, den man ansprechen muss."
Die Frage bleibt, ob das allein rechtfertigt, grobe Milliarden-Schätzungen in den Raum zu stellen - gerade weil auch DOSB-Vorstandsvorsitzende Rücker betont: "In Summe kann man zum aktuellen Zeitpunkt noch überhaupt keine Aussage zu dem Gesamtschaden treffen."