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MaerzMusik 2014
Der musikalische Magnet Berlin

Der März in Berlin ist musikalisch: Die MaerzMusik bei den Berliner Festspielen widmet sich in diesem Jahr ganz der heimischen Kunst. Als attraktive Metropole ist Berlin ein Magnet musikalischer Immigration - und genau das will das Festival in diesem Jahr abbilden.

Von Georg-Friedrich Kühn | 20.03.2014
    "Das Tripas Coração", frei übersetzt: So hart wie möglich arbeiten. Ein Stück für zwei Pianisten und zwei Schlagzeuger, die rotieren zwischen ihren Instrumenten: die Schlagzeuger auch mal am offenen Klavier, die beiden Pianistinnen auch am Schlagzeug.
    Der Brasilianer Arthur Kampela hat sich das ausgedacht. Zeigen wollte er, wie Musiker auch mit ungewohnten Instrumenten in quasi existenzieller Not zurechtkommen müssen. Kampela war vor zwei Jahren Stipendiat des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in Berlin.
    Komponisten, die es nach der Wende nach Berlin gezogen hat, ist das diesjährige Festival "MaerzMusik" gewidmet. Die letzte Ausgabe unter dem langjährigen Leiter Matthias Osterwold: mehr Rück- als Ausblick.
    Keine Überraschungen bei Wiener Produktion
    Am meisten versprochen hatte man sich von einer Produktion des Klangforums Wien, die in Schwetzingen Premiere hatte. Titel: "IQ –Testbatterie in acht Akten". Zu sehen ist da auf der Bühne des Hauses der Berliner Festspiele links ein Schalttisch mit (allerdings etwas betagten) Monitoren.
    Rechts stehen in zwei Reihen acht kleine Pulte für die Probanden. Sie sollen Aufgaben lösen wie: geometrische Figuren einander zuordnen oder Farben, Töne. Die Probanden sind Mitglieder des Instrumental-Ensembles, müssen auch singen. "Singen" allerdings mit ungeübten Stimmen in der Manier à la Marthaler, auch chorisch.
    Inszeniert und ausgestattet hat das Anna Viebrock. Überraschungen erlebt man nicht. Und auch Enno Poppe, der die Musik dazu komponierte, hatte wenig Spielraum. Zwischen hysterischen Koloraturen für die eine der beiden Aufseherinnen und Sprechgesang war kaum Gelegenheit sich zu entfalten.
    Geübter die acht Stimmen bei Mela Meierhans‘ "Shiva für Anne", der dritte Teil ihrer sogenannten "Jenseits-Trilogie". Hatte die aus der Schweiz stammende Komponistin im ersten Teil eine eindrucksvolle Dokumentation seltsamer Totenbräuche aus einem abgelegenen Teil ihrer Heimat erarbeitet, war der zweite Teil schon sehr viel schwächer.
    Wirkt geschwätzig
    Jetzt im dritten Teil lässt sie Aufzeichnungen einer befreundeten englischen Literatin rezitieren, die an Krebs starb. Dazwischen gibt es Stimmübungen, die die einschlägigen Techniken der letzten 60 Jahre durchdeklinieren von Silben-Zergliedern bis Summen, inklusive linguistische Belehrung.
    Mit ein-dreiviertel-Stunden Dauer wirkt das Ganze ungeheuer geschwätzig. Dazu eine sogenannte Regie, der außer Paradieren der Sänger mit Tablets unterm Arm, Stehen, Sitzen, angestrengt Wichtigtun nichts einfällt.
    Aber auch schon der Vor-Eröffnungsabend "Schau lange in den dunklen Himmel“ mit der nach einer Osttiroler Alm-Wiese benannten "Musicbanda FRANUI" gehörte in diese Kategorie.
    Texte von Robert Walser bis Heinz Janosch wurden da vorgetragen, wobei mehr der Wunsch nach Bedeutung zu spüren war als das pure Vermögen. Untermalt immerhin von zehn Instrumentalisten, die zünftige Blasmusik mit Hackbrett, Harfe und Zither mischen.
    Tour durchs Naturkundemuseum
    Auch nicht besonders originell, aber erfrischend eine geleitete Tour durchs Naturkundemuseum. In Vitrinen kann man da die Entwicklungs-Geschichte tierischen Lebens studieren, vom Lungenfisch bis zum Archäopteryx.
    In jedem der vier Räume, die man durchstreifte, sitzt eine Gruppe von Musikern des "Splitterorchesters". Sie improvisieren zu Tonmodellen, meist elektronisch verfremdet – Typ: Wandelkonzert. Vor knapp hundert Jahren hatte Eric Satie schon die Idee zu einer solchen "Musique d’ameublement".
    Eine nette Reminiszenz. Aber "aktuelle Musik"?