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Musikprojekt im Altenzentrum
"Die Senioren entdecken etwas aus ihrer eigenen Kindheit"

Beim Mehrgenerationen-Projekt "unter 7, über 70" treffen sich Senioren und Kinder zum gemeinsamen Musizieren. Die Begegnung und der Austausch im Altenzentrum sind nicht nur Abwechslung im Alltag - sie erhöhen auch die Lebensqualität.

Von Elisabeth Richter | 14.01.2019
    Ein Großvater gibt seinem Enkel eine Klavierstunde.
    Win-win-Situation: Senioren und Kinder machen gemeinsam Musik. (imago )
    Freitags um 10.30 Uhr gibt es im Festsaal des Pflegeheims "Elim" in Hamburg Eppendorf einen besonderen Termin. Rüstige und auch weniger rüstige Senioren - immerhin rund ein Drittel der 62 Bewohner - nehmen am Projekt "Unter 7, über 70" teil.
    Die Musikgeragogin Franziska Niemann "legt" einfach los, hinein ins gemeinsame Singen und Musizieren. Das Begrüßungslied ist den meisten Senioren vertraut, die Kinder lernen es schnell und machen mit.
    Lied: Hier im Hause wirft die Sonne Dir ein warmes Lächeln zu. "Hat jeder ein Lächeln abbekommen?"
    Mit solchen kleinen Sätzen spricht Franziska Niemann Kinder und Erwachsene an und schafft ganz leicht Vertrauen.
    Beide Generationen machen gerne Musik
    "Ich glaube, dass beide Generationen vom Grund her gern Musik machen, die Kinder singen gern, bewegen sich gern, und die Senioren haben ihr ganzes leben Musik gemacht, die kennen das nicht, dass man CDs hört, die haben viel getanzt gesungen, da stimmt die Grundvoraussetzung, dass beide Generationen sehr gern Musik machen."
    Sagt Franziska Niemann. Die Sozialpädagogin und Musikgeragogin hat u. a. eine Zusatzausbildung in Musikalischer Früherziehung. Ihre große Passion gilt generationenübergreifenden Musikprojekten.
    "Die Senioren entdecken etwas aus ihrer eigenen Kindheit, das setzen sie auch in unmittelbaren Reaktionen um. Menschen mit Demenz, die sind sehr direkt in ihren Reaktionen, Kinder auch, das passt ganz wunderbar, manchmal versteht man sich auch ohne Worte."
    Alles ist beim Mehrgenerationen-Projekt "unter 7, über 70" im Fluss, eines entwickelt sich ganz selbstverständlich aus dem anderen. Den Text zur Tritsch-Tratsch-Polka hat Franziska Niemann vorher "trocken" geübt. Dabei konnten die Kinder schon stolz zeigen, dass sie bereits wissen, wie die Finger der Hand heißen. Die Tritsch-Tratsch-Polka ist für die Senioren ein Klassiker, den Kindern macht die eingängige Musik von Johann Strauß sofort Spaß. Sie kommt vom Band, der Wechsel von Schallquellen und Methoden – Singen, Bewegen, Sprechen und mehr - ist ein gutes Mittel konzentrationsschwächere Teilnehmer bei der Stange zu halten.
    Frauke Ruthmann: "Es macht mich glücklich!
    Traute Börner: "Es ist ganz rührend mit den kleinen Kindern, einfach zauberhaft, wie wir Alten mitmachen, mit ganzer Energie und Hingabe, wunderschön."
    Anne Lindemuth: "Mit Kindern kann man immer an ehrlichsten spielen"
    "Man vergisst das Drumherum"
    Stimmen der Seniorinnen Frauke Ruthmann, Traute Börner und Anne Lindemuth aus dem Pflegeheim Elim in Hamburg Eppendorf. Zum wöchentlichen Musizieren mit den Kita- und Vorschulkindern kommen aber auch immer Senioren, die im Stadtteil leben. Zum Beispiel Christa Harms und Karin Hyuke:
    "Man überspringt ein wenig den großen Altersunterschied, das geht wirklich gemeinsam. Dann ist es unglaublich wohltuend zu sehen, wie die BewohnerInnen des Elim sich einfach freuen. In ihrer ja doch etwas eingeschränkten Gesundheit sieht man bei vielen, wenn die Kinder hereinkommen: da ist etwas in den Augen auf einmal."
    "Es ist einfach eine Symbiose hier im Raum drin. Man vergisst das Drumherum, und ich sehe in den Heimbewohnern, wie sie aufblühen. Ja, es bereichert mich selber auch."
    Die 85-jährige Traute Börner aus dem Pflegeheim und die 5-jährige Helene spielen im Wechsel auf den Klangstäben eine Quinte zum Lied "Hejo, spann den Wagen an ...", das hatten die beiden schon ein bisschen vor Beginn der Musizierstunde und in der Pause geübt. Nach und nach setzen die Stimmen im Kanon ein.
    "Clara, Emilia, Helene, Paul, Johann, Eva, Hugo, Noah, Oskar, Luise."
    "Ich fand am tollsten Hejo spann den Wagen an, das kennen wir schon."
    Sagt Johanna. Die Musikgeragogin Franziska Niemann leitet das generationenübergreifende Musizieren mit selbstverständlicher Leichtigkeit und stets mit einem fürsorglichen Blick für die großen und kleinen Sänger. "Nach jeder Stunde bin ich total angetan und begeistert. Man könnte meinen, es gibt viele Hürden, die gibt es eigentlich nicht. Wir schöpfen aus allem, was alle mitbringen. Wir nehmen auch die mit, die nicht mehr so fit sind. Aber: Das gemeinsame Tun funktioniert, das finde ich ganz faszinierend."
    Mehr Lebensqualität für die Bewohner
    Auch für den Leiter des Pflegeheims Elim in Hamburg Eppendorf Jürgen Heinisch - der, wann immer möglich, auch an der Musizierstunde aktiv teilnimmt - liegt die Win-win-Situation des Projekts auf der Hand. Die Begegnung und der Austausch der Senioren mit den Kindern sind nicht nur Abwechslung im Alltag, sie erhöhen die Lebensqualität.

    "Wir erleben, dass die Bewohner, wenn sie wieder hochkommen in den Wohnbereich, dass sie oft ein Lied summen. Ich glaube, das ist wirklich eine tolle Sache.
    Und für Kinder, das ist ein ganz großer Aspekt, der mir wichtig ist: sie bekommen ein anderes Bild vom Alter, dass sie nicht irgendwann, wenn sie größer sind, sagen, die Alten, die taugen alles nix, die müssen weg, dass das dazu einen Beitrag bringt, das ist meine Hoffnung dabei auch."