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Musée Unterlinden in Colmar
Hin zur Gegenwart

Die Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron haben das Musée Unterlinden in Colmar erweitert. Ob Eingangsbereich, Piazza oder Museumsschiff: Sie haben mehrere Aufgaben überzeugend gelöst.

Von Christian Gampert |
    Modernes und historisches Gebäude an einem kleinen Kanal
    Das Musée Unterlinden im elsässischen Colmar mit einem modernen Erweiterungsbau und dem freigelegten Kanal (Musée Unterlinden)
    Die Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron haben in Colmar nicht nur ein Museum renoviert und einen Trakt für moderne Kunst gebaut, sie haben auch ein neues städtisches Zentrum geschaffen. Zwischen dem aus dem 13.Jahrhundert stammenden Kloster, in dem das Unterlinden-Museum beheimatet ist, und einem gegenüberliegenden Jugendstil-Schwimmbad aus dem Jahr 1906 war bis vor Kurzem der Busbahnhof. Jetzt erstreckt sich hier eine großzügige Piazza, unterbrochen von einem Wasserlauf. Das hat viele Vorteile, meint Museumsdirektorin Pantxika de Paepe.
    Im alten Kloster war man quasi eingeschlossen, sagt de Paepe. Jetzt dagegen öffne sich das Museum nach außen, das sei das Verdienst der Architekten. Der Platz mit dem Wasser als Achse verbindet zwei quasi symmetrisch angelegte, aber völlig unterschiedliche Museums-Areale: das Dominikanerinnen-Kloster mit der alten Kunst und einen neuen Teil für die Kunst des 19. und 20.Jahrhunderts. Das ehemalige Schwimmbad wurde mit großer Vorsicht zum Veranstaltungssaal und Ort für Performances und Film-Installationen umgebaut; dahinter liegt dann der Neubau von Herzog&deMeuron, ein großes, mit handgebrochenen Ziegeln verkleidetes Querschiff, das fast dasselbe Volumen und dieselbe Ausrichtung hat wie die Kirche des gegenüberliegenden Klosters. Unterirdisch verläuft ein Verbindungsgang, in den man übrigens von oben durch ein kapellenartiges Gebäude hineingucken kann- eine Art Schaufenster, in dem ein Monet als Signum des Übergangs zur Moderne zu sehen ist.
    Alte Kunst wird chronologisch präsentiert
    Die Architekten haben mehrere Aufgaben überzeugend gelöst: Sie haben den verwitterten Eingangsbereich zum Kloster verlegt, moderner gestaltet und die nun hell gekalkten Wände der mittelalterlichen Anlage in einen historisch korrekteren, gleichzeitig aber auch museums-tauglicheren Zustand versetzt. Mit der Piazza ermöglichen sie Verständigung, und ihr Museumsschiff für die Moderne ist zumindest im obersten, im Dachstock ein so opulenter, weiß flirrender Raum, dass man schon jetzt auf die Wechselausstellungen gespannt ist, die da kommen werden.
    Im Kloster wird die alte Kunst in den Nebenräumen nun nicht mehr thematisch, sondern chronologisch präsentiert. Über die grandiosen Arbeiten des Colmarer Kupferstechers und Malers Martin Schongauer, über die Basler und Ulmer Spätgotik gelangen wir zu Matthias Grünewalds Isenheimer Altar, der im hinteren Teil der renovierten Kapelle ausladend groß, dabei aber fast auch demütig inszeniert ist. Die Tafeln des Klappaltars werden hintereinander gezeigt, sodass man das gesamte Bildprogramm - mit der wahrscheinlich düstersten und brutalsten Kreuzigungsszene der Kunstgeschichte - sehen kann.
    Viele Überraschungen
    Wird aber das an religiöser Kunst interessierte ältere Publikum auch hinübergehen in den neuen Museumskomplex? Wird es abstrakte Gemälde ansehen wollen oder Art brut von Jean Dubuffet, der hier prominent vertreten ist? Oder muss man da andere, jüngere Zuschauer gewinnen? Unterlinden-Direktorin Pantxika de Paepe ist voller Zuversicht.
    "Das Publikum liebt Veränderung und Wechselausstellungen, weniger die ständigen Sammlungen. Aber warum sollen die, die wegen des Isenheimer Altars kommen, nicht auch die moderne Pariser Schule sehen wollen?"
    Die Colmarer Sammlung moderner Kunst kann mit Großstadtmuseen nicht ganz mithalten, birgt aber viele Überraschungen. Wir sehen hier eine ganze Reihe vor allem französische Künstler der klassischen Moderne und Gegenwart, die in Deutschland zu Unrecht wenig bekannt sind. Man sieht Teppichwebereien von Roger Bissière, abstrakte Bilder von Olivier Debré, organische Farbfeldkombinationen von Serge Poliakoff. Vor allem die seltsamen Boites reliquiaires, Reliquienschachteln von Raymond Émile Waydelich sind originelle Schöpfungen in der Nachfolge von Marcel Duchamp. Der vom Isenheimer Altar zeitlebens faszinierte Otto Dix war nach 1945 übrigens Kriegsgefangener in Colmar; auch von ihm gibt es hier einige Bilder. Und so könnte das Unterlinden-Museum jetzt zu einer deutsch-französischen Verständigungs-Institution werden - man braucht hier auch das deutsche Publikum, das in Colmar einiges lernen könnte...