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Mehr Frauen als Profs an die Unis

Geschlechtergerechtigkeit ist in der Wissenschaft noch nicht erreicht. Auf der Fachtagung "Exzellenz und Chancengerechtigkeit" in Berlin haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ganz Deutschland darüber diskutiert, wie mehr Frauen als Professorinnen an die Unis kommen.

Von Anja Nehls | 19.06.2012
    Wer in der Hochschule Aschaffenburg studiert, hat gute Chancen, statt auf einen Professor, auf eine Professorin zu treffen. Ein positives Beispiel auf der Fachtagung "Exzellenz und Chancengerechtigkeit" in Berlin. Mehrere hundert Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ganz Deutschland machen sich Gedanken, wie man mehr Frauen als Professorinnen an die Unis bekommt. Prof. Dr. Astrid Szebel-Habig ist Professorin an der Hochschule Aschaffenburg. Sie hat dort als Mitglied im Berufungsausschuss dafür gesorgt, dass der Frauenanteil bei den Lehrenden in ihrem Fachbereich Wirtschaft und Recht inzwischen auf 30 Prozent gestiegen ist. Ein Kind verschweigen – wie zu Beginn ihrer Karriere - muss in Aschaffenburg nun niemand mehr:

    "Weil in den Berufungsausschüssen meine Kollegen sagten, die wird noch mal schwanger, deswegen stellen wir sie nicht ein, obwohl sie exzellent ist und dann habe ich gefragt und was ist mit mir, ich habe ein Baby zuhause, ein Jahr alt, und da haben sie gestaunt und deswegen war das Thema weg vom Tisch. Inzwischen sind wir soweit, dass wir sogar eine hochschwangere Kandidatin eingestellt haben, weil wir sind jetzt auch eine familiengerechte Hochschule und die Männer betonen das immer ganz stolz."

    110 deutsche Hochschule haben inzwischen Gleichstellungskonzepte, mit denen sie über das "Professorinnenprogramm des Bundes und der Länder" Fördergelder bekommen. Damit werden Stellen für Professorinnen finanziert. 260 neue Stellen sind so seit dem Jahre 2000 geschaffen worden. Der Frauenanteil bei den Professorenstellen stieg damit bundesweit von 10 auf 20 Prozent. Christina Hadulla-Kuhlmann, Referatsleiterin im Bundesbildungsministerium betont aber, dass hier keinesfalls Stellen für Frauen finanziert werden, sondern erfolgreiche Gleichstellungskonzepte von Hochschulen. Die Auswahlkommission setzte dabei zwei Schwerpunkte:

    "Der eine Schwerpunkt war strukturelle Vorbedingungen für Frauen, das heißt konsequente Weiterförderung von Frauen nach der Post-Doc-Phase, hin zur Professur, weil wir genau nach der Promotion den stärksten Abbruch der Frauen aus dem Wissenschaftssystem haben. Und die andere Seite war die Vereinbarkeit von Familie und Beruf."

    Denn für viele Frauen ist das bei der Planung eines Lebensentwurfs und der Karriere entscheidend. Das haben inzwischen auch Männer eingesehen. Dual Career könnte besonders für hochqualifizierte Wissenschaftlerpaare eine Lösung sein. Nicht ein Partner muss wegen einer attraktiven Stelle den Wohnort wechseln, sondern der andere bekommt ebenfalls eine Stelle. So etwas gibt es im Ausland häufig, aber in Deutschland noch viel zu selten, findet. Professor Arnulf Quadt, von der Universität Göttingen ist:

    "Wir haben diese Dual-Career-Unterstützung. Deshalb bin ich selber auch nach Göttingen gegangen. Meine Frau ist auch experimentelle Teilchenphysikerin. Wir haben einige Hochschulen angesprochen und es war entweder kein Interesse da oder sogar: 'Oh, wenn das ein Dual-Career-Fall ist, wollen wir das gar nicht wissen und das nicht weiter verfolgen.'"

    Was gehört zu einer erfolgreichen Gleichstellungspolitik? Erfolgsbedingungen für Frauen, Sinn oder Unsinn von Quotenregelungen, Förderstipendien oder des Professorinnenprogrammes – das sind die Themen in Berliner Congress Center. Prof. Dr. Bettina Burger - Menzel, seit zwölf Jahren Professorin seit sechs Jahren Vizepräsidentin der FH Brandenburg, glaubte noch zu Beginn ihrer Karriere, dass Klasse allein reicht, um sich durchzusetzen.

    "Ich war sogar gekränkt, als ich dann anfing zu arbeiten, als ich berufen wurde und das erste Mal den Flur betreten habe und mir kam die Gleichstellungsbeauftragte entgegen: 'Ja, gratuliere und endlich eine Frau und Vorbildfunktion.' Und ich meine, ich bin nicht ausgewählt und ernannt worden, weil ich ne Frau bin, sondern ich bin hier, weil ich gut bin, bin eine Wissenschaftlerin, habe meine Karriere nachgewiesen, meine Fachkompetenz, deswegen bin ich hier."

    Inzwischen ist Bettina Burger – Menzel selber stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte und steigert den Frauenanteil an ihrer Hochschule auch mit Hilfe von Förderprogrammen:

    "Es hilft, Förderprogramme zu haben, weil einfach bei Ressourcenknappheit all das was man bekommt und was verwendet werden kann auch attraktiv wird, es unterstützt auf jeden Fall."

    150 Millionen Euro flossen seit 2008 in das Professorinnenprogramm, das von Bund und Ländern gemeinsam finanziert wird. Ende Juni wird darüber entschieden, ob es in eine zweite Phase geht. Geschlechtergerechtigkeit ist in der Wissenschaft noch lange nicht erreicht. Voran geht es seit Jahrzehnten nur in winzigen Schritten, ein großer Durchbruch ist nicht in Sicht. Besser als jedes Fördeprogramm wäre ein Bewusstseinswandel, sagt Christina Hadulla- Kuhlmann Bundesbildungsministerium.

    "Selbstverständlich am schönsten ist es, wenn wir all das gar nicht mehr brauchen, sondern wenn Frauen zu den Anteilen in denen sie im Wissenschaftssystem in den jeweiligen Fächern vorhanden sind auch tatsächlich partizipieren an den hochrangigen Stellen im System."