
"Das ist so absurd und skurril, dass es schon wieder cool ist."
In der Box steckt ein Comic drin, der die musikalische Stimmung zwischen Euphorie und Burn-out wiedergibt. Düstere Bilder aus dem Nachtleben, voller Querverweise zum Album. Außerdem in der Box, passend zum Thema: eine Schlafbrille. Ali As erklärt:
"Insomnia ist ja wirklich einfach nur eine Krankheit quasi. Irgendwann weiß man nicht mehr, ist das jetzt Realität? Hab ich das gerade geträumt? Und eine Schlafbrille war dann einfach das, was wie die Faust aufs Auge gepasst hat. Sei es jetzt, dass es Kids sind die vom Feiern heimkommen, wenn die Vögel zwitschern und die Sonnenstrahlen schon durch die Jalousien brechen. Oder Leute, die im Zug sitzen, im Flugzeug, im Bus und dann einfach abschalten wollen. Dass die etwas haben, wo sie sich nicht denken: 'Okay, da hätte ich jetzt aber auch zum Flohmarkt um die Ecke gehen können und hätte da genau so was Ramschiges bekommen.' Dass man was hat, was ein stimmiges Gesamtbild ergibt und auch ein stimmiges Gesamtprodukt."
"Wenn man bedenkt, dass die auch relativ jung sind viele, ich glaube das ist auch so ein Prestige-Ding, was die Käufer mehr bindet an den Künstler, weil sie das Gefühl haben, dass sie jetzt etwas Tolles kriegen. Nicht nur Musik. Aber bei so einer Box, da habe ich dann ja was zum Anfassen und das scheint immer noch ein Bedürfnis zu sein."
"Basis für die deutschen Charts ist nicht die verkaufte Stückzahl, sondern der Umsatz, also wie viel die Musikfans bereit sind, an Geld für einen Künstler auszugeben."
Hans Schmucker arbeitet bei der GfK, der Gesellschaft für Konsumforschung. Dort werden jede Woche die Charts ermittelt. Das System "Umsatz statt Stückzahl" ist eine deutsche Eigenart. 2007 ist es eingeführt worden. Erst danach hat der Deluxe-Boxen-Wahn im deutschen Rap um sich gegriffen. Denn durch die Boxen steigt der Umsatz. Eine Ali-As-Box für 40 Euro zählt in den Charts viermal mehr als das einfache Album für zehn Euro.
Konkrete Verkaufszahlen gibt die GfK zwar nur an die Plattenfirmen raus und die Zahlen sind in der deutschen Rap-Welt oft auch eine Art Staatsgeheimnis. Aber generell macht Oliver Marquart eine einfache Rechnung auf.
"Hoher Umsatz bedeutet gute Chartplatzierung. Und gute Chartplatzierung bedeutet Respekt bei den Fans - und das ist eher eine Sache von Marketing. Und deutscher Rap ist heute in vielen Bereichen besser, als es vor einiger Zeit noch war. Also Boxen sind natürlich auch ein Aspekt davon. Aber wenn jetzt die Musik scheiße wäre und sich niemand dafür interessieren würde, dann würden die Boxen das auch nicht rausreißen."
Mittlerweile stecken manche Rapper ganze Extra-Alben in ihre Boxen. Ein Ende ist auch für Ali As nicht abzusehen:
"Hautfetzen, Haare. Die Leute werden ja immer jünger, die rappen. Vielleicht packen die irgendwann mal einen Milchzahn rein oder so was. Da ist die Kreativität noch lange nicht ausgeschöpft. Da geht noch Einiges."
Bis dahin wird sich vielleicht auch der Rest der deutschen Musikwelt richtig auf das Boxen-Business eingelassen haben. Xavier Naidoos letzte Platte gab es auch mit Mini-Lautsprecher. Und die Rummeltechno-Helden von Scooter mit einem Kartenspiel.