"Ich heiße Thomas Blinn. Ich bin 39 Jahre alt. Und hier in der Ecke hören wir den Deutschlandfunk am besten auf der Mittelwelle, auf 756 KhZ."
Leutkirch im Allgäu, Industriegebiet: Thomas Blinn, ein vollschlanker jugendlich wirkender Typ mit Schnauzbart, steigt nach der Arbeit ins Auto. Noch bevor er zum Zündschlüssel greift, läuft das Radio. Es klingt ein klein wenig dumpf. Manchmal pfeift es leise im Hintergrund - Thomas Blinn stört das nicht im Geringsten.
"Es hat so was von Dampfradio. Ich bin begeisterter Mittelwellenhörer."
Dabei erweckt Thomas Blinn nicht eben den Eindruck, als sei er ein Typ von gestern oder vorgestern - im Gegenteil: Ohne sein Smartphone geht er nicht aus dem Haus. Und dennoch: Radio hören auf Mittelwelle - das hat sein Leben geprägt:
"Also damals, als ich mit 13 zum ersten Mal Mittelwelle gehört habe, war das der Grundstein für meine berufliche Karriere. Ich hab' mit Radioempfang, mit Amateurfunk, dann mit Elektrotechnik beschäftigt. Dann war mit 15 klar, dass ich mal Elektrotechnik studieren will und Ingenieur werden will."
In Zukunft: Digital statt analog
Thomas Blinn hält inne, dreht am Lautstärkeregler.
"Das ist die Kultursendung, die von halb sechs bis sechs läuft. Also 18 Uhr ist für mich das Highlight. Da kommt ja dann ‚Informationen am Abend', sehr beliebt."
Wenn das "Highlight" kommt, wird Thomas Blinn mit seinem Auto bereits auf der Strecke sein: Rund eine Dreiviertelstunde dauert die Fahrt vom Arbeits- zum Wohnort, vom baden-württembergischen Leutkirch zum bayerischen Kempten. Sie führt durch pittoreske kleine Dörfer und an zahlreichen einzelnen Gehöften entlang. Ohne Mittelwelle, befürchtet Thomas Blinn, werde diese ländlich geprägte Region zu einem neuen "Tal der Ahnungslosen" ohne Deutschlandfunk-Empfang:
"Fahren Sie einfach mal vom württembergischen ins bayerische Allgäu. Und dann sehen Sie, dass so 15 Kilometer von Kempten kein UKW-Empfang mehr ist.
Thomas Blinn wirkt nachdenklich, fast schon ein wenig traurig, so als ob ein Kapitel lieb gewordener Radiogeschichte zu Ende geht. Im Umkehrschluss heißt das aber auch: Ein neues Kapitel wird soeben aufgeschlagen - auch in der Region, in der Thomas Blinn zuhause ist. Das Motto heißt: Digital statt analog, UKW statt Mittelwelle:
"Also DAB plus ist jetzt auch in Ravensburg ausgebaut. In Kempten noch nicht."
Blinn hofft auf neue UKW-Frequenzen
Wird aber wohl bald kommen. Daneben geht im Allgäu der Ausbau der klassischen UKW-Abstrahlung des Deutschlandfunk-Programms weiter voran:
"Seit acht Jahren, kann ich sagen, habe ich in Kempten zu tun. Und da ist UKW ausgebaut. Zuvor war ich in Ulm. Und da ist das auch. Ich hatte das Glück, Deutschlandfunk immer auf UKW zu bekommen zuhause, aber im Auto eben nur auf Mittelwelle."
Doch vielleicht, hofft Thomas Blinn, lässt sich das ja ändern - beispielsweise durch neue - und stärkere - UKW-Frequenzen für den Deutschlandfunk:
"Also man wundert sich ja schon, welche werbefinanzierten sinnfreien Programme man mit größter Feldstärke empfangen kann. Und der Deutschlandfunk fällt meistens hinten runter auf UKW."
Noch allerdings gibt es ja die Mittelwelle - bis zum Jahresende. Dann wird der Sender Ravensburg auf der Frequenz 756 KhZ abgeschaltet - ein für allemal. Und das will Mittelwellen-Fan Thomas Blinn entsprechend würdigen - an Silvester 2015:
"Ich werde definitiv am 31.12. die Mittelwelle nutzen, bis sie um 24 Uhr abschaltet."