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Mehr Qualität aus der Steckdose

Elektrizität. Strom ist nicht gleich Strom. Die Leonardo Power Quality Initiative, eine europäische Vereinigung von Wissenschaftlern und Industrievertretern, hat von den Versorgern mehr Investitionen in ihre Netze gefordert. Dabei geht es nicht nur um eine unterbrechungsfreie Versorgung.

Von Mirko Smiljanic | 21.11.2006
    Ein wenig schmunzeln mussten die Experten schon über den Erklärungsversuch von E.ON, der Blackout von Anfang November sei auf menschliches Versagen zurückzuführen. Wenn man es lange genug dreht und wendet, mag das vordergründig sogar stimmen, die aktuellen Probleme seien dadurch aber weder berührt noch gelöst. Und die macht Stefan Fassbinder vom Deutschen Kupferinstitut in Düsseldorf gleich an zwei Fronten aus: Erstens sind die Netze zu schwach, und zweitens sinkt die Qualität des elektrischen Stroms, für die gleich drei Faktoren wichtig sind.

    "Einmal die Spannung, dann die Frequenz, denn es handelt sich um Wechselstrom, und dann die Kurvenform, denn der Wechselstrom wechselt nicht abrupt, sondern folgt einer Sinusform. Und es ist wichtig, dass Spannung, Frequenz und die Sinusform möglichst genau eingehalten werden."

    Die Frequenz ist in der Regel stabil, Probleme bereiten eher schwankende Spannungen und die Form der Sinuskurve. Spannungsschwankungen entwickeln sich deshalb zum Problem, weil immer mehr hochempfindliche Geräte am Netz hängen. Flackerte früher mal eine Glühbirne, wenn die Spannung für ein paar Zehntelsekunden absackte, stürzen heute ganze Computeranlagen ab. Schon aus diesem Grund sind Anlagen für die unterbrechungsfreie Stromversorgung so wichtig.

    Große Probleme bereiten den Netzbetreibern zudem verzerrte Ströme. Üblicherweise bildet Wechselstrom eine saubere sinusförmige Kurve - vorausgesetzt Strom und Spannung werden mit einem schweren Trafo transformiert, werden sie aber nicht immer. Von der elektrischen Zahnbürste bis zum Laptop, überall stecken kleine Schaltnetzteile.

    "Die wandeln den ankommenden Wechselstrom erst um in Gleichstrom, und den Gleichstrom verwandeln sie dann in einen Wechselstrom, aber mit einer wesentlich höheren Frequenz, was zur Folge hat, dass man den Transformator sehr viel kleiner bauen kann."

    Statt drei Kilogramm wiegt das Netzteil nur noch 200 Gramm. Das macht das Gerät billig, kommt beim Kunden also gut, hat aber auch unangenehme Konsequenzen.

    "Dieser Prozess, dass der Wechselstrom erst gleichgerichtet wird, das hat Rückwirkungen auf das Netz, weil dann der Strom, der aufgenommen wird, nicht mehr sinusförmig verläuft, auch wenn die Spannung sinusförmig ist. Und am Ende ist die Spannung dann eben nicht mehr sinusförmig","

    sondern sieht in schlimmen Fällen rechteckig aus. Je mehr unsauberer Strom im Netz fließt, desto höher ist aber die Wahrscheinlichkeit von Störungen in den empfindlichen Geräten. Nun gibt es verschiedene Möglichkeit, sich gegen unsauberen Strom zu schützen.

    Variante eins: Es müssen stärkere Netze her.

    ""Wenn das Netz sehr stark ist, also sehr wenig Spannung im Netz verloren geht auch bei starker Strombelastung, dann wird der Einfluss dieser verzerrten Ströme auf die Spannungsqualität geringer."

    Variante zwei sind elektronische Filter, die den verzerrten Strom wieder in die richtige Form bringen. Aber auch da regieren die Kosten den Einsatz.

    "Man kann die Geräte so bauen, dass die Sinuskurve schon innerhalb des Gerätes wieder hergestellt wird, das wird heute mehr und mehr auch gemacht. Diese Geräte sind aber teurer und sie sind störanfällig, gehen leicht kaputt und können selbst wieder Störungen auf anderer Ebene verursachen, im Bereich der Hochfrequenz, der abgestrahlten Störung."

    Mit anderen Worten, der Preis für elektrische Rasierer würde mit eingebautem Filter um einiges steigen. Also behelfen sich zumindest Industriekunden mit zentralen Filtern. Die sind finanziell günstiger, erfüllen aber nur bedingt ihre Aufgabe.

    "Das hilft, um die gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben zu erfüllen, die ihnen ihr Energielieferant auferlegt, das hilft Ihnen innerhalb ihrer Anlage aber wenig, weil dann der Weg von der Störquelle zur Störsenke zu weit ist und die Störungen sich nach wie vor ausbreiten."

    Die Leonardo Power Quality Initiative fordert angesichts der gravierenden Mängel zweierlei: Erstens müssen die Stromnetze massiv ausgebaut werden, und zweitens sollten mehr dezentrale Filter die Netze schützen.