Freitag, 19. April 2024

Archiv

Nach dem Erdbeben in Italien
Staatliche Hilfe und hässliche Zankereien

Die Erde in Mittelitalien kommt nach dem Erdbeben vom Wochenende nicht zur Ruhe. Zahlreiche Nachbeben wurden gemessen, eines davon mit einer Stärke von 4,2. Zehntausende Menschen sind obdachlos. Die italienische Regierung berät am Nachmittag in einer Sondersitzung über Hilfsmaßnahmen.

Von Nikolaus Nützel | 31.10.2016
    Die vom Erdbeben zerstörte Basilika in Norcia
    Die vom Erdbeben zerstörte Basilika in Norcia (ALBERTO PIZZOLI / AFP)
    Am Tag nach dem schweren Erdbeben in Mittelitalien kommen die Menschen nicht zur Ruhe. Viele Anwohner sind verunsichert, denn es gibt immer wieder Nachbeben - eines davon hat mit 4,2 eine beträchtliche Stärke erreicht. Gleichzeitig geht es darum, die Schäden abzuschätzen. Sogar in Rom, das über hundert Kilometer vom Zentrum der Erdstöße entfernt liegt, wurden einige Kirchen gesperrt, weil man fürchtet, dass herabstürzende Bauteile Besucher verletzen könnten. Gleichzeitig wird deutlich, wie verheerend die Schäden in den Regionen Umbrien und Marken in der Landesmitte sind. Etliche Dörfer sind weitgehend zerstört. Auch die 5.000-Einwohner-Stadt Norcia, bei der das Epizentrum des Bebens lag, sei nicht mehr wiederzuerkennen, sagt ein Anwohner.
    "Norcia gibt es nicht mehr, die wichtigsten Bezugspunkte sind weg: der Marktplatz, die Kirche. Die Basilica San Benedetto war wunderschön, jetzt sind die Seitenwände eingestürzt, der Kirchturm ist eingestürzt, der Rathausturm ist beschädigt. Das Hospital gibt es nicht mehr."
    Es geht auf den Winter zu - Hilfe wird schwieriger
    Wie viele Menschen ihr Zuhause verloren haben, ist noch nicht sicher. Der Zivilschutz berichtet, dass mehr als 15.000 Männer und Frauen Hilfe erhalten haben, Tausende wurden in Hotels an der Adria-Küste und am Trasimeno-See gebracht. Insgesamt könnten aber noch weit mehr Menschen obdachlos sein, heißt es in aktuellen Schätzungen. Die Behörden stehen dabei vor dem Problem, dass die Zerstörungen des schweren Bebens Ende August und auch die Schäden durch ein Beben vom vergangenen Mittwoch noch kaum angegangen worden sind. Paolo Mancinelli vom italienischen Katastrophenschutz räumt ein, dass es schwierig ist, allen Opfern zu helfen - zumal es auf den Winter zugeht.
    "Angesichts der gesunkenen Temperaturen waren Zelte keine Lösung mehr. Deswegen haben wir darauf gesetzt, die Menschen in unbeschädigten Häusern unterzubringen und in Hotels. Aber das Beben vom Sonntag, das besonders stark war, hat auch hier Zerstörungen angerichtet."
    Hässliche Zankereien
    Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi hat erklärt, alles, was jetzt zerstört wurde, solle wieder aufgebaut werden, und er hat auch Soforthilfen zugesagt. Der Vizepräsident der Region Umbrien, Fabio Paparelli, drängt dabei darauf, dass es nicht nur bei Ankündigungen bleibt.
    "Das hier ist eine Ausnahmesituation. Deswegen brauchen wir auch besondere Instrumente, um diese Ausnahmesituation zu bewältigen. Ministerpräsident Renzi hat das ja auch angekündigt, und ich hoffe, dass wir die Sache nicht Technokraten überlassen. Leider hatten wir zu oft schon Abläufe, mit denen wir nicht zufrieden sind."
    Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi hat alle Italiener aufgefordert zusammenzustehen. Es gibt aber auch hässliche Zankereien. Eine Politikerin der oppositionellen Fünf-Sterne-Bewegung hat mit einer Nachricht auf Twitter für Aufregung gesorgt. Darin behauptete sie, die Regierung habe dafür gesorgt, dass die ersten Berichte, wonach das Erdbeben eine Stärke von 7,1 hatte, später auf die Stärke 6,5 zurückgenommen wurden. Dahinter stecke das Ziel, die Betroffenen nicht vollständig entschädigen zu müssen, schrieb die Senatorin Enza Blundo. Andere Parteien warfen ihr vor, sie missbrauche die Naturkatastrophe, um sich mit Verschwörungstheorien zu profilieren. Auch die Spitze ihrer eigenen Fünf-Sterne-Bewegung distanzierte sich von der Senatorin.