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Mickey Rourke ist "The Wrestler"

Bei der Oscar-Verleihung 2009 gab es zwei tragisch-rührende Momente: die posthume Verleihung der Trophäe für die beste Nebendarstellung an Heath Ledger für seine Rolle als "Joker" im jüngsten "Batman"-Film. Und die Vorstellung des letztlich leer ausgegangenen Mickey Rourke als Nominierten für Bester Schauspieler. Denn auch Rourke war nicht nur als Filmstar so gut wie tot - um jetzt mit "The Wrestler" ein kompromisslos hartes und doch anrührendes Comeback zu feiern.

Von Josef Schnelle | 26.02.2009
    Die besten Geschichten fürs Kino sind immer die wahren Geschichten, und weil sie außerdem gut enden sollen und trotzdem eine gewisse Fallhöhe haben müssen, sind es oft Geschichten von einem unerwarteten Comeback aus einer tiefen Lebenskrise. Und wenn dann noch der Hauptdarsteller gerade eine ähnliche Lebensgeschichte hinter sich hat und nun plötzlich buchstäblich wieder auf der Matte steht, dann ist alles perfekt. Regisseur Darren Aronofsky hat angeblich anfangs daran gedacht seine Geschichte eines Brutalcatchers, der noch einmal antreten muss, um sein ganzes verpfuschtes Leben zu rechtfertigen, mit Nicholas Cage in der Hauptrolle zu drehen. Glücklicherweise hat er am Ende Mickey Rourke genommen, der nach seiner stockenden Filmkarriere tatsächlich in den Profi-Ring gestiegen ist, fast einen Kampf um die Weltmeisterschaft errungen hat, aber nur zerschmetterte Knochen und ein bizarres Äußeres aus der Welt des Sports wieder mitnahm an den Drehset seiner neu belebten Filmkarriere. Mickey Rourke ist als Wrestler "The Ram" ein ausnehmend hässlicher Vogel, aber mit einer zarten Seele. Als solcher hat er schon die Herzen der Jury bei den Filmfestspielen in Venedig im Sturm erobert, die dem Film vor ein paar Monaten den Goldenen Löwen zusprach. Jurypräsident Wim Wenders bedauerte ausdrücklich, dass man nach den Regularien Mickey Rourke nicht auch noch einen Schauspielerpreis verleihen konnte. Vom Symboltheater der Seele, das sich im Rollenspiel der meist abgesprochenen Catcher-Schaukämpfe versteckt, hat erstmals Roland Barthes in einem in Deutschland erst spät veröffentlichen zusätzlichen Beitrag zu seinen "Mythen des Alltags" geschrieben. Doch das große Spektakel der Extremsportart ist auch blutig und gefährlich. Randy der Wrestler ist kein großer Star mehr, weswegen er sich auf besonders blutige Varianten seines Sports mit Stacheldraht und Glasscherben einlassen muss. Er braucht das Geld. Aber die heiße Luft der modernen Gladiatorenkämpfe ist ihm auch zum unverzichtbaren Lebenselixier geworden. So sitzt er dann in seiner Kabine und lauscht verzückt den Kampfgesängen der Fans.

    Als Kämpfer hat er einst den Madison Square Garden gefüllt, jetzt ist ihm keine Provinzturnhalle mehr zu klein. Doch sein Abstieg in der Sportkarriere ist gar nichts gegen seinen Abstieg im wirklichen Leben. Um seine Tochter hat er sich nie gekümmert. In den Table-Dance-Bars, in denen er sich herumtreibt, ist auch nicht gerade die wahre Liebe zu erwarten und seine Seele ist genauso voller Narben wie sein Körper. Als den alternden Kämpfer ein Herzinfarkt aus dem Verkehr zieht, kommt er ein wenig zur Besinnung und versucht ein anderes Leben zu leben. Er nimmt sogar einen Job im Supermarkt an und will seine von ihrem "Scheißvater" frustrierte Tochter zurückzuerobern.

    ""Du bist mein Engel.Du bist mein kleines Mädchen. Und jetzt bin ich ein altes ausgebranntes Wrack und ich bin allein. Und ich hab es verdient allein zu sein.""

    "The Wrestler" ist ein altmodisches Melodrama und stünde nicht das ganz aktuelle Comeback von Hollywood liebstem Schmuddelkind Mickey Rourke im Mittelpunkt, dann wäre der ganze Film vielleicht nichts wert. Doch Rourke stellt seine ganze Persönlichkeit zur Verfügung und deswegen ist "The Wrestler" ein grandioses und anrührendes Genrestück geworden, das Maßstäbe setzen wird. Sogar eine Liebesgeschichte mit der Stripperin aus dem Table-Dance-Schuppen erlaubt der Regisseur dem alten einsamen Riesen. Immerhin kann er mit ihr Einigkeit darüber erzielen, dass die 80er super, die 90er-Jahre aber beschissen waren. Wie in den besten Liebesmelodramen der klassischen Hollywoodzeit stützen und ergänzen diese beiden Seelen ohne Hoffnung einander.

    "Randy: "Verdammt so ne Musik gibt es heute nicht mehr." Sie: "Die 80er, das waren die besten." Randy: "Worauf du wetten kannst. Guns n´Roses das waren die Besten." Sie: "Crow"
    Randy: "Bis diese Cobain-Schwuchtel kam und alles kaputt gemacht hat." Sie: "Ist doch nicht falsch ne gute Zeit zu haben." Randy: "Nur damit das klar ist: Ich hasse die verfickten 90er." Sie:" Ja, die 90er waren Schrott." Randy: "Ja, die 90er waren Schrott.""

    Leider wird Mickey Rourke so einen Auftritt im Film nie wieder haben. Aber auch "The Ram" hat nur noch einen spektakulären Auftritt. Kurz vor dem triumphalen splash, den Sprung vom Seil auf seinen nun hilflosen Gegner, friert das Bild ein. Nicht der Sieg ist wichtig, sondern die Legende. "Print the legend" sagt John Wayne zum Zeitungsredakteur 1962 in "Der Mann der Liberty Valance erschoss" von John Ford und macht den linkischen Anwalt, den James Stewart spielt, zum Helden. Deswegen ist "The Wrestler" wieder einmal so sehr ein Stoff aus dem man Träume machen könnte, dass man sich wundert, dass Rourke nicht auch noch die Oscar-Trophäe abgestaubt hat.