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Michael Kemmer: Schuldenschnitt von 60 Prozent keine Gefahr für deutsche Banken

Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, Michael Kemmer, drängt beim Schuldenschnitt auf eine freiwillige Regelung: "Wir tun alle miteinander sehr, sehr gut daran, keine Insolvenz Griechenlands herbeizuführen oder herbeizureden, sondern wenn, dann über einen Verzicht auf freiwilliger Basis zu verhandeln."

Michael Kemmer | 25.10.2011
    Benjamin Hammer: Über die Kreditinstitute spreche ich jetzt mit Michael Kemmer. Er ist der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken. Der Verband repräsentiert die Privatbanken in Deutschland. Einen schönen guten Tag, Herr Kemmer.

    Michael Kemmer: Guten Tag, Herr Hammer.

    Hammer: Herr Kemmer, nach einem Zeitungsbericht erhöhen die EU-Politiker ihren Druck. Sie verlangen, dass die Banken 60 Prozent ihrer Forderungen an Griechenland abschreiben. Werden die deutschen Banken das akzeptieren?

    Kemmer: Das Griechenland-Exposure, also die Ausleihungen an Griechenland, sind für die deutschen Banken kein gravierendes Problem. Das heißt, auch ein Schuldenschnitt von 60 Prozent würde die deutschen Banken nicht umwerfen. Sie sind gut kapitalisiert und haben auf ihre Griechenland-Anleihen auch schon einige Abschreibungen vorgenommen.
    Ob es die Banken akzeptieren würden und akzeptieren könnten, steht auf einem ganz anderen Blatt, denn es muss natürlich schon der Grundsatz gelten, dass der Schuldner zunächst mal bemüht sein muss, seine Schulden zurückzuzahlen. Ich weiß, dass hier sehr stark darum gerungen wird, da sind auch einige andere Elemente im Gespräch dem Vernehmen nach wie Laufzeitverlängerungen, Vereinbarungen über Zinszahlungen und und und. Da muss man sicherlich ein gesamtes Paket schnüren, das beiden Seiten gerecht wird. Aber ich halte es für unangemessen, wenn man die Forderungen an einen Schuldenschnitt einfach von Woche zu Woche nach oben dreht. Da muss man schon sehr intensiv mit den Beteiligten ringen, und das wird nach meiner Kenntnis im Moment auch getan.

    Hammer: Sie sprechen vom Ringen der Beteiligten. Sprechen wir von einer freiwilligen, oder einer verpflichtenden Regelung?

    Kemmer: Eine freiwillige Regelung wäre hier sehr, sehr wichtig, denn alles, was nicht freiwillig ist, bedeutet ja, dass Griechenland, wie es auf Neudeutsch so schön heißt, in den "Default" geht, also zahlungsunfähig wird, und das hätte eine ganze Reihe von Folgerungen, die auch zu Kettenreaktionen ausarten könnten. Wenn Griechenland zahlungsunfähig wird, würden die ganzen berühmten Kreditausfallversicherungen fällig werden. Das heißt, dann müssten all diejenigen, die solche Kreditausfallversicherungen gezeichnet haben, bezahlen. Man weiß nicht, wo diese Kreditausfallversicherungen liegen. Man vermutet, dass da auch die US-Banken oder die US-Versicherer sehr stark betroffen sein könnten, und das könnte dann doch auch erhebliche Ansteckungseffekte haben auch auf andere Länder in der Eurozone. Also wir tun alle miteinander sehr, sehr gut daran, keine Insolvenz Griechenlands herbeizuführen oder herbeizureden, sondern wenn, dann über einen Verzicht auf freiwilliger Basis zu verhandeln.

    Hammer: Herr Kemmer, nehmen wir mal an, dass es wirklich zu einem, sagen wir, intensiven Schuldenschnitt auch für deutsche Banken kommen wird. Halten die deutschen Banken das aus?

    Kemmer: Ja! Ich gehe davon aus, dass die deutschen Banken das aushalten. Wie gesagt, die Forderungen sind auch schon zu einem Gutteil wertberichtigt und die deutschen Banken sind in Griechenland nicht so unmäßig engagiert. Das Exposure, das sie haben, ist überschaubar. Und Sie müssen sehen, dass die Banken ja auch aufgrund der konjunkturellen Lage in Deutschland und auch aufgrund der Fortschritte, die sie im Risiko-Management gemacht haben, die sie in der Kapitalisierung gemacht haben, gut aufgestellt sind. Das heißt, sie können in ihren Gewinn- und Verlustrechnungen durchaus auch Verluste aus Griechenland verarbeiten. Gern tut das natürlich keiner, aber wichtig ist, dass die Banken dadurch nicht in eine schwierige Situation kommen würden.

    Hammer: Jetzt gibt es eine weitere Forderung der EU. Die lautet, die großen Banken in Europa sollen ihre Kernkapitalquote erhöhen. Damit sollen sie für kommende Krisen besser gewappnet sein. Bis Mitte nächsten Jahres soll das passieren. Eine Quote von ungefähr neun Prozent ist da im Gespräch. Ihr Verband wehrt sich aber gegen diese Vorgabe. Warum?

    Kemmer: Mehr Kapital ist grundsätzlich nicht schlecht. Aber mehr Kapital ist natürlich auch kein Allheilmittel. Und wir müssen auch Ursache und Wirkung hier auseinanderhalten. Wichtig ist, dass wir hier eine Vertrauenskrise haben, eine Vertrauenskrise der Märkte, eine Vertrauenskrise der Investoren in die Fähigkeit der europäischen Staaten, ihre Schulden zurückzuzahlen. Das heißt, der Schlüssel zur Lösung des Problems liegt zunächst mal in den Händen der Politik. Die Politik muss klar machen, dass sie Konsolidierungsschritte einleitet in allen kritischen Ländern und auch in denen, die heute noch unkritisch sind, die eine klare Konsolidierung der Haushalte herbeiführen wird in Zukunft. Dann wird auch das Vertrauen der Märkte wieder zurückkehren. Allein durch eine Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen wird man das Vertrauen der Märkte nicht zurückbringen können.
    Jetzt sind neun Prozent Kernkapitalanforderung kräftig, denn Sie müssen sehen: momentan sind die Mindestanforderungen, wenn Sie Kernkapital der gleichen Qualität nehmen, bei zwei Prozent, wenn Sie Kernkapital allgemein nehmen, bei vier Prozent. Das heißt, neun Prozent, das ist schon mal mehr als eine Verdoppelung.
    Andererseits haben die Banken natürlich gut vorgesorgt. Sie haben eine hohe Kernkapitalquote schon aufgebaut in der letzten Zeit. Das heißt, sie sind auch für diese neue Anforderung gut gewappnet. Aber es kommt natürlich schon sehr schnell und es verbindet sich ja letztlich auch mit der Forderung, dass die Banken rechnerisch die ganzen Marktwertminderungen, die sie auf ihre kritischen Anleihen haben, auch vom Eigenkapital abziehen müssen. Das heißt, das ist schon schlagartig ein großer Schluck aus der Pulle, der da verlangt wird. So wie es jetzt ausschaut, können es die deutschen Banken wohl ganz gut verkraften. Ich bin mir aber nicht so sicher, ob das für alle Häuser in Europa so gilt, und deshalb sind wir da schon von Anfang an etwas skeptisch gewesen bei diesem doch recht massiven Vorstoß.

    Hammer: Michael Kemmer war das, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken. Herzlichen Dank. Und die Gesprächsqualität bitten wir zu entschuldigen.

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