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Möbel
Die Zukunft des Sitzens

Auf der Internationalen Möbelmesse in Köln (imm cologne) wurden wieder die neuesten Möbeltrends vorgestellt. Aber nicht nur das Design spielt eine Rolle - die Funktionalität der Möbel wird immer ausgefeilter. Beispiel: Flexible Stühle, die sich an das Sitzverhalten der Zukunft anpassen.

Von Milan Schlegel | 20.01.2014
    Hände fassen bunte Stühle auf der imm cologne an
    Sitzmöbel ist nicht gleich Sitzmöbel: Stühle auf der imm cologne (dpa/picture alliance/Oliver Berg)
    Zugegeben, als ich den Stuhl zum ersten Mal gesehen habe, hätte ich nicht gedacht, dass sich dahinter ein Sitzmöbelstück versteckt. Modern sieht er aus, mit seinem Metallrahmen und der schrägen, farbigen Sitzfläche. Fast schon wie eine Skulptur aus der Zukunft. Ein Gegenstand, den man sich gut in einer typischen Designer Wohnung vorstellen kann - nur eben als Deko-Artikel und nicht als Stuhl. Anscheinend bin ich nicht der Einzige der diese Assoziation hatte, wie Designer Markus Börgens erzählt:
    "Im ersten Moment stehen die Leute etwas fragend vor dem Produkt, wissen nicht was sie damit sollen. Sie berühren es dann zaghaft und dann mit einem sehr angespannten Gesichtsausdruck setzen sie sich rein, und sobald sie drin sitzen, kommt ein breites Lächeln, ein Rumwippen, eine Freude, ein Spaß."
    "Ein fast fliegendes Gefühl"
    Und auch ich erwische mich dabei, wie ich entspannt in den Stuhl falle und sich ein Grinsen auf meinem Gesicht breit macht. Zugegeben, das hätte ich nicht erwartet.
    "Er federt sehr stark und gibt einem dadurch so ein leicht, ja schon fast fliegendes Gefühl."
    Dabei komme ich mir beinahe ein bisschen so vor wie auf einer Art Trampolin im Sitzen. Doch keinesfalls unangenehm, eher auf eine sanfte, ja fast schon wiegende Weise. "Schweben statt sitzen" wie Markus Börgens dazu sagt - ich muss zugeben, da ist was dran!
    "Obendrein umschmeichelt der Stoff den Körper und gibt einem ein kokon-artiges Sitzgefühl, weshalb wir der Meinung sind, dass das die Zukunft des Sitzens darstellt."
    "Die Zukunft des Sitzens" - was bedeutet das? Wie sitzen wir denn in der Zukunft? Ändert sich unser Sitzverhalten im Laufe der Zeit?
    "Ich habe mich natürlich mit Sitzen seit Jahren und Jahrzehnten auseinandergesetzt. Irgendwann als eine der ältesten Erfindungen der Menschheit kam der Stuhl, der aber dadurch gekennzeichnet war, dass er starr war, dass er Beine hatte, keine Flexibilität."
    "Erbe des Bauhauses"
    Das stimmt. Denkt man an den hockenden, kauernden Neandertaler oder den thronenden König aus dem Mittelalter - die schwebten noch nicht. Aber Schwebeversuche gab es durchaus schon:
    "Ich empfinde mich da so ein bisschen als Erbe des Bauhauses, also meine Produkte setzen da sozusagen an den Freischwingern der Bauhauszeit an."
    Der Geist sollte frei sein, ein wenig - das war damals die Idee. Heute sitzen wir deutlich mehr, viele fast nur - und in der Zukunft? Der Körper verkümmert, nur die Finger durchs Tippen trainiert, die Augen auf Displays stierend… Da ist es nur konsequent, wenn der Körper beim Sitzen gar nicht mehr stört und das kann er nur, wenn er sich leicht anfühlt, schwebt. Wie sich das erreichen lässt - die Idee kam Markus Börgens beim Spielen:
    "Das ist passiert, als meine kleine Tochter zu mir kam und ich ihr Seifenblasen blies. Und dabei die gespannte Seifenfläche innendrin mich dann dazu inspirierte, das Produkt Cobra zu machen. Und das dann transportiert auf ein Sitzmöbel ist das Ergebnis."
    Schwebend durchs Web eilen, in virtuellen Welten agieren oder einfach von der Bilder- und Zeichenfülle des Alltags entschweben - dieses Sitzen scheint mit zu unserer Zukunft zu gehören.