Montag, 06. Mai 2024

Archiv


Magnetkrampftherapie gegen Depressionen

Die häufigste psychische Erkrankung in Deutschland ist die Depression. Besonders schwer depressive Patienten sprechen wenig oder gar nicht auf verhaltenstherapeutische oder medikamentöse Therapien an. An der Uniklinik Bonn wird nun die Magnetkrampftherapie angeboten.

Von Peter Kolakowski | 26.10.2010
    "Hallo Herr Schneider, ich grüße Sie, wie geht´s Ihnen heute morgen?"
    "Eingermaßen also es hält sich in Grenzen, aber ich bin zufrieden."

    "Möchten Sie sich einmal schon hinlegen bitte, dann bereiten wir alles vor."

    Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Bonn. Die Fachärztin Dr. Sarah Kaiser bereitet einen Patienten auf die Behandlung mit der sogenannten Magnetkrampftherapie vor. Der 42-Jährige leidet seit etwa acht Jahren unter schweren Depressionen. Weder Medikamente noch Gesprächs- oder verhaltenstherapeutische Maßnahmen konnten ihm bislang helfen. Eher zufällig erfuhr er von einer neuen Behandlungsform, die mit starken Magnetfeldern arbeitet und sich wie erste Ergebnisse zeigen, sehr gut als Therapie eignen soll.
    Dr. Sara Kayser:

    "Wir haben bisher in Bonn 25 Patienten behandelt, die an einer schweren sogenannten therapieresistenten Depression leiden. Die Patienten haben oft ein jahre- und jahrzehntelanges Martyrium hinter sich, mit vielen Medikamenten, die ausprobiert worden sind und Psychotherapie und dann quasi als letztes Therapieverfahren zu undsgeschickt werden."
    Die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Bonn ist weltweit führend bei der Behandlung schwer depressiver Patienten mit der so genannten Magnetkrampftherapie. Mit Hilfe starker Magnetfelder wird im Gehirn des Patienten kurzzeitig ein starker Krampf ausgelöst.

    Genauso funktioniert auch die seit mehr als 75 Jahren eingesetzte Elektrokrampftherapie. Bei ihr wird der Anfall nicht durch Magnetfelder, sondern durch elektrische Impulse hervorgerufen.

    "Auch heute noch besonders in Deutschland ist die Elektrokrampftherapie mit einem hohen Stigma versehen, was überhaupt nicht berechtigt ist. Seit Anfang der 40er Jahre mit der Entdeckung eines sogenannten Muskelrelaxans, ein sogenanntes muskelerschlaffendes Mittel, wird die Elektrokrampftherapie mit dem muskelerschlaffende Mittel durchgeführt."

    Allerdings hat die Elektrokrampftherapie einige Nebenwirkungen, Schwindel etwa, Kopf- und Muskelschmerzen, länger andauernde Gedächtnisstörungen oder Orientierungslosigkeit. Nebenwirkungen, die bei der Magnetkrampftherapie komplett ausbleiben.

    Mittlerweile liegt der Patient unter Vollnarkose auf dem Behandlungstisch. Sara Kayser positioniert am Kopf des Patienten nun zwei kopfhörerähnliche Spulen, die einhundert Mal pro Sekunde ein starkes Magnetfeld erzeugen und so einen Krampfanfall im Gehirn auslösen. Nach sechs Sekunden ist die Behandlung beendet.

    Die Magnetkrampftherapie scheint ersten Ergebnissen zufolge eine Alternative zur Elektrokrampftherapie zu sein und könnte Patienten, die auf Medikamente und Psychotherapien nicht ansprechen, neue Hoffnung geben. Weitgehend unklar ist den Medizinern allerdings nach wie vor, wie die Magnet- als auch die Elektrokrampftherapie genau wirkt.
    Dr. Sarah Kayser:

    "Man weiß sehr wohl, dass bestimmte Hirnbotenstoffe mehr ausgeschüttet werden, dass Bereiche im Gehirn, die bisher nicht gut versorgt worden sind, die als auslösend für die Depression dastehen, dass die besser versorgt werden mit Blut, mit Hirnbotenstoffen, das ist auch schon gemessen worden, aber der komplette Mechanismus ist leider bis heute auch noch nicht aufgeklärt."

    Obwohl die medizinische Forschung ziemlich am Anfang steht und noch mehr Patienten behandelt werden müssen, liegt der bisherige Therapie-Erfolg bei rund 50 bis 60 Prozent. Auch der gerade behandelte Patient fühlt sich nach sechs Behandlungen deutlich besser. Allerdings hält die Therapie nur etwa fünf bis sechs Monate an und muss dann wiederholt werden.