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Mobil wie ein Bus und groß wie eine Straßenbahn

Wie sieht die Zukunft des öffentlichen Personennahverkehrs aus? Möglicherweise elektrisch. Busse fahren batteriebetrieben, ohne Oberleitung oder Stromschienen. Doch ausreichend leistungsfähige Akkus oder Batterien waren bislang ein Problem.

Von Ulf Walther | 20.09.2010
    Das Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme Dresden forscht intensiv an Energiespeichern für Busse. Ihr Projekt heißt "AutoTram" und ist ein Zwitter: Mobil wie ein Bus und so groß wie eine Straßenbahn. Diese elektrische "AutoTram" steht kurz vor der Marktreife, wie Ulf Walther berichtet:

    "Wir befinden uns im Grundtypen-Bau und stehen unmittelbar vor so einem Hybrid-Bus, der zusätzlich mit einem Diesel-Aggregat betrieben wird, den wir gerade im Ausbau haben."

    Ronny Schmidt von der Firma Göppel-Bus steht in einer Fabrikhalle in der Nähe von Leipzig. Hier werden serienmäßig Linienbusse gebaut. Aber momentan auch ein völlig neuartiges Gefährt, die sogenannte "AutoTram". Diese soll komplett elektrisch und ohne Oberleitung fahren, aussehen wie eine Straßenbahn – aber auf gewöhnlichen Busrädern. Entwickelt und gebaut wird die "AutoTram" gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme Dresden. Der Hybridbus, der gerade in der Fabrikhalle montiert wird, ist ein wichtiger Bestandteil eben jener "AutoTram", erläutert Ronny Schmidt vom Bus-Hersteller:

    "Die 'AutoTram' wird im Endeffekt ein Produkt aus verschiedenen Modulen sein. An diesem Fahrzeug wird das Modul der Dachaufnahme, der Dachlasten, dieses Puzzle-Teil sein, was in die 'AutoTram' einfließen wird. Auf dem Dachbereich sind hier Elektrokomponenten wie "Super Caps", Bremswiderstände montiert."

    "Super Caps": Das sind Hochleistungskondensatoren, die in der Lage sind, in kürzester Zeit viel elektrische Energie aufzunehmen. Seit etwa fünf Jahren forscht das Fraunhofer-Institut an dem Projekt "AutoTram" und der Frage, wie Busse am besten mit Strom versorgt werden können, ohne etwa auf eine Oberleitung angewiesen zu sein, erklärt Abteilungsleiter Ullrich Potthoff vom Fraunhofer-Institut Dresden:

    "Wir haben in der Vergangenheit Erfahrungen gesammelt mit verschiedenen Bauteilen: Sei es von Schwungrad-Speichern, sei es von Brennstoffzellen, sei es von Lithium-Ionen-Batterien oder seien es Super-Kapazitäten. Der Knackpunkt an der Stelle ist, eine gute Ausbalancierung dieser verschiedenen Energiespeicher, die wir hier verwenden, mit der wir letztlich die Möglichkeit haben, ein energieeffizientes System auf die Beine zu stellen."

    Wie lange kann das Elektrofahrzeug fahren und wie schnell kann es beschleunigen – diese Kriterien sind entscheidend für die Serienreife. Und für beide Fragen gibt es unterschiedliche Lösungen, die nun in der "AutoTram" zusammengeführt werden:

    "Das ist zum einen eben Hoch-Energiespeicher und zum anderen Hochleistungsspeicher. Eine Lithium-Ionen-Batterie kann eine große Menge Energie aufnehmen, während die Superkapazitäten eher die Energiemenge sehr schnell aufnehmen können, aber von ihrer Gesamtenergiemenge nicht sehr viel Energie aufnehmen können."

    Der Lithium-Ionen-Akku ist ungefähr so groß wie ein Schrank. Er muss über eine längere Zeit, beispielsweise über Nacht im Betriebshof, geladen werden, so die Forscher. Die sogenannten "Super-Caps" hingegen können innerhalb von maximal 90 Sekunden so viel Energie speichern, dass das Fahrzeug circa vier Haltestellen weit fahren kann. Schnellladestationen an Haltestellen sollen während des Fahrgastwechsels den nötigen Strom liefern. Beide Stromspeicher-Systeme ergänzen sich, um eine stabile Versorgung zu garantieren, so die Idee. Dass das auch funktioniert, haben die Forscher bereits an einem Prototyp erprobt, an dem auch schon andere Speichersysteme getestet wurden.

    Doch nicht nur in der Art des Antriebs wird sich die "AutoTram" von bestehenden Bussen unterscheiden, sondern auch durch ihr Einsatzgebiet, unterstreicht Ronny Schmidt von der Firma Göppel bei Leipzig:

    "Die Elektro-Busse, die es aktuell am Markt gibt, sind Gelenkzüge. Die 'AutoTram' unterscheidet sich dahin gehend, dass sie fast doppelt so groß ist, wie ein standardmäßiger Gelenkbus. Der Markt dafür baut sich in Regionen auf, die schnell wachsen, die in einer unwahrscheinlich kurzen Zeit eine gewisse Infrastruktur schaffen müssen."

    Regionen also, in denen der Bau einer Straßenbahnlinie zu lange dauern würde. Die "Autotram", wie sie Ende 2012 von den Dresdner Verkehrsbetrieben im Liniendienst getestet werden soll, wird aus drei Teilen und zwei Gelenken bestehen und 30 Meter lang sein. Eben wie eine Straßenbahn mit einem eben so großen Fassungsvermögen. Aber wendig wie ein Bus, denn alle Achsen werden lenkbar sein. Die Lösung dafür steht bereits serienfertig in der Fabrikhalle von Göppel-Bus: Ein Niederflurhänger, der an einen normalen Linienbus gehängt werden kann und dank steuerbarer Achsen problemlos um die Kurven fährt.
    Die AutoTram®, entwickelt und erprobt am Fraunhofer IVI, vereint die Vorteile einer Straßenbahn mit denen eines Busses.
    Die AutoTram, entwickelt und erprobt am Fraunhofer IVI. (Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI)