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Motorsport
Sachsenring mit unsicherer Zukunft

Der Sachsenring zieht zum Großen Preis von Deutschland wieder hunderttausende Fans an. Doch dem traditionsreichen Zuschauermagneten bei Hohenstein-Ernstthal droht der Verlust der Motorrad-WM.

Von Raimo Hinsdorf | 16.07.2016
    Training zum MotoGP auf dem Sachsenring
    Training zum MotoGP auf dem Sachsenring (picture alliance / dpa / Hendrik Schmidt)
    Wenn Valentino Rossi seine Yamaha in Schräglage durchs Omega jagt, dann schlägt das Herz des Motorrad-Fans am Sachsenring höher:
    "Vale muss ziehen! Für uns ist es eigentlich der Lieblingsfahrer, nett und fröhlich, sympathisch einfach",
    erklärt Volker aus Dresden auf dem Weg vom Zeltplatz. Selbst am nasskalten Trainingsfreitag füllen mehrere Zehntausend Fans die Tribünen. Mit Rossi-Basecaps oder Trikots mit dem Namenszug von Marc Marquez, dem Rossi-Rivalen. Die meisten hier haben ihre Stammtribüne.
    "Die Kulisse, das Feeling, die Menschen – das ist alles super. Das Drumherum hier am Sachsenring",
    erklärt der Dauergast aus der Oberlausitz, warum es ihn immer wieder nach Hohenstein-Ernstthal zieht. Über 200.000 Zuschauer über das gesamte Wochenende werden am Sachsenring auch in diesem Jahr erwartet. Woanders in Deutschland träumen sie von solchen Zuschauermassen! Zumindest seit dem Ende der Ära Schumacher in der Formel 1. Viele hier pilgern seit Jahrzehnten an den Sachsenring. Sie frieren und feiern gemeinsam in feucht-kalten Camping-Nächten auf dem Ankerberg.
    "Mit viel Regensachen, Gummistiefeln und guter Laune geht’s schon"
    erklärt der Besucher aus Bischofswerda. Die gute Laune in Sachen Sachsenring ist beim ADAC in München verflogen. Der Automobilclub verhandelt seit jeher mit dem spanischen WM-Vermarkter DORNA über WM-Läufe in Deutschland und gab die Lizenz seit 1998 an den Sachsenring. Das wirtschaftliche Risiko der hiesigen Rennen aber übernahm in den letzten Jahren die kommunale Gesellschaft SRM. Mit ihr liegt ADAC-Sportchef Hermann Tomczyk, eher ein Auto- denn ein Motorrad-Mann, im Clinch:
    "Hier in Sachsen haben die 19 Jahre offenbar noch nicht gereicht, dass alle verstehen, dass man hier an einem Strang ziehen muss, um den Grand Prix langfristig zu sichern."
    Jährlicher Umbau
    Der enge, verwinkelte Sachsenring ist ein sehr spezieller Kurs. Die nicht permanente Rennstrecke – im Alltag ein Verkehrssicherheitszentrum –
    muss jedes Jahr für fast eine Million Euro aufgerüstet werden: Mobile Tribünen, mobile Stromversorgung, Absperrungen, Catering usw. Wollen die Sachsen ab 2017 weiter dauerhaft im WM-Geschäft bleiben, muss kräftig investiert werden. So ist unter anderem ein neuer Streckenbelag fällig und mehr Platz fürs Fahrerlager. Angeblich stehe die Uneinigkeit der verschiedenen Grundstückseigentümer einer Lösung im Weg, sagt der ADAC:
    "Es sind zu viele Einzelinteressen im Spiel und wir lassen uns nicht zum Spielball dieser Interessen machen."
    Diesen Donnerstag legte Hermann Tomczyk noch mal nach, setzte dem Sachsenring eine Frist bis zum 11. August. Bis dahin will Wolfgang Streubel, Geschäftsführer des Rennveranstalters, finanziell belastbare Fakten vorlegen:
    "Wir arbeiten intensiv daran, dass wir alle diese Vertragsunterzeichnung erfüllen können, und wir gehen davon aus, dass wir die Zielstellung 11. August halten, dass der Vertrag verlängert werden kann und wir auch weiter als Ausrichter aktiv sind."
    Ohne WM-Garantie
    Noch wirkt Streubel, im Hauptamt Bürgermeister im benachbarten Gersdorf, beinahe stoisch in seiner demonstrativen Zuversicht. Doch im heutigen Motorrad-Grand-Prix-Sport hat auch ein Zuschauermagnet wie der Sachsenring keine WM-Garantie. MotoGP-Fahrer Stefan Bradl mag die Stimmung hier ebenfalls, könnte sich WM-Rennen aber auch woanders vorstellen, zum Beispiel auf dem Nürburgring:
    Motorrad-WM Grand Prix Deutschland am 16.07.2016 auf dem Sachsenring in Hohenstein-Ernstthal (Sachsen). Der deutsche MotoGP Fahrer Stefan Bradl vom Aprilia Racing Team Gresini sitzt vor dem dritten freien Training in seiner Box. Foto: Hendrik Schmidt/dpa
    Der deutsche MotoGP Fahrer Stefan Bradl vom Aprilia Racing Team Gresini (picture alliance / dpa / Hendrik Schmidt)
    "Wir brauchen nicht herumzureden, dass der Sachsenring. lukrativ und von den Fans super besucht ist, dass er Tradition hat. Das ist klar. Aber es ist auch möglich, woanders zu fahren. Ich muss ehrlich sagen, die Frage langweilt mich ziemlich. Wenn die Jungs das hier nicht auf die Reihe kriegen, dann gehen wir halt woanders hin. Also ich hab damit kein Problem!"
    Proteste der Fans
    Wohl aber die hiesigen Fans! Die organisierten vor fünf Jahren sogar Menschenketten, als der WM-Lauf am Sachsenring auf der Kippe stand. Damals waren die umliegenden Gemeinden und der Landkreis als Ausrichter eingesprungen. Die Sachsenring-Rennstrecken-Management GmbH kämpfte lange mit tief roten Zahlen. Nun ringt sie um einen neuen Vertrag über Motorrad-WM-Rennen ab 2017. Ein deutscher WM-Lauf woanders als auf dem Sachsenring – das können sich die Zweirad-Fans hier nicht vorstellen.
    "Es gibt dann bestimmt viele enttäuschte Gesichter. Wenn man in der Zeitung gelesen hat, was die Region hier wahnsinnig viel an Geld einnimmt, eine sehr ärmliche Region wirtschaftlich gesehen, dann würde das auf jeden Fall fehlen. Das darf einfach nicht passieren, dass dieses Ding hier wegbricht.