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Mit anderen Augen

Mehr Verständnis zwischen Hochschule und Wirtschaft, das will das Wissenschaftsministerium Brandenburg mit seinem Projekt "PerspektivWechsel" erreichen. Dabei tauschen Unternehmer und Professoren für einen Tag ihren Arbeitsplatz.

Von Claudia van Laak | 30.05.2007
    " So nehmen wir mal den, gut, dann behalte ich meinen Leipziger Wohnungsschlüssel. "

    Der Rollentausch beginnt mit einem Schlüsseltausch. Um halb zehn am Vormittag tauschen der Bauunternehmer Victor Stimming und der Präsident der Fachhochschule Brandenburg Hans-Georg Helmstädter ihre Büroschlüssel. Unternehmer Stimming reicht Volkswirt Helmstädter noch einen Ablaufplan für den Tag.

    " Das hier - da haben Sie ein paar Telefonnummern, falls irgendetwas heute schief gehen sollte. "

    Helmstädter wirft einen kurzen Blick aus dem Fenster, greift zum Mantel, blickt auf die Uhr. Eigentlich beginnt in diesen Minuten sein erster Termin.

    " Und wo fahr ich jetzt hin? Zur HIB? Und wo ist die Adresse? "

    Der erste Termin des Fachhochschulpräsidenten, der heute Unternehmer spielt: eine Baustellenkontrolle.

    " Dort treffe ich die Bauleiterin, dort müssen wir wahrscheinlich die Entscheidung treffen, ob die Baugrube an der richtigen Stelle ausgehoben ist, mal sehen, ob ich da noch korrigierend eingreifen kann. Ich bin mal neugierig, und dann gibt es eine Sitzung von einem Denkmalschutzausschuss, und für Denkmalschutz habe ich mich schon immer interessiert, insofern verspreche ich mir wirklich viele Anregungen. "

    Hans-Georg Helmstädter drückt seinem Tauschpartner noch die Tagesordnung für die heutige Fachhochschul-Präsidiumssitzung in die Hand und bittet ihn, das Programm zügig durchzuziehen. Doch Victor Stimming ignoriert den Hinweis des Fachhochschulpräsidenten, der Unternehmer beginnt mit einer Plauderstunde. Er erzählt von seiner Zeit im DDR-Baukombinat, der Gründung des eigenen Unternehmens nach der Wende, seiner Tätigkeit als IHK-Chef. Erst nach einer halben Stunde beginnt die offizielle Präsidiumssitzung.

    " Soweit mal zur eigenen Vorstellung, jetzt müssen wir aber in die Tagesordnung einsteigen, Sie haben ja schon eine Weile gearbeitet. "

    Erstes Thema ist das neue Marketingkonzept der Fachhochschule Brandenburg. Da die geburtenschwachen Jahrgänge in Ostdeutschland bald Abitur machen, müssen die Hochschulen verstärkt um Studierende werben. Dabei sei es ein Vorteil, dass Brandenburg keine Studiengebühren eingeführt habe, sagt die Hochschule. Unternehmer Stimming widerspricht.

    " Also ich bin vom Grundsatz her der Auffassung, was nichts kostet, ist in der Regel nichts wert. Man muss ja das Kind auch nicht mit dem Bade ausschütten, dass man sagt, man führt das in allen Ausbildungsrichtungen ein. Man kann das ja mal testen, zum Beispiel wenn Sie Medienwissenschaften neu anbieten, kann man sagen, da arbeiten wir ganz gezielt mit Studiengebühren. "

    Die Sicht eines Unternehmers auf die Debatte um Studiengebühren - das erste Ziel des Projekts "Perspektivwechsel" ist erreicht. Holger Drews, der Sprecher des Potsdamer Wissenschaftsministeriums sagt: auf beiden Seiten gibt es leider noch Schwellenängste.

    " Das ist hier in Brandenburg möglicherweise besonders ausgeprägt, weil wir so eine kleinteilige Wirtschaft haben, also sehr viele Unternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten, die häufig überhaupt nicht wissen, welche Schätze an unseren Hochschulen lagern, was die Hochschulen ihnen an Innovationen für ihre kleinen Betriebe zur Verfügung stellen können. Und das wollen wir versuchen, in unserem Projekt zu befördern, dass die Wirtschaft auf die Wissenschaft zugeht und die Wissenschaft noch stärker die Bedürfnisse der Wirtschaft kennen lernt. "

    Beim diesjährigen ersten Versuch dieser Art tauschen vier Unternehmer aus der Region Potsdam mit vier Hochschulpräsidenten bzw. Professoren. In der nächsten Woche werten IHK und Wissenschaftsministerium den Perspektivwechsel aus. Sollte das Projekt erfolgreich sein, wird es im nächsten Jahr auf ganz Brandenburg ausgeweitet.