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Müll an Rosenmontag
Unterwegs mit den Kölner Karnevalsreinigern

Leere Flaschen, zerquetschte Dosen, zertrampelte Bonbons: Für die Müllabfuhr in den Karnevalshochburgen bedeuten die jecken Tage in erster Linie Arbeit: Allein in Köln kommen mehr als 400 Tonnen Abfall zusammen. Die Reinigungskräfte machen dafür auch eine allgemeine Wegwerfkultur verantwortlich.

Von Moritz Küpper | 05.03.2019
Müll liegt am 11.02.2013 nach dem Rosenmontagszug durch Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) auf dem Boden.
Für Reinigungskräfte bedeutet Rosenmontag vor allem viel Arbeit (picture alliance / dpa - Caroline Seidel)
Sie lauern in einer Seitenstraße. Gerade erst ist der Wagen mit Prinz Marc, dem I., aus dem Kölner Dreigestirn, vorbeigefahren, da setzen sich sechs Männer in knallorangener Montur in Bewegung. Fünf von ihnen tragen lange Besen, einer eine Laubgebläse. Leere Flaschen, zerquetsche Dosen, Brötchentüten, Kamelle, die keine Besitzer gefunden haben oder auch leere Plastiktüten. Alles wird zusammengefegt – manchmal, um die noch feiernden Jecken herum.
Rund 330 Tonnen Kamelle, also Bonbons, Schokoladen-Tafeln, Gummibärchen oder Popcorn-Tüten, dazu noch etwa 300.000 Blumensträuße, fliegen beim Kölner Rosenmontagszug, dem größten im Lande in die Menge. Etwa acht Kilometer schiebt sich die Karawane für rund sieben Stunden durch die Domstadt, im Schnitt kommen eine Millionen Menschen – und anschließend die Müllabfuhr. Doch, die muss erst reinkommen, in die Menschenmasse:
"Vor allem ist hier die Problematik, dass das wie ein Schlauch ist und das Publikum bleibt ja hier.Müssen wir uns wirklich durch die Leute, wegdrücken, versuchen, darunter sauber zu machen und dahinter schließt sich das wieder."
Menschenmassen sind eine Herausforderung
Erklärt Klaus Werner Wirths, Leiter des Betriebshofes Alteburger Straße, der AWB Abfallwirtschaftsbetriebe Köln GmbH, wie die Müllabfuhr offiziell heißt. Karneval, das heißt Großkampftag, so der 63-Jährige, der seit 18 Jahren hier für Ordnung sorgt. Wegen der Müll-, aber auch und gerade wegen der Menschenmassen:
"Das ist eben die Kunst des Einsatzleiters, der muss sehen, dass die Jungs schön zusammenbleiben, als kompakter Körper, die sich nicht… Wenn da einmal das Publikum dazwischen ist, kriegt man keine Reinigung mehr hin. Dann ist gelaufen. Deshalb muss er den wie so ein Körper immer zusammenhalten."
Drei große Reinigungstrupps mit jeweils 18 Straßenreinigern und etwa zehn Fahren hat er an dieser Stelle nun im Einsatz. Insgesamt gibt es sechs solcher Trupps, die streckenweise den Zugweg säubern:
"Da wo kleinere Straßen sind, haben wir mehr kleinere Kehrmaschinen, wo breitere Straßen sind, da sind dann die Größeren."
Von 10 Uhr morgens bis in den späten Abend hinein, ist die AWB unterwegs. Mittlerweile ist sein Putztrupp auf dem Zugweg vollständig angekommen, das heißt: Auch die größeren Wagen sind eingebogen.
"Wichtig war, wir hatten jetzt ein wenig technische Probleme mit dem Laubsauger gehabt, die haben wir aber jetzt gelöst und jetzt geht es weiter."
Erklärt Michael Schumacher, der die Männer auf der Straße anweist. Dort liegt nun – wie an einer Schnur aufgezogen – der Müll in einer Linie:
Absage der Pferdestaffel erleichtert die Arbeit
"Wir schieben jetzt quasi von beiden Seiten alles das was genau vor das Saugrohr kommt. Wir arbeiten uns von grob nach fein. Das heißt, wir haben jetzt erstmal den Laubsauger, dann kommt eine große Kehrmaschine. Dann werden die Kehrmaschinen immer kleiner und ganz hinten haben wir eine, die die ganze Zeit dreht und die dann noch die restlichen Verunreinigungen entfernt."
Die Kehrmaschine kommt, versucht, die Konfetti-Reise wegzuwischen. Dass in diesem Jahr – wegen der Unwetter-Warnung – keine Pferde mitgehen konnte, bedeutet für die Reinigungskräfte eine Erleichterung, so Betriebshofleiter Wirths:
"Weil wir bringen zwischen vier und sieben Uhr morgens, bringen wir 80 Tonnen Sand an diese Stellen, wo entweder Altkopfsteinpflaster oder ganz neue Pflasterung, die zu glatt ist. Und das Einholen ist das Problem, weil das ja im ganzen Publikumsgeschäft laufen muss. Spart uns viel, viel Nerven und natürlich auch Zeit."
Dennoch: Während die Karnevalisten, so Wirths Eindruck, versuchen, den Müll zu reduzieren, gibt es eine andere gesellschaftliche Entwicklung, die für mehr Dreck sorgt:
"Es findet immer mehr draußen statt. Früher haben die Leute den Zoch gesehen, sind dann irgendwo feiern gegangen. Heute feiert man da, wo man ist: Auf der Straße, inklusive eben das, was dann runterfällt. Dann meinen die Leute natürlich, sie hätten eine Lizenz das zu tun, was sie sonst nicht machen, einfach da, wo sie sind, alles fallen lassen."
Immer weiter frisst sich das Saugrohr der Müll-Linie entlang, dicht gefolgt von der Kehrmaschine. Viele Jecken bleiben stehen, machen Fotos. Manchmal wird die Arbeit der Reinigungsmaschinen auch unterbrochen: Eine Frau im Piratenkostüm klopft an die Scheibe der Kehrmaschine, reicht einen Blumenstrauß hinein:
"Ruckzuck ist alles wieder sauber"
"Wir haben uns gerade bedankt, die machen die harte Arbeit."
"Ja, klar, natürlich. Da bedanken wir uns doch auch. Freuen die sich auch über ein Strüßjer. Ruckzuck ist alles wieder sauber, so muss das sein."
Die Blumen landen hinter der Windschutzscheibe. Ohnehin, so Wirths, gibt es unter den Karnevalisten viele Fans:
"Wir haben ja insgesamt über 70 Züge, die wir begleiten, gerade bei den Vorort-Zügen ist das so, dass die Leute mit Kindern total stehenbleiben gerne, weil die für die Kinder, wenn die Kehrmaschinen kommen, das ist genauso schön, wie Kamelle-sammeln."
Der Zoch, nach dem Zoch eben. Ab fünf Uhr morgens kommt dann die nächste Schicht, um das zu reinigen, was die Kneipenbesucher noch hinterlassen. So geht das, Tag für Tag, in der Domstadt, viel zu tun also. Und bis er bei den Abfallbetrieben angefangen hatte, war auch Betriebshofleiter Wirths ein Karnevalist:
"Also, bevor ich den Job angetreten habe, fand ich Schnee sehr schön und ich fand Karneval sehr schön. Aber: Schnee gleich Winterdienst und Karneval gleich… das was Sie jetzt hier gerade sehen. Alles, was früher Spaß gemacht hat, ist jetzt Arbeit."
Aber: In zwei Jahren könnte das schon wieder anders aussehen. Zumindest für Klaus Werner Wirths. Denn: Dann geht er in der Ruhestand – und in einer anderen Rolle zum Kölner Rosenmontagszug.