Freitag, 19. April 2024

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Mockumentary über Hillary Clinton
Auf der Suche nach der Frau hinter der Fassade

In vier Monaten steht fest, ob die USA zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine Präsidentin bekommen: Hillary Clinton kämpft für ihren Einzug ins Weiße Haus. Eine gefakte Doku auf Arte versucht, sich ihr zu nähern und stellt fest: Die Präsidentschaftskandidatin beherrscht jede Rolle - außer einfach mal sie selbst zu sein.

Von Silke Lahmann-Lammert | 12.07.2016
    Die US-Demokratin und wahrscheinliche Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton.
    Die US-Demokratin und wahrscheinliche Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton. (dpa-Bildfunk / AP / Andrew Harnik)
    "Ich habe also für die Leitung der amerikanischen Diplomatie blöderweise meine persönliche E-Mail-Adresse verwendet. Naja, so schlimm ist das auch wieder nicht."
    Wenn es um eigene Verfehlungen geht, verfügt Hillary Clinton über viel Nachsicht. Völlig unverständlich findet die ehemalige Außenministerin die Aufregung über ihren Umgang mit dienstlichen Mails:
    "Gut, normalerweise verlangt die Regel, dass meine offizielle Korrespondenz in den Bundesarchiven aufbewahrt wird. In diesem Fall eben bei Gmail. Also ehrlich, ich sehe da keinen so großen Unterschied."
    Vermutlich würde sich die Politikerin so nicht in der Öffentlichkeit äußern. Aber: Was wir hier hören, sind die intimen Bekenntnisse der Hillary Clinton. Ihre wahren Gedanken über Ehemann Bill zum Beispiel:
    "Mir war sofort klar, dass er nicht das nötige Niveau hatte. Aber mit mir im Rücken hätte es jeder geschafft, glaubt mir!"
    Ausführliches Kapitel über Bills Affären
    Der Satiriker Karl Zéro und seine Frau Daisy d'Errata haben der ehemaligen Präsidentengattin - und voraussichtlichen Präsidentschaftskandidatin der Demokraten - die Worte in den Mund gelegt. Ihr Film setzt die Reihe "Dans La Peau de..." fort, in der Zéro in die Haut von Politikern schlüpft. In früheren Porträts machte der Franzose Jacques Chirac, George W. Bush und Wladimir Putin zu Opfern unfreiwilliger Selbstentblößung. Nun also Hillary Rodham Clinton:
    "Ich war in der Politik tausendmal geschickter als mein armer Ehemann. Und zweifellos intelligenter. Vor allem: kein Weichei. Apropos Eier: Die haben ihn sein Leben lang gesteuert."
    Wie zu erwarten, widmet Hillarys "unautorisierte Autobiografie" den Affären ihres Gatten ein ausführliches Kapitel:
    "Als der Skandal um Monica Lewinsky ausbrach, war ich schon mehr als eingeübt. Während des Präsidentschaftswahlkampfes tauchte plötzlich eine Sexbombe namens Jennifer Flowers auf. Und behauptete zwölf Jahre lang ein Verhältnis mit Bill gehabt zu haben. Was natürlich stimmte!"
    Die Filmemacher bebildern die Lebensstationen der US-Politikerin mit Originalaufnahmen aus amerikanischen Archiven:
    "Ich bin immer sehr fleißig und arbeitsam gewesen."
    Auf High-School-Porträts der Musterschülerin folgen Fotos aus den Studienjahren:
    "Ich ging nach Yale. Und da traf Bill die Frau seines Lebens: mich."
    Ab Ende der 1970er-Jahre dann Filmbilder. Sie zeigen die junge Juristin mit dem Brillenmodell "Glasbaustein". Engagiert und eloquent setzt sie alles daran, ihren Mann auf den Gouverneurssessel von Arkansas zu hieven.
    "Ich war voll dabei. Ich lernte sogar ihren grotesken Akzent nachzuahmen."
    Kein Klischee wird ausgelassen
    Durch die Jahrzehnte erleben wir, wie Hillary Clinton von Everybody's Darling zur Zielscheibe der Medien wird. Obwohl es kaum Momente gibt, in denen sie nicht perfekt funktioniert. Auch als First Lady im Weißen Haus findet sie die richtigen Worte:
    "I'm sitting here because I love him and I respect him."
    Der Eröffnungsfilm des Arte-Themenabends "Quo vadis Amerika" macht sich auf die Suche nach der Frau hinter der Fassade, hinter den einstudierten Gesten und geschickt inszenierten Lachanfällen.
    Obwohl die Filmemacher kein Klischee über die ewig Klassenbeste auslassen - Hillary der Hausdrache, die heimliche Lesbe, die Ehrgeiz-zerfressene Machtpolitikerin -,…
    "Every day Americans need a champion and I wanna be that champion!"
    … geben sie ihrer Protagonistin Raum, zu zeigen, wie klug, humorvoll und schlagfertig sie sein kann. Und hartnäckig. Besonders, wenn es darum geht, die Gesundheitsversorgung benachteiligter Familien in den USA zu verbessern. Gelegentlich schwingt in der Satire sogar Mitleid mit: Für eine Frau, die trotz ihrer Talente dazu verdammt war, jahrelang das Schmuckstück an der Seite ihres Mannes zu spielen.
    "And now it's my task to introduce the President."
    Amüsanter Trip durch das Clinton-Universum
    Es liegt nicht an mangelndem Sprachwitz, sondern an der Synchronstimme, dass manche Pointen in der deutschen Fassung nicht zünden. Schade: Im Original klingt der Mockumentary wunderbar bissig und böse. Karl Zéro und Daisy d'Errata haben filmische Kuriositäten ausgegraben und montieren sie…
    "I, William Jefferson Clinton, do solemnly swear …"
    … mit treffsicheren Schnitten …
    "I did not have sexual relations with that woman."
    … zu einem amüsanten Trip durch das Clinton-Universum. Wenn Heldin Hillary redet, streitet, debattiert, singt, tanzt und Witze erzählt, wird klar: Die 67-jährige Präsidentschaftskandidatin beherrscht jede Rolle...
    "I think I'm the best Hillary Clinton to be honest!"
    Außer einfach mal sie selbst zu sein.
    "Thank you all very much!"