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"Man erreicht die Eltern nicht so gut"

Trotz aller Anstrengungen, Kinder von Migrantenfamilien besser zu integrieren und zu fördern, bleibt der Kontakt zu den Eltern schwierig. An der Göttinger Albanischule gehen die Lehrer noch weiter als gefordert, um die Integration voranzutreiben - doch in der Kommunikation mit den Eltern hapert es nach wie vor.

Von Carolin Hoffrogge | 24.01.2009
    Mariem: "Ich bin hier geboren, mein Vater kommt aus Tunesien, meine Mutter von hier."

    Maria: "Ich komme aus Afghanistan und meine Eltern auch
    Achmed: Aus dem Libanon, ich bin hier in Deutschland geboren."

    Onur: "Auf türkisch heißt mein Name Onur, meine Eltern sind türkisch, ich bin hier geboren."

    Mariem, Maria, Achmed, Onur und Emre sind aufgeweckt und neugierig. Die Neunjährigen gehen in die vierte Klasse der Göttinger Albanischule und fühlen sich hier wohl. Das sicherlich auch, weil ihre Lehrerin Mechthild Meyer sich seit der ersten Klasse um die Kinder mit Migrationshintergrund besonders bemüht.

    "Ich bin also immer wieder drauf eingegangen, was die auch für Feste feiern, was die auch für eine Sprache sprechen, habe auch immer gesagt, dass man sich das vorstellen muss, das es nicht ihre erste Sprache ist, sondern das sie das als Zeitsprache haben und da noch viel mehr Schwierigkeiten haben als die anderen Kinder, um eben auch Verständnis bei den anderen Kindern zu bekommen."

    Erst vor kurzem hat Lehrerin Meyer mit ihrer Klasse ein Projekt zum Islam durchgeführt. Für Onur und Achmed war das abschließende Fest eine wahre Freude, konnten sie gemeinsam mit ihren Eltern ihren Kulturkreis vorstellen. Achmed hat die zweite Sure des Koran vorgetragen, Onur türkische Spezialitäten für das Buffet mitgebracht.
    Etliche Migranteneltern, die sich sonst rar machen, sind zu diesem Festtag gekommen, freut sich Klassenlehrerin Mechthild Meyer über diesen kleinen Erfolg. Aber trotzdem müht sie sich auch nach dreieinhalb Jahren in ihrer Klasse immer noch mit den Eltern ab, die einen Migrationshintergrund haben.

    "Die Elternarbeit ist anders und schwieriger. Man erreicht die Eltern nicht so gut wie die anderen Eltern. Das Problem ist dann oft auch die Sprachbarriere. Auf Elternabenden sind diese Eltern ganz selten vertreten. Ich hatte dann schon das Projekt angeleiert das andere Eltern aus meiner Klasse diese Eltern nochmal kurz vorher anrufen und auch möglicherweise abholen, das hat dann aber auch nicht so gegriffen, wie ich es mir erhofft hatte."

    Trotz dieser organisierten Patenschaften unter den einheimischen und ausländischen Eltern, blieb der Erfolg aus. Darüber hinaus gab es in Göttingen die Initiative "Eltern helfen Eltern". In dieser Initiative haben einheimische Eltern versucht den Eltern mit Migrationshintergrund grundlegende Deutschkenntnisse beizubringen. Leider ist das Projekt gescheitert, bedauert Schulleiterin Heidrun von der Heide. Denn für Lehrerin von der Heide bleibt die Sprache das A und O aller Integrationsbemühungen; der Integration der Eltern, aber besonders auch die der Kinder.

    "Wir haben ja in Niedersachsen die vorschulische Sprachförderung. Die leidet aber in meiner Sicht unter einem ganz großen Makel. Und zwar ist es so, dass diese vorschulische Sprachförderung von Lehrerinnen in Schule betrieben werden soll. Das ist aus meiner Sicht unsinnig. Die Sprachförderung müsste im Kindergarten erfolgen, da wo sich die Kinder wohl fühlen, wo sie die Erzieherinnen kennen. Es sind kleine Kinder, die sind vier Jahre."

    Diese Vierjährigen, so Heidrun von der Heide, werden zudem noch aus verschiedenen Kindergärten in die Schulen gebracht: nicht von ihren Eltern, sondern aufwändig von einem Taxi chauffiert. Nach einer längeren Fahrt quer durch die Stadt, kommen sie dann völlig verunsichert in der Schule an. Wertvolle Zeit und etliches an Lernpotenzial gehen verloren. Werden die Kinder dann mit sechs Jahren eingeschult, haben sie die Möglichkeit an dem Unterricht "Deutsch als Zweitsprache" teilzunehmen. Diesen Unterricht in die Stundentafel der Schulen einzubinden, geht allerdings nicht ohne Verluste einher, moniert Lehrerin Mechthild Meyer.
    "Zur Zeit ist es so, dass dieser Unterricht "Deutsch als Zweitsprache" oft parallel zu anderem Unterricht läuft und dieser dann verpasst wird. Diesen Kindern würde es gut tun, wenn es eine Ganztagsschule geben würde oder eine entsprechende Hortbetreuung, wo diese Kinder noch mehr schulisch unterstützt werden."

    Wie dringend Kinder wie Onur, Emre oder Achmed Unterstützung brauchen, erzählt die große Schwester von Achmed. Die gebürtige Libanesin Amina El-Zein ist 16 Jahre älter als ihr Bruder Achmed. Amina hilft Achmed täglich bei den Hausaufgaben, denn ihre Eltern sprechen kein Wort Deutsch.

    Amina: "Weil ich ja auch für mich selber sehr viel zu tun habe, das ich halt nicht immer da bin bei Elternsprechtagen, aber sonst ist es so, dass sehr viel mit den Lehrern telefoniert wird, da sind sie auch gut zu erreichen. Die nehmen sich auch sehr viel Zeit."

    Achmed: "Sie erklärt mir wie ich es rechnen muss, weil es gibt halt Leute, die sagen es einfach vor, nee, meine Schwester ist ganz anders, die hilft mir dann, die erklärt mir, sie gibt Wege, wie ich das gut rechnen kann in Mathe und in Deutsch gibt sie mir auch Schreibtipps zum Beispiel Sachen, die mit Doppelbuchstaben zum Beispiel wie Affe, ganz deutlich sprechen, Af – fe, und da hilft sie mir immer. Ja, ohne meine Schwester hätte ich bis jetzt nichts geschafft."

    Auch die sechs Kinder von Medine Yilmaz können sich auf ihre Mutter voll verlassen. Medine Yilmaz geht zu jedem Elternabend und Elterngespräch, weiß die gebürtige Türkin doch wie wichtig der Austausch mit den Lehrern für die Zukunft ihrer Kinder ist- ihr Mann Dogan muss dann auch mit.

    "Zu Elternsprechtagen nehme ich ihn mit. Zu Elternabenden nicht, aber zu Elternsprechtagen. Weil ich dann sage, du musst auch mal hören was die über dein Kind reden. Da kann man ja auch einzeln übersetzen, als wenn beim Elternabend um das Gemeinsame geht. Dann versuche ich ihn schon mitzunehmen, was ja auch wichtig ist für die Kinder, dass die auch mal von ihrem Papa verstanden werden. "