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Moses schwieriger Auszug aus Ägypten

Literarische Fantasie haben der deutsch-türkische Schriftsteller Feridum Zaimoglu und Günter Senkel im Auftrag der Passionsspiele Oberammergau in den Stoff investiert. Ihr "Moses" wirft einen Blick auf den historischen Menschen, nicht nur die Bibel ist Vorlage.

Von Sven Ricklefs | 06.07.2013
    Leichen pflastern seinen Weg. Keine Frage, wer Gottesfurcht verbreiten will und den Zorn Gottes verkörpert, dem rutscht schon mal das Schwert aus. Da macht Moses keine Ausnahme. Doch was das Alte Testament oftmals nur verschämt andeutet und dabei daherkommt, als müsse es dringend jugendfrei bleiben, das haben - so scheint es- jüdische Legenden weitaus genüsslicher und detaillierter dargelegt. Und so stützt sich Feridun Zaimoglus und Günter Senkels Bühnenstück Moses dezidiert nicht nur auf die Heilige Schrift, sondern eben auch auf jene Hunderte von Legenden, in denen die Geschichte des von der Pharaonenschwester aus dem Wasser gezogenen Findlings seinen mythisch wuchtigen Verlauf nimmt. Eigentlich hätte er ja gute Chancen gehabt, als Erbe den Thron des ägyptischen Gottkönigs zu besteigen, eine ungeahnte Möglichkeit zumal für einen Hebräer, dessen Volk sich ansonsten als Heer von Lohnsklaven im reichen Ägypten verdingte. Doch Moses Sinn für Gerechtigkeit macht auch vor Mord nicht Halt und so muss er fliehen und kann erst nach Jahren wiederkommen, doch vorher zeigt sich Gott ihm noch im Dornbusch und redet mit ihm, und was er ihm auferlegt, hätte auch ganz andere überfordert:
    "Zum Gesandten bist du erwählt, Moses. Du schreibst mir in den Sinn, baue dein Haus Israel vollends aus."
    - "Nein ich kann das nicht, nein, lasse mich."

    Doch wen Gott überzeugen will, den fackelt er eben ein und so steht Moses in Oberammergau auf dem kleinen leicht angeschrägten Podest in der Bühnenmitte, aus dessen Rund hohe Flammen lodern. Wer also wollte da wirklich widersprechen.

    Oberammergaus Passionstheater hat eine riesige Spielfläche, deren Breitwandformat erst einmal gefüllt werden muss. Pyrotechnische Effekte können da nur ein Mittel sein. Doch dass Oberammergaus Passionsregisseur Christian Stückl auch sonst diese Bühne füllen kann, weiß man nicht nur von seinen Passionsinszenierungen. Die ebenso dekorative wie durchaus auch immer wieder beeindruckende Massenchoreografie ist ganz Stückls Ding. Und so wechseln auch nun wieder, in diesem Moses, vor blutrotem Himmel, vor blutroten Felsen und blutroter Wüstenlandschaft dynamische Massenszenen mit durchaus intimen Momenten zwischen wenigen Protagonisten ab, in denen allerdings mit großer Geste und lauter Stimme die großen Dinge des Lebens verhandelt werden: Glaube und Gott etwa. Oder Vertrauen und Verrat. Denn Moses hatte mit seinem eigenen Volk, das er aus Ägypten führen will, alles andere als leichtes Spiel:

    "- "Niemals schließt ihr euch diesem Manne an."
    - "Niemals."
    - "Auf die Treue des Throns hast du geschworen."
    - "Einem Eidbrecher folgt meine Sippe nicht.""

    Mit einem ganz am biblischen Duktus orientierten archaischen Sprachstil und mit sehr ernstem Gestus erzählen Feridun Zaimoglu und sein Co-Autor Günter Senkel die Geschichte von Moses: vom Auszug aus Ägypten, von Wüste und Mangel, vom Zweifel des Volkes und von seinem Abfall vom Glauben, vom Tanz um das goldene Kalb und vom blutigen Zorn des alttestamentarischen Gottes. Und Christian Stückl hat diese Erzählung mit sicherem Zugriff bebildert, wobei ihm ein Laienensemble zur Verfügung steht, das gerade in den tragenden Rollen von Jahr zu Jahr besser wird. Sicher, dies ist weniger ein Theater der Interpretation als vielmehr eines der Vergewisserung, der Vergewisserung und Vergegenwärtigung eines kulturellen und religiösen Erbes. Doch auch dafür kann Theater manchmal gut sein, zumal an so einem Ort wie Oberammergau. "Wir machen einen jüdischen Stoff von einem muslimischen Schriftsteller mit einem katholischen Regisseur", hat Christian Stückl gesagt, ohnehin beziehen sich alle drei monotheistischen Religionen nur zu gern auf Moses. Und so ist das, was da nun an den nächsten Wochenenden über die Oberammergauer Passionsbühne geht fast so etwas wie ein abrahamitischer Trialog.