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Mehr Geld für Berliner Lehrer

Junge Lehrer bekommen in Zukunft in Berlin bis zu 30 Prozent mehr Gehalt. Mit dieser Maßnahme sollen vor allem junge Lehrer gehalten werden, denn bislang suchten viele ihr Glück in einem anderen Bundesland, in dem die Aussicht auf bessere Bezahlung und eine Verbeamtung besteht. Nach einem Beschluss des Berliner Senats werden demnach Neueinsteiger direkt höher eingruppiert.

Von Philip Banse | 25.02.2009
    Hendrik Schneider ist so ein Junglehrer der Erfahrungsstufe eins. Seit zwei Wochen unterrichtet der 32-Jährige an der Fritz-Karsen-Gesamtschule in Berlin. Im Februar hat der verheiratete Berufsanfänger sein erstes Gehalt bekommen: knapp 1600 Euro netto. Das ist das Gehalt der ersten von fünf Erfahrungsstufen, nach denen Berliner Lehrer bezahlt werden. 1600 Euro netto - vor allem diese schlechte Bezahlung trieb Berliner Lehrer bisher zu Tausenden in andere Bundesländer, wo sie noch Beamte werden können. Deshalb hat der Berliner Senat beschlossen, junge Lehrer besser zu bezahlen, viel besser: Berufsanfänger starten ab August nicht mehr in der Erfahrungsstufe eins, sondern gleich in der höchsten, der Erfahrungsstufe 5, die man bisher erst nach zehn Dienstjahren erreichte. Das bedeutet für Hendrik Schneider mit einem Schlag 1200 Euro brutto mehr, netto macht das statt 1600 dann rund 2200. Das sei in der Tat ...

    " ... natürlich wirklich eine, sehr angenehme Gehaltssteigerung, 1200 Euro brutto, 600 Euro netto. Das ist doch eine sehr, sehr schöne Nachricht, die wir da vor einer Woche bekommen haben."

    Für Hendrik Schneider ist das ein plus von 37,5 Prozent. Zuvor hatte er überlegt, Berlin zu verlassen - so wie viele seiner Kollegen. Die satte Gehaltserhöhung für Junglehrer dürfte die Abwanderung bremsen, glaubt Schneider:

    "Da gehe ich mal davon aus, dass das für eine Entlastung sorgen wird. Also die Leute, die jetzt noch zögern, sind bestimmt durch diese Maßnahme wieder ruhiggestellt."

    Dieses Geschenk für die begehrten Lehrkräfte lässt sich die klamme Hauptstadt allein im nächsten Jahr fast 24 Millionen Euro kosten. Aber das Geld wird die Abwanderung allenfalls kurzfristig stoppen, sagt Rose-Marie Seggelke, die Vorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW.

    "Das ist sicher erst mal ein Lockangebot, damit man hier in Berlin den Dienst aufnimmt, aber es ist eine schlechte Entscheidung, weil die Tarifautomatik kaputt gemacht wird. Die sieht nämlich vor, dass man mit steigender Berufserfahrung immer mehr Geld bekommt. Und wenn diese jungen Leute jetzt am Anfang ihrer 40-jährigen Beruftätigkeit sofort in die höchste Erfahrungsstufe kommen, das ist für die Motivation mit Sicherheit nicht gut, wenn man anfängt und weiß, weiter geht´s eigentlich nicht."

    Tatsächlich kündigt sich bei jungen Lehrern wie Hendrik Schneider bereits nach einer Woche ein Gehaltserhöhungskater an:

    "Allein das Gefühl, jetzt ab August in der höchsten Gehaltsstufe angekommen zu sein, nachdem man knapp ein halbes Jahr gearbeitet hat, ja, lässt ein bisschen die Sache der Perspektive ins Blickfeld geraten. Was passiert dann? Wie geht's weiter? Wie kann ich mich weiterentwickeln und lässt sich das dann mal in einer neuen Gehaltsstufe ablesen? Das ist das, was mich gerade beschäftigt."

    Diese neue Gehaltsstufe winkt nicht in Berlin, sondern 30 Kilometer weiter, in Nachbarbundesland Brandenburg. Dort werden Lehrer noch verbeamtet und verdienen mehr, je älter sie werden. Die Abwanderung sei daher nur vorübergehend gestoppt, glaubt die Lehrergewerkschaft GEW. Sie moniert auch, dass von der vollen Gehaltserhöhung nur etwa 1000 Lehrer profitieren, nämlich die absoluten Berufsanfänger. Die Hälfte der 6500 angestellten Lehrer bekomme dagegen kein Cent mehr, weil sie bereits in der Erfahrungsstufe 5 sind.

    Viele altgediente Lehrer wie Katja Volkmann können zudem nur mit einem Plus von 100 Euro rechnen, weil sie heute schon in der Stufe 4 plus sind. Am größten Ärger der Grundschullehrerin Volkmann ändert sich also wenig: Nach wie vor verdienen die 27.000 vor Jahren verbeamteten Lehrer in Berlin deutlich mehr als ihre in den letzten Jahren angestellten Kollegen. 800 Euro Gehaltsunterschied netto für die gleiche Arbeit seien keine Seltenheit, sagt die GEW. Wenn der Senat nicht auch altgedienten, angestellten Lehrern deutlich mehr zahlt, wird sie abwandern, sagt die Grundschullehrerin Katja Volkmann:

    "Das hängt davon ab, ob der Ausgleich wirklich stattfindet, ob der Gehaltsunterschied in den Nettogehältern im hohen dreistelligen Bereich, ob das ausgeglichen werden kann, entweder durch eine Verbeamtung oder durch eine Mehrzahlung. Wenn das ausgeglichen wird, könnte ich sicher hier bleiben."

    Mehr Geld für junge und vielleicht auch alte Lehrer - da dürften die anderen öffentlichen Angestellten in Berlin nicht vergessen werden, mahnt bereits die Gewerkschaft Verdi. Erzieherinnen, Müllmänner, Feuerwehrleute - 1200 Euro mehr hätten sie alle gern.